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Bürgerseele, Cunnilingus, Defloration, Dollar, Fernsehen, Frauenemanzipation, Geburtenrückgang, Geld, Todesstrafe, Vorhaut Christi: Keine Peinlichkeit und keine Scheinheiligkeit bleibt unentdeckt vom wachem und gnadenlosen Blick Herbert Müller-Guttenbrunns, der sich in diesem vergnüglichen Alphabet schonungslos über verschiedenste unserer Alltäglichkeiten hermacht.Herbert Müller-Guttenbrunn ist nicht irgendwer: Als gefürchteter Satiriker und Pamphletist führte er eine Zeitschrift ähnlich wie Karl Kraus fast in Alleinregie: Das Nebelhorn. Darin übertraf er jenen sogar an Schärfe der Beobachtung…mehr

Produktbeschreibung
Bürgerseele, Cunnilingus, Defloration, Dollar, Fernsehen, Frauenemanzipation, Geburtenrückgang, Geld, Todesstrafe, Vorhaut Christi: Keine Peinlichkeit und keine Scheinheiligkeit bleibt unentdeckt vom wachem und gnadenlosen Blick Herbert Müller-Guttenbrunns, der sich in diesem vergnüglichen Alphabet schonungslos über verschiedenste unserer Alltäglichkeiten hermacht.Herbert Müller-Guttenbrunn ist nicht irgendwer: Als gefürchteter Satiriker und Pamphletist führte er eine Zeitschrift ähnlich wie Karl Kraus fast in Alleinregie: Das Nebelhorn. Darin übertraf er jenen sogar an Schärfe der Beobachtung und des Ausdrucks. Kaum einen Sachverhalt, den er nicht unter die Lupe der Satire (die auch mal grobianische Polemik sein kann) legt. Ziel seiner aphoristischen Klinge ist der "Mord", nämlich der "Mord am Schwachsinn, d.i. an der - mit ihm leider schon identischen - Autorität".Die Herausgeberin Beatrix Müller-Kampel ordnet die entlarvenden Geistesblitze dieses von Esprit überschäumenden Feuerkopfs zu einem Alphabet, dessen Stichworte von Abrüstung bis Zölibatskomik reichen und mit einer selten gewordenen Unnachsichtigkeit mit den Niederträchtigkeiten, Gemeinheiten und Dummheiten unseres alltäglichen Lebens abrechnen. Sein satirischer Furor richtet sich gegen Staat und Regierung ebenso wie gegen Krieg, Gewalt und Kapitalismus. Autoritätsgehabe und Autoritätsglaube waren im gleichermaßen verhaßt. Jeder Art von Autorität mißtraut er grundsätzlich und spürt sie überall auf: bei den Sozialisten und Nationalsozialisten, bei den Katholiken, Protestanten und Atheisten, bei den Antisemiten und bei den Juden, bei den Hausfrauen wie bei den Feministinnen.
Autorenporträt
Herbert Müller-Guttenbrunn, anarchistisch, querulantisch und absolut individualistisch, wurde 1887 in Wien als Sohn des mit antisemitisch-deutschnationalem Geruch behafteten Banater Erfolgsschriftstellers Adam Müller-Guttenbrunn geboren. Zwischen 1927 und 1934 erschien seine Karl Kraus gewidmete Zeitschrift Das Nebelhorn. 1945 wurde er irrtümlich erschossen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.05.2007

