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Eine junge Frau auf der Suche nach Identität und Halt, und doch getrieben von der Lust am Exzess, der Lust, Grenzen zu überschreiten und ihr Leben zu riskieren. In immer neuen Figuren und Konstellationen, an immer neuen Orten und Unorten erzählt Noémi Kiss suggestiv und körperlich erfahrbar vom Taumeln zwischen den Extremen und vom brutalen Zurück geworfenwerden auf sich selbst, Sie bewegt sich zwischen Traum und Wirklichkeit, Angst und Sehnsucht, dem sexuellen Exzess folgt der Fall und die Reflexion. Kiss spiegelt in ihren scharfen Beobachtungen und mit ihrer präzisen Sprache die Einsamkeit…mehr

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Produktbeschreibung
Eine junge Frau auf der Suche nach Identität und Halt, und doch getrieben von der Lust am Exzess, der Lust, Grenzen zu überschreiten und ihr Leben zu riskieren. In immer neuen Figuren und Konstellationen, an immer neuen Orten und Unorten erzählt Noémi Kiss suggestiv und körperlich erfahrbar vom Taumeln zwischen den Extremen und vom brutalen Zurück geworfenwerden auf sich selbst, Sie bewegt sich zwischen Traum und Wirklichkeit, Angst und Sehnsucht, dem sexuellen Exzess folgt der Fall und die Reflexion.
Kiss spiegelt in ihren scharfen Beobachtungen und mit ihrer präzisen Sprache die Einsamkeit und Gefühlskälte unserer Zeit wider. Sie ist damit die Stimme einer neuen literarischen Generation: existentialistischer in der Haltung, obszöner im Ton, schärfer in der Analyse, härter in den Konsequenzen.
Autorenporträt
Kiss, Noémi
Noémi Kiss, geb. 1974 in Gödöllö, studierte Hungarologie, Komparatistik und Soziologie u.a. in Konstanz. Sie veröffentlichte zahlreiche Essays, Erzählungen und Kritiken in deutscher und ungarischer Sprache. Kiss ist seit 2000 Dozentin für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Miskolc.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.2009

Unterwegs mit der transsexuellen Eisenbahn

Zwischen E.T.A. Hoffmann und Gender-Studien: Die junge Autorin Noémi Kiss ist eine neue aufregende Stimme im Männergesangverein der ungarischen Literatur, die beweist, dass bei einer elaborierten Poetologie das Lesevergnügen nicht zwangsläufig auf der Strecke bleiben muss.

Eine Schreibmaschine namens Olimpia. Oder eben die Automatenfrau in E.T.A. Hoffmanns Erzählung "Der Sandmann". Beinahe zwangsläufig steuern die sechs Erzählungen der ungarischen Autorin Noémi Kiss, die unter dem Titel "Was geschah, während wir schliefen" nun auf Deutsch vorliegen, auf eine Umschrift dieser kanonisch gewordenen Roboterphantasie aus dem Geist einer delirant medienkritischen Romantik zu - ebenfalls mit einer Olimpia genannten Protagonistin, aber übertragen in die Gegenwart.

Man merkt Noémi Kiss, die als neue Stimme im Männergesangverein der ungarischen Gegenwartsliteratur kaum mehr zu überhören ist, ihre akademische Herkunft an: das literaturwissenschaftliche Studium an der Universität in Konstanz, den Unterstrom aus kulturwissenschaftlicher Theorie, der ihre trotzdem souverän und gar nicht langweilig erzählten Geschichten durchläuft. Dass Liebe und sexuelles Begehren - denn davon handeln sie vor allem - nicht als naturwüchsig zu begreifen sind, dass den Formatierungen der Geschlechter durch Medien und Macht ins Auge geschaut werden muss, dass sich der Text in den Körper schreibt und Affekte, allen voran die romantischen, für sich genommen eine Illusion sind - diese Lernziele der Kulturwissenschaft und Gender-Theorie sind der Literatur dieser Autorin vorausgesetzt.

Ist das nicht, so der erste Verdacht, ein allzu prätentiöser Versuch, Theorie zu literarisieren, und bleibt über dieser Übersetzung (der ungarische Originaltitel dieses Buches ist "Trans") und Poetologie nicht zwangsläufig das unmittelbare Lesevergnügen auf der Strecke? Noémi Kiss' größte Leistung besteht wohl darin, dass sie genau diesen Spagat meistert. In allen Geschichten gibt es eine Ich-Erzählerin; unklar ist aber, wie ähnlich diese der Autorin jeweils selbst wird. Die Geschichten scheinen durch scharfe Beobachtungsgabe der Realität abgewonnen zu sein, sie kippen aber, immer dort, wo sich dieser Eindruck verdichtet, ins traumhaft Phantastische - schließlich kommt keine Liebe, kein Begehren ohne Autosuggestion und Projektion aus.

Trans: Das bezieht sich in diesem Buch zum einen auf die weit verstreuten Schauplätze diesseits und jenseits der ehemaligen Zonengrenze: West-Berlin, Frankfurt (Oder), Budapest, Belgrad. Es bezeichnet aber auch die labilen Rollenverständnisse der Protagonisten, die gerade in sexuellen Angelegenheiten hin und her gerissen sind. In einer abgetakelten Berlin-Schöneberger Szenekneipe begegnet der Leser polnischen Transvestiten, notgeilen Arabern, künstlichen Brüsten und synthetischen Drogen - es ist ein Wartesaal voller Melancholie und Gier: Denn diese Reise ans Ende der Nacht gerät zum Exzess, samt Drogen und flüchtigem Sex auf der verdreckten Toilette. Weil der eifersüchtige Transvestit eben dort die Geliebte des Barmanns umbringt, schaut zwischendurch sogar die Polizei vorbei.

