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Er hat kaum Gepäck und nicht viel Geld, aber jede Menge Neugierde und Lust auf Begegnungen. Mit dem Greyhound-Bus, per Anhalter und zu Fuß reist er quer durch den amerikanischen Kontinent, dieses weite und so widersprüchliche Land: staunend und immer offen für die Menschen auf der Straße und in den Kneipen. Dem Fremden gegenüber öffnen sich die Ansässigen, sie erzählen Interessantes und Kurioses und zeigen ihm verborgene Winkel und eigentümliche Rituale.

Produktbeschreibung
Er hat kaum Gepäck und nicht viel Geld, aber jede Menge Neugierde und Lust auf Begegnungen. Mit dem Greyhound-Bus, per Anhalter und zu Fuß reist er quer durch den amerikanischen Kontinent, dieses weite und so widersprüchliche Land: staunend und immer offen für die Menschen auf der Straße und in den Kneipen. Dem Fremden gegenüber öffnen sich die Ansässigen, sie erzählen Interessantes und Kurioses und zeigen ihm verborgene Winkel und eigentümliche Rituale.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.05.2003

Der Spendierhosenmatz
Armes Amerika: Wie Bernd Wagner nach Chihuahua kam
Ein schöner, weil verschrobener Vorsatz: eine Reise durch Amerika, von Ost nach West, bis nach Chihuahua, Mexiko, mit einem Fußmarsch zu beginnen. „Wenn ich schon New York verlassen musste, dann sollte es zu Fuß sein.” Bernd Wagner packt seinen Rucksack, fährt mit der Bahn raus aus der stickigen und lärmenden Stadt, zur Haltestelle Poughkeepsie, und läuft drauflos, querfeldein, an einem Gun Club vorbei. Bis es um ihn herum totenstill ist.
Ein lässiger Anfang, den der 1948 im sächsischen Wurzen geborene Wagner für sein Buch „Wie ich nach Chihuahua kam” gewählt hat – ein Bericht seiner mehrmonatigen Amerikareise, unternommen im Sommer und Herbst 1999. Er lässt die Metropole links liegen; er führt Behäbigkeit ein – das Lesetempo ist auf Schrittgeschwindigkeit gedrosselt; und er baut Spannung auf – man erwartet eine „Straight Story”, vielleicht noch langsamer als die des Alvin Straight auf seinem Rasenmäher-Traktor, in dem gleichnamigen Film von David Lynch. Auf jeden Fall eine Geschichte des schrägen Blicks auf Amerika, voller sonderbarer Begebenheiten und kauziger Gestalten – der Buchrücken preist Wagner als „späten Nachfahren Seumes” an.
Nichts von all dem erfüllt sich in der weiteren Lektüre. Wagner tornistert nicht weiter durch das Land wie einst Seume, sondern nimmt den Greyhound-Bus. Das beschleunigt zwar sein Fortkommen, setzt aber den wandernden, genau beobachtenden Blick außer Kraft: beim Leser setzt statt der Entdeckung der Langsamkeit die Entdeckung der Langeweile ein. Das wird augenscheinlich in der Beschreibung von New York. Die Stadt meint man hinter sich gelassen zu haben, doch genau an den Ausgangsort seiner Reise blendet Wagner nach wenigen Seiten zurück – der einzig dramaturgische Kniff in dem ansonsten geradlinig von Station zu Station sich vorarbeitenden Bericht. Genau deshalb ist er deplaziert.
Seume schenkte den großen Städten keine übermäßige Beachtung. Wagner schon. Das wäre legitim, wenn er nur über New York etwas zu berichten hätte, das über einen besseren Reiseführer hinausginge. Doch er klappert die Sehenswürdigkeiten ab: Empire State Building, Harlem, Metropolitan Museum of Art. Sprachlich verfährt er dabei nachlässig, die nächstliegende Formulierung ist immer die beste: in New York „brodelt das Leben”, „die Preise sind gepfeffert” und das „Publikum biegt sich vor Lachen”. Auch sehr abgenutzte Tricks scheut Wagner nicht: „Und einmal zogen die Mädchen ihre Kleider an und ich die Spendierhosen”.
Ansonsten: in ermüdender Ausführlichkeit Beschreibungen von Orten, die auch in all den anderen Städten – Chicago, Seattle, Chihuahua – nicht zu beschreiben vergessen werden: Jugendherbergen und Billardkneipen. Letztere sind für Wagner Stätten von nicht zu überbietbarer Exotik, in sie sich hineinzuwagen gilt ihm als äußerste Form an zumutbarer Fremdheitserfahrung. Hier säuft der einfache Mann – und dessen Charakterisierung schwankt zwischen verklärender Sozialromantik und abwertenden Unmutsäußerungen. In Vancouver werden betrunkene Männer als „Abschaum” bezeichnet.
Nach der mühsamen Lektüre hat sich der Reisende Wagner als jemand entpuppt, der gerne ein Schriftsteller mit aufregendem Lebenswandel wäre, für den aber bereits drei Schotten, die ihre „nackten Ärsche unter den Kilts” zeigen, „den Vogel abschießen”. Die Reise endet in Lexington. Ein Professor von der Universität von Kentucky holt Wagner von der Busstation ab, er bringt ihn zu sich nach Hause: „Ich spürte, dass er mir ein anderes Amerika zeigen würde, als ich es als räderloser Fremder bisher erlebt hatte. Und die Vorortsiedlung, in die er jetzt einbog, erschien mir nicht trostlos, weil es in ihr ein Haus hinter Platanen gab, das sich gleich für mich öffnen würde.”
FLORIAN WELLE
BERND WAGNER: Wie ich nach Chihuahua kam. Eine amerikanische Reise. Steidl Verlag, Göttingen 2003. 342 Seiten, 19,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Hellauf begeistert ist Hans Christoph Buch von Bernd Wagners Roadnovel, die alles biete, was Buch zufolge dem Literaturbetrieb und Feuilleton abgehe: erfrischende Neugier, Intelligenz, Sympathie und Respekt. Doch führt hier nicht nur alter Groll die Feder, sondern auch tatsächliche Hochachtung für den 1985 ausgebürgerten Schriftsteller. Frei von ostdeutschem Selbstmitleid und westdeutscher Selbstgerechtigkeit sei Wagner durch Amerika gereist, per Greyhound-Bus von einem Bahnhof zur nächsten Billigherberge. Gerne folge der Leser Wagner durch die Back Alleys der USA, den Spuren deutscher Auswanderer folgend, durch die Reservate von Dakota, bis nach Mexiko. Was Buch dabei besonders für die Geschichte eingenommen hat, ist, dass Wagner all die "Nutten und Zuhälter, Fixer und Alkoholiker, Arbeits- und Obdachlosen", die seinen Weg kreuzten, nie als Opfer darstellt, sondern als Individuen, die "mit mehr oder weniger Glück ihr Leben meistern".

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