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Bublitz, Kolberg, Bauhaus Weimar, Berlin, Paris, Tunesien, Algerien, Nord-Mittel-Südamerika, New York, Basel, Paris, das sind nur einige Stationen in Ré Soupaults Leben als Bauhaus-Schülerin, Avantgarde-Filmerin, Modejournalistin, Modemacherin, Fotografin, Übersetzerin, Studentin bei Karl Jaspers, Radio-Essayistin, Schrifstellerin.Einen Teil ihrer Erinnerungen verfasste sie schon in den 1970er Jahren als Briefe. Sie verarbeitete darin u.a. ihre Tagebucher. Dieser erste Teil der Erinnerungen reicht von den 1910er Jahren bis 1949. Mit ihrem unbestechlichen, klaren Blick beschreibt sie eine durch…mehr

Produktbeschreibung
Bublitz, Kolberg, Bauhaus Weimar, Berlin, Paris, Tunesien, Algerien, Nord-Mittel-Südamerika, New York, Basel, Paris, das sind nur einige Stationen in Ré Soupaults Leben als Bauhaus-Schülerin, Avantgarde-Filmerin, Modejournalistin, Modemacherin, Fotografin, Übersetzerin, Studentin bei Karl Jaspers, Radio-Essayistin, Schrifstellerin.Einen Teil ihrer Erinnerungen verfasste sie schon in den 1970er Jahren als Briefe. Sie verarbeitete darin u.a. ihre Tagebucher. Dieser erste Teil der Erinnerungen reicht von den 1910er Jahren bis 1949. Mit ihrem unbestechlichen, klaren Blick beschreibt sie eine durch zwei Weltkriege geprägte Welt im Umbruch. Gleichzeitig ist ihr Text ein einmaliger Blick auf das kulturelle Leben der europäischen Avantgarde. Bis kurz vor ihrem Tod arbeitete sie an der Fortschreibung ihrer Biographie.
Autorenporträt
Ré Soupault, geboren 1901 als Erna Niemeyer in Pommern, arbeitete bereits während ihres Studiums 1921-1925 am Bauhaus in Weimar mit dem Avantgardisten Eggeling an dessen Experimentalfilm »Diagonal-Symphonie«. Über ihren Mann, dem Dadaisten und Filmkünstler Hans Richter lernte sie u.a. Man Ray und Sergeij Eisenstein kennen. Sie ging 1929 nach Paris, wo sie ihr erstes eigenes Modestudio »Ré Sport« einrichtete. Im Kreis der Pariser künstlerischen Avantgarde traf sie Phillipe Soupault. Mit ihm unternahm sie ab Mitte der dreißiger Jahre zahlreiche Reisen durch Europa und Amerika, wo sie seine Reportagen fotografisch begleitete. Seit 1946 wieder in Europa, arbeitete sie als Übersetzerin (u.a. André Breton, Philippe Soupault) und Rundfunkautorin. Sie starb 1996 in Paris.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.11.2018

Alltag und Surrealismus
„Vom Bauhaus in die Welt“: Essays und Lebenserinnerungen der Modedesignerin, Fotografin und Übersetzerin Ré Soupault
„Nur das Geistige zählt“. Der Titel mag heute etwas naiv klingen. Durchaus nicht naiv, sondern sehr selbstbewusst klingt er aus dem Mund der Viehhändlers- und Metzgerstochter Meta Erna Niemeyer, die 1901 in Bublitz, Pommern geboren wurde, später als Ré Soupault in Paris Mode entwarf, im Tunis der Dreißigerjahre alleinstehende Frauen fotografierte und als Emigrantin in New York manchmal beinahe verhungerte, bevor sie in Basel die erste Übersetzerin der Schriften Lautréamonts wurde und Hörfunk-Essays über Dada und Surrealismus schrieb. Jetzt sind diese Essays zum ersten Mal gedruckt erschienen, parallel zu Ré Soupaults „Erinnerungen“, die helfen, ihr „Geistiges“ zu verstehen. Es meint die Vorrangigkeit künstlerisch-intellektuellen Interessen, die Widerstandskraft freisetzen, gegenüber den Widrigkeiten und materiellen Schwierigkeiten des Alltags.