Schrullen im Trommelfeuer
Die grollenden Aphorismen des Herbert Müller-Guttenbrunn
„Die Dummheit ist eine Naturkraft. Deshalb richtet die Intelligenz, die eine Naturschwäche ist, so wenig gegen sie aus.” Diese Erkenntnis – und die dazugehörige Formulierung – stammt von dem österreichischen Autor Herbert Müller-Guttenbrunn (1887-1945). Sie ist nachzulesen in einem gut dreihundertseitigen Kompendium, das anhand von alphabetisch gereihten Stichworten den Ärger über diese Welt katalogisiert – genauer: den unzulänglichen Umgang des Menschen mit derselben. Der Schutzumschlag zeigt einen ältlichen Herrn, das Schandmaul im Anschlag, vor ihm ein Bierhumpen. Und tatsächlich: Müllers Sätze wirken wie gut gezielte Fausthiebe auf den Kneipentisch, bei denen selbst hartgesottene Nörgelgenossen innehalten müssen, ehe sie sich wieder zeternd dem Herrengedeck zuwenden.
Das Allgemein-Menschliche kennt kein Verfallsdatum. Deshalb werden selbst uralte Aphorismen bis heute gesammelt, gekauft und gelesen. Unter literarischen Gesichtspunkten mag die Gattung zwar klar definierbar sein, auf dem Buchmarkt hingegen genießt sie eine Zwitterstellung. Der sprachlichen Dichte wegen verwandt mit der Lyrik, tendiert der Aphorismus inhaltlich inzwischen gern zum Genre Ratgeber: Hierher gehören Hesses „Lektüre für Minuten” und „Schopenhauer für Manager”. Die literarische Moderne – Nietzsche, Wilde, Kraus und die Folgen – hat dem Aphorismus einen besonderen Stellenwert eingeräumt. Nachdenken über das Leben an sich koppelten sie an die Reflexion der schriftstellerischen Mittel.
So wurde der Aphorismus zum hochprozentigen Destillat der Daseinsvergewisserung und das Dokument ihres gleichzeitigen Scheiterns. Zynismus und Spott sind die Konsequenz, sie spiegeln sich auch in der Form. Denn statt um komplexe Erzählung geht es dem Aphorismus um die Moral einer Geschichte, die ohnehin jeder kennt: es bleibt der Witz in nuce, die Pointe per se. Beispiel: „Die Frauen sind schon allein deshalb gefährlich, weil sie einem sinnlose Dinge schenken; z.B. das Leben.”
Sinnloses Leben: Dieses Motto hätte das Frontispiz des Müllerschen Buches zieren können. Bei vielen Autoren sind Aphorismen Notate des Moments und seiner Stimmung. Sie fixieren eine fixe Idee, die bald wieder am geistigen Horizont verglimmt, wie Feuerwerk am Nachthimmel. Müller aber ist anders. Bei ihm herrscht verbales Trommelfeuer, dessen scharfe Ladung immer aus dem gleichen Material besteht. So steigert sich die klagende Schlachtenouvertüre allmählich zur großen Nänie: Über einem Bordun aus Groll vollführt der schneidende Diskant des Leids seine Koloraturen. „Ob die Erde nicht doch bloß so eine Art Deportationsinsel für die Idioten des ganzen Kosmos ist?”
Wir sind alle Stoffwechsler
Die Schrulle gehörte im Wien der Moderne zur Grundausstattung des Intellektuellen. Aus diesem genialen Kuriositätenkabinett suchte sich Müller seine Vorbilder, auch wenn er selbst die Stadt floh und nahe Graz als Selbstversorger lebte. Seit 1927 gab er Das Nebelhorn heraus, eine „Zeitschrift für die Interessen vorurteilslosen Menschentums”. Ähnlich wie Karl Kraus mit seiner Fackel bestritt auch Müller den Inhalt des Organs im Alleingang, besorgte Druck und Verbreitung und kämpfte gegen die rechtlichen Konsequenzen seiner Kommentare. „Politische Parteien gleichen den Hunderassen: Sobald sie in Mode kommen degenerieren sie.” Ähnliches gilt für Vereine, Ideologien, die Medien, die Religion. 1932 verklagte ihn die katholische Kirche wegen „Verspottung”. Drei Jahre später wurde er kurz ins Klosterneuburger Kittchen gesperrt. Dann gab er das „Nebelhorn” auf, verlagerte sich auf Prosa und Dramen, verstummte nach dem „Anschluss” 1938 fast ganz. 1945 wurde er von einem russischen Soldaten versehentlich erschossen.
Der vorliegende Band erschließt erstmals das Werk des selbsterklärten „anarchistischen Amateurs”. Müllers Aphorismen sind aus den verstreuten Schriften herauslöst und zu einem gedanklichen Kosmos geordnet: eine schön gestaltete Edition, ergänzt um Nachwort und Zeittafel. Über den literaturhistorischen Stellenwert wird man sich trefflich streiten können. Unter sprachlichen und misanthropischen Gesichtspunkten aber ist die Entdeckung zweifelsfrei ein Gewinn, wenngleich vor einer Überdosis eindringlich gewarnt wird. Denn nicht weniges, was Müller-Guttenbrunn über die „Stoffwechsler” (Menschen) sagt, ist schrecklich. Anderes ist pubertär. Doch einiges ist brillant. Und manches, dank der aphoristischen Gattung, erstaunlich zeitgemäß: „Was haben wir vom Fernsehen, wenn es uns mit dem Anblick von Arschgesichtern aus Amerika versorgt, wo unser Bedarf an solchen doch vom Inlande reichlich gedeckt wird?” CHRISTIAN WELZBACHER
HERBERT MÜLLER-GUTTENBRUNN: Alphabet des anarchistischen Amateurs. Herausgegeben von Beatrix Müller-Kampel. Matthes und Seitz, Berlin 2007. 366 Seiten, 28,90 Euro.
Schandmaul: Herbert Müller-Guttenbrunn Foto: Verlag
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Erfreut zeigt sich Rezensent Christian Welzbacher über diesen "schön gestalteten" Band, der die "grollenden Aphorismen" des österreichischen Schriftstellers Herbert Müller-Guttenbrunn (1887-1945) versammelt und alphabetisch ordnet. Der Autor ist für Welzbacher eine echte Entdeckung, auch wenn er nicht verschweigen will, dass man über seinen literaturgeschichtlichen Rang sicher streiten kann. Vom sprachlichen und misanthropischen Gesichtspunkt scheinen ihm die bitterbösen Sinnsprüche jedenfalls ein Volltreffer. Allerdings rät er davon ab, sich zu viele dieser Aphorismen über die Sinnlosigkeit des Daseins, die Verderbtheit von Poltik, Medien oder Kultur zu Gemüte zu führen. Schließlich findet er nicht wenige von Müller-Guttenbrunns Äußerungen über die Menschen schlicht "schrecklich". Andere wiederum hält er für "pubertär", einige für "brillant" und manche für "erstaunlich zeitgemäß", wie jenen über das Fernsehen, den er zum Abschluss zitiert.

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