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"Der 12. August 1759 war für Preußen ein schwarzer Tag." Bei Kunersdorf war die preußische Armee unter Friedrich dem Großen vernichted geschlagen worden. Der König entging nur knapp der Gefangennahme. "Den Untergang meines Vaterlandes werde ich nicht überleben. Adieu für immer", schrieb er nach Berlin. Gerichtet war dieses Dokument der Verzweiflung an einen von Friedrichs engsten Ratgebern, den Minister Karl Wilhelm Graf Finck von Finckenstein. Um die Familie dieses Grafen, um seine Söhne und deren Nachfahren kreist Günter de Bruyns Werk - und um den Sitz der Grafen in Madlitz im heutigen…mehr

Produktbeschreibung
"Der 12. August 1759 war für Preußen ein schwarzer Tag." Bei Kunersdorf war die preußische Armee unter Friedrich dem Großen vernichted geschlagen worden. Der König entging nur knapp der Gefangennahme. "Den Untergang meines Vaterlandes werde ich nicht überleben. Adieu für immer", schrieb er nach Berlin. Gerichtet war dieses Dokument der Verzweiflung an einen von Friedrichs engsten Ratgebern, den Minister Karl Wilhelm Graf Finck von Finckenstein. Um die Familie dieses Grafen, um seine Söhne und deren Nachfahren kreist Günter de Bruyns Werk - und um den Sitz der Grafen in Madlitz im heutigen Oder-Spree- Kreis. Dem ersten Finckenstein - bei de Bruyn der "Feldmarschall" - wurde sowohl die Aufsicht über Friedrich Wilhelm, den späteren Soldatenkönig, als auch über dessen so ganz anders gearteten Sohn, den späteren Friedrich den Großen, anvertraut. Welche der beiden Aufgaben die schwierigere war, ist nur schwer zu entscheiden. Bemerkenswerterweise aber entledigte sich der Feldmarschall ihrer, ohne bei Eltern oder Söhnen in Ungnade zu fallen. Über die Familie Finckenstein führt de Bruyn in schwerelos wirkender Erzählung in die Kultur Preußens ein. Da sind die Romantiker Tierck und seine Freunde Wilhelm Schütz und Wilhelm von Burgsdorff, die beim Sohn des Feldmarschalls ein und aus gehen; da wird sensibel die verzweifelte Liebesgeschichte zwischen der Jüdin Rahel Levin - spätere Varnhagen von Ense - und dem jungen Karl von Finckenstein geschildert, die bereits den Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse spiegelt. Die beiden konnten sich nur in der Oper begegnen, weil ihre Logen nebeneinander lagen, was in der Generation vorher noch unmöglich gewesen wäre.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.1999

Ein Musenhof in der Mark
Günter de Bruyn erzählt die Geschichte der Finckensteins

Ein paar Kilometer westlich von Frankfurt an der Oder liegt Alt-Madlitz - ein kleines märkisches Nest mit einem schlichten preußischen Schloss, das sich seit kurzem in neuem, strahlendem Weiß gegen das tiefe Grün eines Parks abhebt. Das ist kein häufiger Anblick in einer Gegend, in der bald nach dem Krieg "Junkerland" in "Bauernhand" übergeführt wurde, bis der "Arbeiter-und-Bauern-Staat" selbst das "Bauernland" schluckte. Solch mehrfacher Besitzerwechsel war weder der Landwirtschaft noch den Schlössern gut bekommen, und auch an Madlitz ging die Zeit nicht vorüber. Seit 1751 hatte es der gräflich Finckenstein'schen Familie gehört, verfiel als "Volkseigentum" und ist erst unlängst zu seinen ursprünglichen Besitzern zurückgekehrt, deren im Westen erworbene Finanzkraft es in seinen gegenwärtigen Zustand versetzt hat.

Dergleichen Schicksal wäre kaum mehr als eine lokalgeschichtliche Miszelle, wenn sich nicht Günter de Bruyn dieses Schlosses angenommen und ein Buch über die Finckensteins geschrieben hätte. Die Mark Brandenburg ist dem in Berlin Geborenen seit langem Gegenstand der Zuneigung. Als märkischer Forscher erschloss er manch wenig Bekanntes von Dichtern wie Tieck, Fouqué oder dem preußischen Barden Schmidt von Werneuchen. "Märkische Forschungen" hieß ein kleiner satirischer Roman, in dem er sich auf subtile Weise über den ideologisierten Wissenschaftsbetrieb der DDR lustig machte.

Märkische Geschichte als deutsche Geschichte ist der Gegenstand des Buches über die Finckensteins. Nur hebt es so ruhig an, dass manche Leser glauben könnten, es handle sich um Lokalgeschichte für diejenigen, denen die Namen Madlitz und Finckenstein etwas bedeuten, und das wären nicht viele. Bald zeigt sich, dass im lokalen Detail auch der kluge deutsche Chronist und feinfühlige Schriftsteller Günter de Bruyn am Werke ist und es für Nicht-Märker oder Nicht-Preußen lohnenswert ist, sich auf ihn einzulassen. Die Finckensteins waren "eine Familie im Dienste Preußens", wie der Untertitel des Buches lautet: Offiziere, hohe Beamte und Diplomaten. Was sie auszeichnete - und das ist der eine Leitgedanke von de Bruyns Buch -, war ihr kulturelles Bewusstsein. Denn dieses Preußen war zwar der Staat des Militärs, aber ebenso einer der "Vernunft", "des Rechts und der Ordnung", "dem Allgemeinwohl verpflichtet" - eine Pflicht, von der König und Adel nicht ausgeschlossen waren. Mehr noch: Märkische Schlösser wie das Madlitz der Finckensteins, das Ziebingen, das die Finckensteins von den Burgsdorffs erwarben, das Wiepersdorf der Arnims oder das Nennhausen der Fouqués waren Musenhöfe, die sich vor denen der Mitte oder des Westens nicht zu verstecken brauchten.