Am Anfang stand Metas Zeichentalent, das Fräulein Wimmer am Kolberger Lyzeum dazu brachte, ihrer Schülerin das Bauhaus-Manifest von Walter Gropius zu zeigen, das sie prompt begeisterte: „Da war eine Idee, mehr noch ein Ideal: kein Unterschied mehr zwischen Handwerkern und Künstlern. Alle zusammen, in einer neuen Gemeinschaft, wollten die ,Kathedrale‘ der Zukunft bauen. Da wollte ich mitmachen.“ Sie hatte keine Lust mehr, Lehrerin zu werden, bewarb sich am Bauhaus und bekam den Platz. Ihr Vater holte sie zurück und wollte sie in die Psychiatrie abschieben, Gropius stellte sich vor seine Schülerin, die sich durchsetzte.
In Weimar lernte Meta bei Johannes Itten, dass es zu kreativer Betätigung technische Fertigkeiten braucht, die nicht davon befreien, die eigene Ausdrucksform zu suchen. Bei einer Reise nach Berlin hörte sie vom schwedischen Experimentalfilmer Viking Eggeling. Er „zeichne“, erzählte ihr ein Freund, „mit Licht auf die dunkle Leinwand, bringe einfache geometrische Formen und Linien in einen durch Proportion, Zahlenverhältnisse und Lichtstärke geschaffenen Rhythmus. Daraus entstehe so etwas wie Lichtmusik fürs Auge.“
Den Mann wollte Meta kennenlernen. Sie wurde ihm vorgestellt, und weil bald klar wurde, dass Eggeling technisch ahnungslos war, entstand die filmische „Digital-Symphonie“ für die er später berühmt wurde, am Trick-Tisch von Meta Niemeyer. Mehr als ein Jahr arbeitete sie in einer ungeheizten Dachkammer ohne Geld, weil sie von Eggelings Genie überzeugt war. Nach Eggelings frühem Tod geriet Meta an Hans Richter, einen geschäftstüchtigen Bekannten Eggelings, der diesen ausgenutzt hatte, wie er es jetzt mit ihr versuchte. Aber Richter vermittelte Meta Niemeyer, die ihn heiratete, auch das freche Selbstvertrauen, sich als Modejournalistin bei Ullstein zu melden. Bedenken ihrerseits wischte er mit einem „die anderen verstehen noch weniger davon“ vom Tisch.
Immer wieder setzten Gelegenheiten und Notwendigkeiten bei Meta erstaunliche Fähigkeiten frei. Als Journalistin in Paris lernte sie nicht nur Erich Maria Remarque, Man Ray, Walter Mehring, Max Ernst und Fernand Léger kennen. Wichtiger noch war ein reicher Amerikaner, Mr. Wheeler, dem sie erzählte, die modernen Frauen bräuchten weder billige, schlecht geschnittene Kleider noch luxuriöse Haute Couture. Ihnen fehle etwas, das sich aus einem Angestellten-Outfit in ein Abendkleid verwandeln könne, damit sie nicht den oft weiten Weg nach Hause machen müssten, um sich umzuziehen.
So wurde Meta Richter, die Kurt Schwitters inzwischen Ré getauft hatte, zur Erfinderin des Transformationskleids. Leider starb Wheeler schon bald bei einem Autounfall, und der Amerikaner hatte zwar für Ré, aber nicht für sich selbst eine Lebensversicherung abgeschlossen. Die Nachkommen stellten die Zahlungen, auf die Ré angewiesen war, ein. Drei Jahre lang musste sie ihr Geschäft „Ré Sport“ wegen unterschriebener Verträge durchziehen, ohne Kapital, in Geschäften ahnungslos.
Als Ré bei einem Empfang der sowjetischen Botschaft den surrealistischen Schriftsteller Philippe Soupault kennenlernte, hatte sie das Abenteuer Modemacherin gerade hinter sich, und Soupaults zweite Ehe war kaputt. Er war im Hauptberuf Reporter für große Magazine wie Vu und Excelsior. Ré begleitete ihn auf Reisen. Und weil beiden der mitgeführte Fotograf lästig war, kauften sie Ré einen Apparat. Sie lernte ihn zu bedienen, und auch, wie man einen Ford repariert.
Rés Bilder der ausgestoßenen Frauen im „Quartier réservé“ von Tunis überraschen in ihrer alltäglich-selbstverständlichen Direktheit noch heute. Philippe war von Léon Blum mit dem Aufbau von Radio Tunis betraut worden, dem Gegenstück zu Mussolinis faschistischem Sender Radio Bari. Interessant ist, dass man jetzt erfährt, dass die Bilder nicht im Verborgenen entstanden, sondern mit Erlaubnis des Scheik al Islam, bei dem die Soupaults in Tunis eingeladen waren.
