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Produktdetails
  • Verlag: Verlag Antje Kunstmann
  • Originaltitel: Life in the Treetops
  • Seitenzahl: 269
  • Abmessung: 24mm x 143mm x 214mm
  • Gewicht: 446g
  • ISBN-13: 9783888972508
  • ISBN-10: 3888972507
  • Artikelnr.: 24832913
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2000

Auf Wipfelflößen
Margaret D. Lowman studiert
das Leben in tropischen Bäumen
Sergeant Pluck konstatiert in Flann O’Briens Roman Der dritte Polizist kurz und bündig: „Wenn ich mich jemals verstecken will, werde ich immer treppauf einen Baum besteigen. Die Menschen besitzen nicht die Gabe, den Blick zu heben; sie unterziehen die luftigen Höhen nur selten einer Prüfung. ” Margaret D. Lowman, derzeit Inhaberin des Lehrstuhls für Tropenbotanik in Sarasola, Florida macht genau das und eruiert die Verstecke großenteils noch unbekannter Tiere und Pflanzen in den Baumkronen.
Manche Bäume sind bis zu 75 Meter hoch, und die Temperatur über den Kronendächern kann über 40 Grad Celsius betragen. Eine ausgeklügelte Logistik ist vonnöten, um da klar zu kommen. Die Autorin dachte an den Einsatz von dressierten Affen, ausgestattet mit einer Kamera mit großem Teleobjektiv, eingesetzt an einem Flaschenzug. Doch dieser nette Gedanke wurde verworfen, und Lowman musste selber kraxeln. Ihre Techniken verfeinerten sich im Lauf der Zeit: Von der Ein-Seil-Klettertechnik (mühselig und zeitaufwendig), kam sie über Laufstege und Baukräne schließlich zu den radeaux des cimes, den Himmelsflößen. Darunter hat man sich eine Mixtur von Heißluftballon und Luftschiff vorzustellen, mit einer aufblasbaren Plattform, die zur Entnahme diverser Proben aus dem oberen Kronendach dient. Die Hauptforschungsgebiete umfassten neben Australien, wo Lowman mit ihrem spießigen Mann lebte, zwei Söhne bekam und sich schließlich scheiden ließ, Kamerun, Arizona, Massachusetts, Florida, Belize und Peru.
Lowmans Buch lässt sich aus verschiedenen Blickwinkeln lesen: Einmal als Forschungsbericht über die Wipfel des tropischen Regenwalds; zum anderen steht die Situation einer Frau in einer männlich dominierten Wissenschaft im Vordergrund; und endlich möchte Lowman eine globale Fallstudie aus der Perspektive der Umweltforschung liefern. Ihr „größtes Anliegen” ist es, den Leser neugierig auf seine Umwelt zu machen, „insbesondere für die komplexen politischen, soziologischen, ökonomischen und biologischen Aspekte der Wälder”, ist ihr ebenfalls gelungen.
Neben der Erforschung des Eukalyptussterbens in Australien widmete sie sich der Erkundung der Atmosphäre oberhalb des Kronendachs und sann über andere Bereiche der Phänologie, das heißt der Wissenschaft vom jahreszeitlichen Ablauf der Lebenserscheinungen nach: die Abholzung der Wälder, das diffizile Verhältnis zwischen Pflanzen und Tieren hoch oben, die Herausforderung, ökologisch ,sanfte‘ Proben zu gewinnen, die Biodiversität und der Nährstoffkreislauf sowie der Gesundheitszustand globaler Ökosysteme. Dieser nimmt durch uns Menschen dramatisch ab – Wohl und Wehe unseres Planeten hängt ja von einer rationalen „Bewirtschaftung” der Wälder entscheidend ab.
Lowman hat ein sympathisches Buch verfasst. Man solle, so erklärt sie ihre wichtigste Lebenslektion, lernen „zu kämpfen statt zu klagen” – als Frau in einer traditionell von Männern beherrschten Kultur und Berufswelt, als Feldbiologin musste sie sich mutig durchbeißen. Ihr couragiertes Auftreten an wahrlich „exponierter Stelle” nötigt Respekt ab. Der Anhang bietet ein sinnreiches Glossar und eine Auflistung nützlicher Ausrüstungsgegenstände für Feldbiologen im Regenwald. Als „schnelle Muntermacher” bei diesem anstrengenden Job bevorzugt Lowman Jaffa-Cakes oder andere gefüllte Schokoplätzchen. Latest news: In Ulm haben Arbonauten kürzlich eine Schwebebühne entwickelt, die den Kontinent der Baumkronen noch detaillierter erkunden soll: Ein Heliumballon mit Arbeitsgondel wird seine Arbeit demnächst in Französisch Guyana aufnehmen.
THOMAS ECKARDT
MARGARET D. LOWMAN: Die Frau in den Bäumen. Eine Biologin erforscht das Leben in den Baumkronen. Aus dem Englischen von Franca Fritz und Heinrich Koop. Verlag Antje Kunstmann, München 2000. 273 Seiten, Abb. , 39,80 Mark.
Auf Beobachterposten findet man diese geduldigen Vögel, die Ohren- und Weißkopf-, Gänse- und Sperbergeier (unsere Abb. ) – seltsame Wesen, die warten können, denen es nie mangelt an Zeit. Sie begleiten die jährliche Wanderung von Millionen Streifengnus in der Serengeti, über 2000 Kilometer hinweg, bis zur Überquerung des Mara-Flusses. Beobachter ist seit zehn Jahren auch Carlo Mari – in Tausenden von Fotos hat er die erregende Choreografie dieser Wanderung eingefangen, der Gnus, Elefanten, Raubtiere – und Geier. Eine Auswahl ist im Band Auf der Spur des Wassers erschienen (kommentiert von Harvey Croze, Deutsch von Eva Richter, Frederking & Thaler, München, 256 S. , 98 Mark).
Foto: Verlag
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.2000

