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Was wussten die Deutschen über die Ermordung der Juden?
Was wussten die Deutschen vom Holocaust? Wie wurde die nationalsozialistische "Judenpolitik" in der Propaganda des Regimes dargestellt? Wie haben die Menschen auf Informationen und Gerüchte über den systematischen Mord an den Juden Europas reagiert? Diese Fragen gehören zu den zentralen, bisher ungelösten Problemen der Holocaust-Forschung. Auf der Grundlage neuer, bisher nicht ausgewerteter Quellen gibt Peter Longerich überzeugende Antworten.
Peter Longerich gelingt es, aus der Sicht des Historikers Antworten auf die Frage nach dem
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Produktbeschreibung
Was wussten die Deutschen über die Ermordung der Juden?

Was wussten die Deutschen vom Holocaust? Wie wurde die nationalsozialistische "Judenpolitik" in der Propaganda des Regimes dargestellt? Wie haben die Menschen auf Informationen und Gerüchte über den systematischen Mord an den Juden Europas reagiert? Diese Fragen gehören zu den zentralen, bisher ungelösten Problemen der Holocaust-Forschung. Auf der Grundlage neuer, bisher nicht ausgewerteter Quellen gibt Peter Longerich überzeugende Antworten.

Peter Longerich gelingt es, aus der Sicht des Historikers Antworten auf die Frage nach dem Wissen der Deutschen über die "Endlösung" und ihre Einstellung zur Judenverfolgung zu geben. Er hat die antisemitische Propaganda des Regimes analysiert, sich mit alliierten Rundfunkprogrammen und Flugblättern befasst, alle noch vorhandenen geheimen NS-Stimmungsberichte zur "Judenfrage" untersucht und zusätzlich Informationen aus Tagebüchern, Gerichtsakten, Aufzeichnungen ausländischer Besucher und anderen Quellen zusammengetragen.

Longerich weist nach, dass die Judenverfolgung im Deutschen Reich nicht nur in aller öffentlichkeit stattfand, sondern dass das NS-Regime ab Ende 1941 immer wieder gezielte Hinweise auf die "Vernichtung" der Juden gab. Die konkreten Einzelheiten des Massenmordes unterlagen zwar strikter Geheimhaltung, doch diese wurde immer wieder durchbrochen. Durch seine Propagandapolitik versuchte das Regime der Bevölkerung zu signalisieren, dass sie zu Mitwissern und Komplizen eines Verbrechens ungeheuerlichen Ausmaßes geworden und ihr Schicksal auf Gedeih und Verderb mit der Existenz des Regimes verbunden war.

Ein Thema, das nach wie vor die Gemüter erregt und bisher nie schlüssig behandelt wurde.
Autorenporträt
Peter Longerich, geboren 1955, Professor für moderne Geschichte am Royal Holloway College der Universität London und Gründer des dortigen Holocaust Research Centre, ist seit 2013 an der Universität der Bundeswehr in München tätig. Der international renommierte Experte für die Geschichte des Nationalsozialismus veröffentlichte zahlreiche Dokumentationen und Gesamtdarstellungen, seine Bücher über die "Politik der Vernichtung" (1998) und ihre Resonanz in der deutschen Bevölkerung, "Davon haben wir nichts gewusst!" (2006), sind Standardwerke. Seine zuletzt bei Siedler erschienenen Biographien über "Heinrich Himmler" (2008), "Joseph Goebbels" (2010) und "Hitler" (2015) fanden weltweit Beachtung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.06.2006