Diese Kulturgeschichte der Mark um 1800 bildet den Kern in de Bruyns Buch. Zu erzählen hat er von der qualvollen Liebesgeschichte zwischen Rahel Levin, späterer Varnhagen, und dem Grafen Karl Friedrich Albrecht von Finckenstein; bei aller proklamierten Toleranz blieben die Grenzen zwischen der Jüdin und dem preußischen Offizier unüberwindbar. Von Tieck ist die Rede, dessen "Phantasus" ein Loblied auf den Madlitzer "Garten" enthält und der als Gast der Familie Finckenstein viele Jahre in Ziebingen gelebt hat, einer Tochter des Hauses zur Linken verbunden, während seine Frau ein Kind von Wilhelm von Burgsdorff empfing. Mit ihren zwei Schwestern war Tiecks Gräfin Henriette berühmt als Gesangstrio, das die Melodien von Pergolesi, Palestrina und Gluck als "göttliche Musik" vortrug, wie Schleiermacher berichtet. Auch er und andere illustre Namen aus Wissenschaft, Kunst und Literatur - Brentano, Eichendorff, Chamisso oder der Architekt Genelli - gehörten zu den Besuchern dieser märkischen Höfe.

Das alles erzählt Günter de Bruyn mit sachlicher Genauigkeit, wissend, dass wir Vergangenes nur unzulänglich verstehen, ja dass der Versuch zu dessen Rekonstruktion sich wohl verböte, "könnte man nicht darauf bauen, dass sich die Grundmuster menschlichen Fühlens nur wenig wandeln". Nun ist damit erst der eine Leitgedanke dieses Buches bezeichnet, reflektiert es doch auch ein Stück deutscher Geschichte am Ausgang des zwanzigsten Jahrhunderts. Genellis kleine dorische Säulenhalle schräg gegenüber dem Madlitzer Schloss war bis vor kurzem Kleintierstall, was sie vor dem Verfall bewahrt hat. Anderen Bauwerken der Mark war dieser günstige Zufall nicht beschieden: was der Krieg übrig ließ, fiel, so de Bruyn, nach 1945 "einer ideologisch begründeten Zerstörungswut" zum Opfer. Nun gibt es keinen Zweifel, dass dieser Krieg deutsche Urheber hatte. Doch sollte diese Tatsache nicht daran hindern, jenes Vernichtungswerk anzuklagen, das nach seinem Ende mit der "Verteufelung und Vertreibung des Adels" fortgesetzt wurde.

Dem Verfall der Städte in der einstigen DDR stellt de Bruyn ein Bild von der Schleifung oder Verwahrlosung der preußischen Adelshäuser zur Seite, nicht als Folge von Misswirtschaft, sondern als Ausdruck der politischen Absicht, mit einer "fast achthundert Jahre alten Kultur" zu brechen. Nicht um Nostalgie geht es ihm, sondern um deutsche Gegenwart. Über den eigentlichen Gegenstand hinaus könnte deshalb gerade dieser Teil seines Buches manches zum Verständnis der Schwierigkeiten bei der Annäherung und Angleichung von westlichem und östlichem Deutschland beitragen. So beobachtet de Bruyn, dass "das Engstirnige, Graue, Muffige und Banale, das die DDR-Gesellschaft hatte", wohl nicht nur auf die "Ein-Parteien-Herrschaft der Kleinbürger" zurückzuführen sei, sondern mehr noch auf das "Fehlen einer traditions-bewahrenden und kulturtragenden Schicht". Denn "die Abwanderung des Bildungsbürgertums und die Vertreibung des Adels hatten eine Leere zur Folge, die nie ausgefüllt werden konnte, da die in den vierzig Jahren nie abreißende Fluchtbewegung immer wieder Selbstbehauptungswillen und Kreativität in den Westen trieb".

Dieses Buch ist kein elegischer Traum von der "Wiedergeburt des Vergangenen", und es ist zu wünschen, dass de Bruyn nicht missverstanden wird. Bücher wie das seine sind für das Gedeihen eines Landes ebenso nötig wie finanzielle Subventionen.

GERHARD SCHULZ.

Günter de Bruyn: "Die Finckensteins. Eine Familie im Dienste Preußens". Siedler Verlag, Berlin 1999. 271 S., geb., 39,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Rudolf Walter Leonhardt stellt den Autor als einen literarischen Urenkel Theodor Fontanes dar. Wie Fontane wandere de Bruyn durch die Mark Brandenburg und finde dabei das Gut Madlitz, eines der wenigen, über die der große Vorfahr nicht sprach. Hier residierten die Finckensteins. Leonhardt betont, dass de Bruyn nicht als erster die historische Kontinuität Preußens anhand der Geschichte einer Adelsfamilie schildere, aber daran, so meint Leonhardt, lässt sich nun mal die preußische Geschichte und Literaturgeschichte am besten auffalten. "Der Leser erfährt so manches und unterhält sich recht gut."

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"Als schriebe Fontane über kultur und Geschichte Preußens..."(Wilf Jobst Siedler) "Dieser Essayist ist ein großer Zauberer."(FAZ)