Lange liest sich das Leben des Paars wie eine schillernde Story aus Arbeit, Gefahr und Glamour. Auf Philippes Verhaftung durch das Pétain-Regime und die Flucht der beiden vor den deutschen Truppen nach Algier folgen die journalistischen Reisen nach Südamerika, die bereits vom Exil-Ort New York aus unternommen werden. Erst als Philippe in Swarthmore, Pennsylvania als Dozent unterkommt und sich in eine Studentin verliebt, geht die Geschichte vorläufig zu Ende.
Auch hier wahrt Ré aus Selbstschutz Zurückhaltung. „In meinem Tagebuch aus jener Zeit sind Einzelheiten über die unmögliche Lage, in der ich mich befand, und Betrachtungen über den Charakter und die wahren Gründe dieser unbegreiflichen Entzweiung notiert. Es ist kein schönes Kapitel unseres Lebens. Für mich war es, als hätte man mich über Bord geworfen und ich musste schwimmen.“
Bis Ré ein eigenes Zimmer fand, übernachtete sie im Wartesaal der Grand Central Station, am Wochenende manchmal bei Kurt Weill und Lotte Lenya auf dem Land und auf anderen Gästesofas. Auch danach, in Basel, sah es für sie, obwohl Hans Oprechts „Büchergilde“ sie mit mager honorierten Übersetzungsaufträgen unterstützte, nicht rosig aus.
Aber stolz beißt sie sich durch. „Meine Bekannten sagen, ich sei einsam. Das stimmt nicht. Ich bin vielmehr allein, ich meine all-ein. Eins mit dem All.“ Dass Ré und Philippe Soupault 1965, nach dem Suicid der Geliebten, wieder zusammenfanden, ist ein Wunder. Auf etwa hundert Meter Distanz lebten sie am Ende im selben Stock eines Pariser Apartmenthauses für ältere Leute. Ré starb am 12. März 1996. Auf den Tag genau sechs Jahre nach ihrem Mann.
HANS-PETER KUNISCH
Ré Soupault: Nur das Geistige zählt. Vom Bauhaus in die Welt. Erinnerungen. Verlag das Wunderhorn, Heidelberg 2018. 237 Seiten, 22,80 Euro.
Ré Soupault: Vom Dadaismus zum Surrealismus. Zwei Essays. Verlag das Wunderhorn, Heidelberg 2018. 74 Seiten 19,80 Euro.
Drei Jahre lang musste sie
in Paris ihr Geschäft „Ré Sport“
durchziehen, ohne Kapital
„Meine Bekannten sagen, ich sei
einsam. Das stimmt nicht. Ich bin
vielmehr allein, ich meine all-ein.“
Eine leidenschaftliche Fotografin, die Leica immer zur Hand: Ré Soupault 1939 in Tunesien.
Foto: VG Bild-Kunst / Manfred Metzner
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hans-Peter Kunisch liest Ré Soupaults Erinnerungen atemlos. Dabei versteht er die Idee hinter dem seiner Meinung nach von Zufällen und Notwendigkeiten bestimmten Leben der vielseitigen Künstlerin besser, dass nämlich künstlerisch-intellektuelle Interessen unbedingten Vorrang hatten vor den Anforderungen des Alltags. Von der Zusammenarbeit mit dem schwedischen Experimentalfilmer Viking Eggeling über ihre Zeit als Journalistin in Paris bis zur Karriere als Designerin des Transformationskleids folgt Kunisch dieser erstaunlichen, selbstbewussten Lebensgeschichte, einer Story aus Arbeit, Gefahr und Glamour, wie er schreibt.

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»Eine ungewöhnliche historische Quelle.« Helmut Böttiger, Deutschlandfunk »Eine scharf beobachtende Zeitzeugin des letzten Jahrhunderts« Rolf Hürzeler, kulturtipp »Ihre Erinnerungen verdeutlichen ihre Persönlichkeit, ihre Neugier und Wahrnehmungsfähigkeit, ihr Urteilsvermögen. Doch vermitteln sie durch Detailschärfe und immer auch einen ausreichend erhellten Hintergrund einen tiefen Eindruck von der Atmosphäre jener Tage zwischen dem Beginn des Ersten und dem Ende des Zweiten Weltkriegs.« Carsten Hueck, Ex libris (Büchersendung auf Ö1) »Ein kreativer Geist aus eigener Kraft.« Photo international »Redlich, fast bescheiden, berichtet sie von diesen seelischen Stürmen, mit klarem politischem Blick und jederzeit bereit, frühere Irrtümer einzugestehen. Gerade diese Haltung macht ihre Erinnerungen lesenswert.« Nicole Henneberg, Tagesspiegel