Zweierlei Kenntnisnahme
Die Deutschen und die Verfolgung der Juden 1933 bis 1945

Einer Überlieferung aus dem Jahr 1945 zufolge unterhielten sich ein gedemütigter Jude und ein verwundeter deutscher Soldat über Hitlers Politik. Der Soldat klagte dem Juden sein Leid: Er sei seit 1937 Soldat, seit 1939 immer an vorderster Front gewesen, inzwischen fünfmal verwundet worden und nun auf der Fahrt in seine Heimatstadt, um nach seiner Familie zu suchen. Seit einem schweren Bombenangriff habe er weder von seinen Eltern noch von Frau und Kindern Lebenszeichen erhalten. Nach einer Pause zog der Geprüfte Bilanz. Er sei deprimiert, ja verzweifelt. Seit 1929 habe er als Mitglied der NSDAP für ein neues Deutschland gekämpft, und nun stehe er vor dem Nichts. Hitler habe nichts von dem gehalten, was er ihm und dem deutschen Volk versprochen habe. Der Jude erwiderte darauf, er und seine Schicksalsgefährten hätten die gegenteilige Erfahrung gemacht. Ihnen gegenüber habe der nationalsozialistische Partei- und Staatsführer alles gehalten, was er ihnen einmal "versprochen" habe. Jede Drohung sei verwirklicht worden.

Diese knappen, aber signifikant-widersprüchlichen Wahrnehmungen des nationalsozialistischen Regimes im allgemeinen, der Opferrollen im besonderen markieren umstrittene Positionen, deren Spannweite die zeitgeschichtliche Forschung mehr denn je beschäftigt. Was wußten "ganz normale" Deutsche vom Holocaust? Wie wurde die nationalsozialistische "Judenpolitik" in der Propaganda des Regimes dargestellt? Wie haben die Menschen auf Gerüchte und Berichte über den systematischen Mord an den Juden Europas reagiert? Diese Fragen bilden den Ausgangspunkt in der Untersuchung von Peter Longerich über die "Deutschen und die Judenverfolgung 1933-1945". Longerich, geboren 1955 und Professor für neuere deutsche Geschichte an der Universität London, hat auf breiter, zum Teil neu erschlossener Quellenbasis die antisemitische Propaganda des Regimes analysiert und deren Rezeption in der deutschen Bevölkerung sowohl mit den amtlichen Stimmungsberichten zur "Judenfrage" als auch mit privaten Aufzeichnungen unterschiedlicher Provenienz systematisch verglichen.

Seine akribischen Studien kommen zu dem Ergebnis, daß die Judenverfolgung im Deutschen Reich nicht nur vor aller Augen stattfand, sondern daß das nationalsozialistische Regime von 1941 an auch bewußt und gezielt Hinweise auf die Vernichtung der Juden in die Öffentlichkeit lancierte. "Die konkreten Einzelheiten des Massenmords unterlagen zwar einer strikten Geheimhaltung, immer wieder wurde diese jedoch durchbrochen. Durch ihre Propagandapolitik signalisierte die NS-Führung ihren ,Volksgenossen', daß sie zu Mitwissern und Komplizen eines Verbrechens ungeheuerlichen Ausmaßes geworden waren - und ihr Schicksal somit auf Gedeih und Verderb mit der Existenz des Regimes verbunden war."

Der plakativ-apologetisch und provokant wirkende Titel des Buches ("Davon haben wir nichts gewußt!") mag dem merkantilistischen Interesse des Verlags geschuldet sein. Er steht im partiellen Widerspruch zum Untertitel, da "ganz normale" Deutsche von der Judenverfolgung zwischen 1933 und 1939 unmittelbar mehr erfahren haben als von den Massenmorden während des Zweiten Weltkriegs in den besetzten Gebieten Osteuropas. Unabhängig davon ist es Longerich mit seiner quellengesättigten Untersuchung gelungen, wesentlich neue und ertragreiche Erkenntnisse zu gewinnen, die breites Aufsehen hervorrufen werden innerhalb wie außerhalb der historischen Zunft.

Zu gänzlich anderen Ergebnissen kommt der Jurist Konrad Löw, Jahrgang 1931 und bis 1999 Politikwissenschaftsprofessor an bayerischen Universitäten, in seinem Buch "Das Volk ist ein Trost". Laut Klappentext sucht und findet Löw in einer "umfassenden Gesamtschau die Antwort auf die Frage, ob die große Mehrheit der Deutschen die Judenpolitik des Dritten Reiches bejaht, vielleicht sogar unterstützt hat und ob es deshalb gerechtfertigt ist, pauschalisierend von einer Schuld des deutschen Volkes zu sprechen". Grundlage seiner vorgeblichen Gesamtschau sind die "Erfahrungen jüdischer Opfer, wie sie in Tagebüchern, Briefen, Lebenserinnerungen und Interviews ihren Niederschlag gefunden haben".

