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Die heute weitgehend vergessene Geschichte Masurens steht für das multiethnische Erbe Preußens wie auch für die Zerstörung durch Nationalismus, Krieg und Vertreibung.

Produktbeschreibung
Die heute weitgehend vergessene Geschichte Masurens steht für das multiethnische Erbe Preußens wie auch für die Zerstörung durch Nationalismus, Krieg und Vertreibung.
Autorenporträt
Andreas Kossert, geboren 1970, studierte in Deutschland, Schottland und Polen Geschichte, Slawistik und Politik. Der promovierte Historiker arbeitet heute am Deutschen Historischen Institut in Warschau.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2002

Europa

"Masuren. Ostpreußens vergessener Süden" von Andreas Kossert. Siedler Verlag, Berlin 2001. 432 Seiten, 106 Schwarzweißabbildungen. Gebunden, 28 Euro. ISBN 3-88680-696-0.

Ein faszinierendes Geschichtspanorama der Grenzregion Masuren breitet der Historiker und Slawist Andreas Kossert in seinem Buch aus. Von der Zeit der Besiedlung durch die Preußen im frühen Mittelalter bis zur unmittelbaren Gegenwart reicht der Blick. Frei von ideologischen Scheuklappen, enttarnt der junge Autor die nationalen Mythen, die von deutscher und polnischer Seite über die Menschen und diese Landschaft gestülpt wurden. Als polnischsprachige, überwiegend protestantische Minderheit, die sich unmißverständlich als Teil des preußischen Staates sah, wurden die Masuren zu einem "Zankapfel, auf den beide Nationen Anspruch erhoben". Statt die Brückenfunktion dieser Minderheit für die Vermittlung zwischen Polen und Deutschen zu nutzen, versuchte man von preußisch-deutscher Seite den Masuren ihre Sprache auszutreiben, während man auf polnischer Seite großzügig über das preußische Selbstverständnis der Masuren hinwegsah und sie zu "polonisieren" versuchte. Die Masuren selbst hatten ihren eigenen Kopf. Als Verehrer des preußischen Königs nahmen sie alle Verordnungen zur Einführung der deutschen Sprache untertänig hin und sprachen im Alltag und in der Kirche, wie sie wollten - nämlich polnisch. Als Farce der Geschichte mutete es an, daß diese polnischsprachige Minderheit zum glühenden Verehrer Adolf Hitlers wurde. In Masuren erzielte Hitler schon früh traumhafte Wahlerfolge. Er war für viele Masuren nicht nur der erhoffte Retter aus wirtschaftlicher Not, nicht nur der "Ersatzkaiser", auf den sie ihre als "persönliches Treueverhältnis verstandene Staatsloyalität" nahtlos übertrugen. Vor allem sahen sie in der nationalsozialistischen Idee der "Volksgemeinschaft" endlich eine Chance, "aus ihrer Isolation als Deutsche zweiter Klasse herauszukommen". Wie sehr sich die Masuren getäuscht haben sollten, dürfte ihnen spätestens bei der Germanisierung Tausender slawischer Ortsnamen bewußt geworden sein. Kossert gelingt es souverän, deutsche, polnische und masurische Sichtweisen in seine Erzählung zu integrieren. Das Themenspektrum reicht von der für diese fast ausschließlich landwirtschaftlich geprägte Region zentralen Frage der bäuerlichen Verhältnisse über die Darstellung von Bräuchen und Festen, die Geschichte der jüdischen Minderheit bis zur Vertreibung nach 1945 und dem Leben der Masuren in der Bundesrepublik. Fern der Rhetorik der Vertriebenenverbände, ist ein hervorragendes Buch entstanden, das das Schicksal Masurens und seiner Menschen in allen Facetten beleuchtet. Der mittelalterliche Teil mag dabei etwas zu kurz gekommen sein; ansonsten überzeugt die Gewichtung. Die ausführliche Kommentierung der Schwarzweißabbildungen gibt einen Eindruck von der Dichte des Buches. Nur eines hat es nicht zu bieten: Entgegen der elegischen Landschaftsaufnahme auf dem Umschlag enthält das Buch keine Farbaufnahmen des Landes und seiner tausend Seen. (jüs)