Unbezähmbare Sehnsucht nach den Mangroven
Margaret D. Lowmans Lebensbericht / Von Diemut Klärner

Der Baukran steht mitten im tropischen Regenwald. Mehr als vierzig Meter hoch, ragt sein leuchtend gelbes Stahlgerüst ein gutes Stück über die Baumkronen hinaus. Doch ist hier, unweit von Panama City, keine Siedlung im Grünen geplant. Statt Baumaterial hängt an dem langen Dreharm eine kleine Gondel. Wer darin Platz nimmt, kann nicht nur über die Wipfel schweben, sondern auch zwischen den Bäumen hinabtauchen und einzelne Zweige zielgenau ansteuern - ein Wunschtraum aller Biologen, die wie Margaret D. Lowman die obersten Stockwerke des Waldes erforschen. Anfangs mußte die Autorin stets nach Art der Bergsteiger an einem Seil ins Kronendach hinaufklettern.

Aufgewachsen im amerikanischen Bundesstaat New York, zog sie schon als Studentin in die weite Welt hinaus. Zunächst widmete sie sich den Birken im schottischen Hochland, die dort von Wind und Wetter auf eine handliche Größe zurechtgestutzt werden. Die Aussicht auf ein wärmeres Klima und die üppige Flora des tropischen Regenwaldes lockte sie dann nach Australien. Vom Boden aus, so mußte sie bald feststellen, läßt sich in solchen Wäldern jedoch wenig erreichen. Das Urwaldleben in all seiner faszinierenden Vielfalt spielt sich hauptsächlich in höheren Regionen ab, wo die Pflanzen genügend Licht finden und die Tiere einen entsprechend reich gedeckten Tisch. Um dorthin vorzudringen, sind sportliche Fähigkeiten gefragt. Steigklemmen und Abseilbremse erweisen sich als unentbehrliche Utensilien bei der Erkundung des Kronenraums.

Giftige Schlangen können die Autorin ebensowenig von ihren Kletterpartien abhalten wie bissige Ameisen und hungrige Blutegel. Auch manch pflanzliches Forschungsobjekt präsentiert sich nicht übermäßig einladend. Hinter dem wissenschaftlichen Namen Dendrocnide excelsa verbirgt sich ein wahres Prachtexemplar der Brennessel-Familie. Bis zu sechzig Meter hoch, ist dieser Baum nicht nur um ein Vielfaches größer als eine gewöhnliche Brennessel, sondern auch um ein Vielfaches wehrhafter: Seine Brennhaare entfalten eine ähnliche Wirkung wie der Stachel einer Wespe. Dennoch werden diese Bäume gründlich unter die Lupe genommen. Wider Erwarten stellt sich dabei heraus, daß ihr Laub besonders stark von Insekten zerfressen ist. Unbeeindruckt von der martialischen Ausstattung des Blattwerks, tut sich ein unscheinbarer Käfer daran gütlich.

Die Pionierarbeit in den Baumkronen erweist sich als passende Qualifikation, um dem Eukalyptussterben im australischen New England auf den Grund zu gehen. Denn diese Krankheit beginnt stets hoch oben in den Wipfeln der Bäume. Nach und nach erfaßt sie dann die gesamte Krone, bis schließlich nur noch totes Geäst übrigbleibt. Gemeinsam mit dem Zoologen gelingt es der Autorin, einen Verwandten des Maikäfers als unmittelbaren Übeltäter zu entlarven. Da dieses Insekt im australischen Sommer, meist um die Weihnachtszeit, aus dem Erdboden kriecht, erhält es den schönen Namen "Christmas beetle". Gewöhnlich richten die Käfer nicht allzuviel Schaden an. Die Eukalyptusbäume reagieren ähnlich wie hierzulande die Eichen, wenn ihr Laub von den Raupen des Eichenwicklers oder des Schwammspinners geplündert wird: Kahlgefressene Zweige treiben bald wieder aus und schmücken sich mit frischem Grün. Doch wenn die Bäume binnen kurzem ihre Blätter erneut verlieren und obendrein unter Trockenheit und Bodenerosion leiden, können sie das nicht so leicht wegstecken.