Der Titel des Buches ist dem Tagebuch Jochen Kleppers (1956 veröffentlicht: "Unter dem Schatten Deiner Flügel") vom 11. November 1938 entnommen. Kleppers wiederholte Klagen über Christen und Kirchenleitungen, die am "Geschick der Juden" keinen Anteil nehmen, enthält der Verfasser jedoch seinen Lesern vor. Daß Paul Spiegel, der jüngst verstorbene Vorsitzende des Zentralrats der Juden, und seine Nachfolgerin Charlotte Knobloch ihr Überleben hilfsbereiten Christen verdanken, streicht Löw heraus; die Tatsache, daß Angehörige beider Familien in Auschwitz ermordet worden sind, verschweigt er. Unterschätzung des christlich-religiös motivierten Antisemitismus, selektive Quellenauswahl und entsprechend tendenziöse Schlußfolgerungen kennzeichnen Löws Arbeit ebenso wie die Vernachlässigung der grundlegenden Studien von Günter Brakelmann, Hermann Greive, Martin Greschat und Werner Jochmann.

Löws "Resümee" lautet unter anderem: "Christen nahmen besonderen Anteil am Los der Juden"; "Nicht einmal alle fanatischen Hitleranhänger und Antisemiten haben Hitlers Judenpolitik bejaht"; "Das Gros der jüdischen Zeitzeugen hat der Mehrheit des deutschen Volkes ein gutes Zeugnis ausgestellt." Diese apodiktischen und undifferenzierten Feststellungen sind aus dem Korpus aller zugänglichen Quellen nicht zu bestätigen, sie ignorieren überdies auf eklatante Weise die gesicherten Befunde der seriösen Zeitgeschichtsforschung.

HANS-JÜRGEN DÖSCHER

Peter Longerich: "Davon haben wir nichts gewußt!". Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933-1945. Siedler Verlag, München 2006. 448 S., 24,95 [Euro].

Konrad Löw: "Das Volk ist ein Trost". Deutsche und Juden 1933-1945 im Urteil der jüdischen Zeitzeugen. Olzog Verlag, München 2006. 381 S., 34,- [Euro].

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»Longerich liefert eine notwenige Korrektur des deutschen Geschichts- und Selbstbildes, die mit einem Mythos aufräumt, dessen Glaubwürdigkeit schon lange im Zweifel stand.« die tageszeitung

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Mit seiner Kernthese halte der Autor nicht weniger als ein "Plädoyer für Versöhnung", anerkennt Rezensent Hans Mommsen. Die deutsche Bevölkerung sei Peter Longerich zufolge nämlich keineswegs so bis ins Blut antisemitisch gewesen, wie es häufig behauptet werde. Gewissermaßen indirekt sei der Autor zu dieser Folgerung gekommen, wenn er aus der NS-Propaganda und ihren Zielen einen noch nicht erreichten Zustand ablese. Zumindest bis 1939 sei der verordnete Antisemitismus sogar "überwiegend" auf Ablehnung gestoßen. Beispielsweise das von Goebbels lancierte Pogrom der so genannten Reichskristallnacht und der formelle Abbruch der Aktion sehe Longerich zu Recht als Beweis seiner These. "Irreführend" ist aus Sicht des Rezensenten hingegen, wenn das Pogrom als Ablenkung von der drohenden Kriegsgefahr verstanden werde. Longerichs Resümee, meint Mommsen, sei hingegen "ausgewogen", wenn er sowohl eine zunehmende Kontamination mit antisemitischen Vorurteilen konstatiere, aber gleichzeitig eine zunehmende Tendenz zur Verdrängung. Dies, betont der Rezensent, sei moralisch etwas anderes, als die Auffassung von einer "moralischen Indifferenz" der Deutschen.

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