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.12.2001

Land der Wälder, Land der Seen
Masuren ist ein Traum, der zwischen Polen und Deutschen immer wieder für Albträume sorgte
ANDREAS KOSSERT: Masuren. Ostpreußens vergessener Süden. Siedler Verlag, Berlin 2001. 432 Seiten, 56 Mark.
Masuren ist das Land der kristallklaren Seen und dunklen Wälder, der Menschen mit dem harten Zungenschlag, die Siegfried Lenz in seinen Romanen und Erzählungen porträtiert hat. Jahrhundertelang waren Masuren und seine Bevölkerung Zankapfel zwischen Deutschen und Polen. Die Menschen befanden sich nicht nur im Spannungsfeld der Politik, sondern standen auch zwischen zwei Kulturen. Die wechselvolle Geschichte des Landes hat der junge Historiker Andreas Kossert in einem gründlich recherchierten, aber mit leichter Feder geschriebenen, voluminösen Buch nachgezeichnet.
Für die Preußen waren die Masuren, die einen polnischen Dialekt sprachen, wegen ihrer Sprache keine vollwertigen Deutschen. Die Polen wiederum konnten sie auch nicht als echte Landsleute ansehen, da sie nicht katholisch, sondern protestantisch waren. Doch gab es sowohl in Preußen wie in Polen Geschichtsmythen, welche die politischen Ansprüche begründen sollten. Kossert räumt in seinem Buch mit all dem auf – sowohl auf der deutschen wie auch auf der polnischen Seite. Und er führt mit vielen, teilweise drastischen Beispielen an, wie die Masuren zunächst starkem Germanisierungsdruck, dann polnischen Repressalien bis hin zu Gefängnis, Lager und politischem Mord ausgesetzt waren.
Konfessionelle Bindung
Zweimal im 20. Jahrhundert bekam die alteingesessene Bevölkerung die Gelegenheit, sich zwischen Deutschland und Polen zu entscheiden. Beides waren unfreiwillige Entscheidungen unmittelbar nach den beiden Weltkriegen: 1919 ordnete die Versailler Konferenz eine Volksabstimmung an. Mehr als 90 Prozent der Wähler entschieden sich für das Reich, auch die überwältigende Mehrheit der Masuren, die nur einen kleinen Teil der Bevölkerung ausmachten. Die Zugehörigkeit zur Konfession war also wichtiger als die kulturellen Bindungen nach Polen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab die polnische Führung die Parole von der „Rückkehr der Masuren zum Mutterland” aus. Doch die meisten zogen die Aussiedlung in die Bundesrepublik vor.
Das Schicksal der Masuren steht beispielhaft für die Konfrontation zwischen Deutschen und Polen, die sich im und nach dem Zweiten Weltkrieg in Hass und Gewalt entladen haben. Kossert stellt dabei immer wieder den großen politischen Hintergrund dar. Sein Buch spricht somit keineswegs nur Heimatvertriebene und Spätaussiedler an, denen sicherlich nicht alle Wertungen Kosserts gefallen werden, sondern auch jene, denen am Dialog mit den polnischen Nachbarn gelegen ist.
THOMAS URBAN
Heute ist Masuren ein beliebtes Ferienziel für Touristen aus dem Westen, die keine Angst vor Mücken haben. Jahrzehntelang aber war die nordpolnische Seenlandschaft ein Zankapfel zwischen Preußen und Polen.
Foto: caro
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Das "voluminöse" Werk des jungen Historikers Andreas Kossert über die wechselhafte Geschichte Masurens räumt mit den Mythen der Deutschen und der Polen über das Grenzland auf, freut sich Thomas Urban. Der Autor habe gründlich recherchiert und dazu seine Ergebnisse mit leichter Feder zu einer spannenden Abhandlung zusammengeführt. Die wird nicht allen im Ganzen gefallen, mutmaßt Urban, vor allem nicht den Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern, denn hier würden sämtliche Perspektiven auf Masuren erörtert. In jedem Fall richte sich dieses Buch an Leser, ist sich der Rezensent sicher, die an einem Dialog mit den polnischen Nachbarn interessiert seien.

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"Eine grandiose historische Arbeit." Klaus Bednarz/DIE ZEIT