Wo Schafe oder Rinder weiden, geraten sie besonders in Bedrängnis, weil die Käferlarven dort optimale Lebensbedingungen finden: Hätten die australischen Farmer das Land nicht nach ihren Wünschen umgestaltet, dann wären die Käfer wohl nie zur bedrohlichen Plage geworden. Mit dieser Erkenntnis hat die Autorin keinen leichten Stand. Denn mittlerweile ist sie als Ehefrau eines Schafzüchters selbst auf einer Farm daheim. Tapfer versucht sie dort, Haushalt und Familienleben mit ihrer Arbeit als Biologin in Einklang zu bringen. Mit zwei kleinen Kindern wird dieser Balanceakt jedoch zunehmend schwieriger. Hin und wieder kommen Mutter und Bruder nach Australien, um ihr zeitweilig unter die Arme zu greifen. Bei Ehemann und Schwiegermutter stoßen ihre akademischen Ambitionen hingegen auf wenig Verständnis.

Als das Williams College in Massachusetts ihr eine Gastprofessur anbietet, packt die Autorin die Koffer und kehrt Australien den Rücken. Zunächst hofft sie, daß es kein Abschied für immer ist. Doch schließlich bleibt sie in der alten Heimat und avanciert zur Forschungsdirektorin der Marie Selby Botanical Gardens in Sarasota, Florida. Mit zäher Beharrlichkeit und bewundernswertem Organisationstalent gelingt es ihr, als alleinerziehende Mutter zurechtzukommen, ohne beruflich zurückzustecken. Als Spezialistin für luftige Höhen studiert sie weiterhin die Wipfelregion der Wälder, am Kletterseil und auf schwankenden Laufstegen oder gar mit einem Luftschiff, das über die Baumkronen dahingleitet. Und der Leser ist eingeladen, an ihrer Entdeckungsfreude teilzuhaben.

Humorvoll und unterhaltsam schildert die Autorin ihre Erfahrungen als Frau im Forschungsbetrieb. Sie verhehlt nicht, daß die Arbeit in freier Natur neben einem Quentchen Abenteuerlust auch langen Atem erfordert. Im tropischen Regenwald gehen die Uhren anders als im Labor eines biologischen Instituts. Einzelne Blätter können bis zu fünfzehn Jahre alt werden, und manche Sämlinge am Waldboden sind mit fünfunddreißig Jahren erst zwölf Zentimeter groß. Mit seiner Fülle vielgestaltiger Lebensformen ist der Kronenbaum des Regenwaldes zweifellos ein Eldorado für Biologen und eine unerschöpfliche Quelle des Staunens. Wieviel verschiedenartige Pflanzen er beherbergt und wieviel Tiere sich dort tummeln, läßt sich derzeit nicht einmal annähernd abschätzen.

Weit schneller als die Erkundung kommt die Zerstörung der Regenwälder voran. Um zu retten, was noch zu retten ist, sind nicht zuletzt engagierte Forscher gefragt. Der Autorin liegt aber nicht nur die Zukunft der Wälder am Herzen. Selbst noch längst nicht am Ende ihrer Karriere, will sie junge Frauen ermutigen, sich mit gesundem Selbstvertrauen in die Wissenschaft zu wagen. Zwar kann sie ein Lied davon singen, daß sich Beruf und Familie nicht immer so leicht unter einen Hut bringen lassen. Doch sieht sie diese Herausforderung auch als Chance: "Eine der bedeutsamsten Einsichten auf meiner bisherigen Lebensreise besteht in der Erkenntnis, daß es genausoviel Energie kostet, in Wehklagen auszubrechen wie in Freudengeschrei. Aber das Ergebnis ist ein ganz anderes. Man sollte lernen, zu kämpfen, statt zu klagen."

Margaret D. Lowman: "Die Frau in den Bäumen". Eine Biologin erforscht das Leben in den Baumkronen. Aus dem Englischen von Franca Fritz und Heinrich Koop. Verlag Antje Kunstmann, München 2000. 272 S., Abb., geb., 39,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Sabine Sütterlin ist ziemlich beeindruckt von dem Buch, in dem die Biologin Lowman ihren alltäglichen Selbstbehauptungskampf im australischen Outback und im ehelichen Zwangssystem beschreibt. "Vogelkot, juckende Nesseln und Blutegel, Taranteln und Harndrang auf 40 Metern über dem Waldboden beeindrucken sie kaum", begeistert sich Sütterlin. Auch Lowmans Bekenntnis, dass sie eigentlich niemals vorgehabt hatte, "Kronendachforscherin" zu werden, imponiert ihr mächtig. Welcher Mann hätte das schon zugegeben! Tatsächlich leidet die Rezension etwas unter Sütterlins Power-Frauen-Emphase.

© Perlentaucher Medien GmbH