In einer Kreuzberger "Gay-Queer- und Lesben-WG" liest derweil eine Ungarin mit ihrer Geliebten Walter Benjamin und träumt mit ihr davon, der Spießigkeit der Mitbewohner zu entfliehen. Dass die beiden Lesben den Ausbruch ausgerechnet nach Osteuropa unternehmen, entpuppt sich als fatal: "Je mehr wir uns nach Osten bewegten, desto mehr wuchsen in uns Scham, Härte und Strenge, Verachtung und Zynismus fielen direkt auf uns zurück." Auch diese Geschichte endet tödlich.

Ein Autounfall, eine Abtreibung: Die Liebes-Kollisionen, die Noémi Kiss beschäftigen, münden in teils drastischen Realien. Eine Nacherzählung der verschiedenen Handlungsstränge kann dem Buch aber kaum gerecht werden. Im Gegenteil: Sie vernebelt auf schon unzulässige Weise den eigentlichen, stets zumindest doppelbödigen Charakter dieser Literatur. Noémi Kiss, diese ungarische E.T.A.-Hoffmann-Exegetin, hält es wie dieser mit einer verschlungen, stets wie durch ein Prisma gebrochenen Realität. Der Leser reibt sich darüber oft die Augen, denn nichts ist, wie es zunächst scheint.

STEFANIE PETER

Noémi Kiss: "Was geschah, während wir schliefen". Erzählungen. Aus dem Ungarischen von Agnes Relle. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2009. 182 S., geb., 19,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.09.2010

Im Ersatztteillager der Nacht
Paarbildung unerwünscht: Erzählungen von Noémi Kiss
Hier geht es um Sex, Drogen und einen Mord in einer kleinen Bar im schmuddligeren Teil von Berlin-Schöneberg, wo sich nach drei Uhr nachts Menschen zusammenfinden, die „allein, allein, allein“ sein wollen, „doch die von jedem mitgebrachte Einsamkeit addiert sich, die Summe bringt das Eis zum Schmelzen“. Paare sind ungern gesehen, das Ereignis, das es zu erleben gilt, ist die „nackte Offenheit in den Herzen“. Dazu gehört, dass hier alles, was man sehen und drücken kann, auch zu haben ist. Zuerst berührt die Ich-Erzählerin die Silikon-Brüste von Sabrina: „Sabrina ist die bekannteste Hure der Yorckstraße. Ein Teil der Kunden hat keine Ahnung, dass sie keine Frau ist, darauf ist sie am meisten stolz. Ihre schönen, operierten Brüste sind Ersatzteile der Nacht, Zahnräder ihres Lebens. Ich weiß noch, als sie eintrat, schaute jeder hin ( . . .).“ Es kommt sehr darauf an, wie man eine kleine schmierige Bar beschreibt: Sex, Drugs etc.. sind in Büchern oft das Langweiligste der Welt. Hier, bei Noémi Kiss, sind es die Abstrakta, die Zahnräder des Lebens, die Offenheiten der Herzen, die ihre Erzählung „Trans“ interessant machen.
In der deutschsprachigen Literatur gibt es so etwas wie bei Noémi Kiss, die 1974 in Gödöllö, der Heimat Sisis, geboren wurde, derzeit nur bei Navid Kermani, in seinen kurzen, oft ebenfalls etwas schäbigen und zugleich durchgeistigten Liebesgeschichten. „Trans“ ist der Versuch, einen Ort zu verstehen, wie er sich in einer bestimmten Nacht präsentiert hat. Immer bohrender spürt die Ich-Erzählerin diesem „Loch“, dieser „Röhre“, nach, in der nicht gedealt werden darf: „Wer Geschäfte macht, den lassen sie nicht mehr zur Tür herein. Händler haben keinen Zutritt zur Hölle, es gibt keine Beziehungen, es gibt auch keine Angeberei, kein Geld, kein Aufschneiden, du kannst nicht geizig sein, denn hier hat keiner etwas, du kannst nicht einmal lügen, denn an diesem Ort gibt es keinen Unterschied zwischen Phantasie und Wirklichkeit.“
Eigentlich wollte die Ich-Erzählerin nach Berlin reisen, um Bibliotheken, Flüsse und andere Sehenswürdigkeiten zu besuchen, doch H., der Freund eines Freundes, führt sie auf einen Spaziergang durch die nächtliche Stadt. Er macht Musik und hat die Bar, um die es geht, im Text eines Liedes erwähnt, ohne selber dort gewesen zu sein. Auch für ihn ist die abgerissene Welt, in die sie kommen, eine Entdeckung. „Ich versuche, in den Seelen zu stochern, gebe mir Mühe, strenge mich an, will sie verstehen, aber es geht nicht.“
Geschickt arbeitet Kiss mit erzählerischen Sprüngen in Zeit und Raum. Vor und zurück schickt sie ihre Heldin, die sich die große Stadt Berlin, die in der Bar auf kleinem Raum konzentriert ist, übersichtlicher vorgestellt hat. Aber sie akklimatisiert sich schnell: „Keiner tut mir leid, jeder, der hier ist, verdient es, hierher gekommen zu sein, auch wir. Jeder, der seine Nacht in so einer schmierigen Bar verbringt, ist gleich; jeder, der einsam ist, verdient es, denn er ist ein schlechter Mensch, etwas stört ihn in der Welt, aber er kann nicht darüber reden.“
Um fünf Uhr morgens gibt es schließlich einen Mord, dessen Motiv allen klar vor Augen steht: die, ja, es gibt sie auch in der Hölle: Eifersucht „einer alten Hure“ auf eine junge Frau. „Wie im Film“ sitzen die Gäste derweil an der Bar. Verstört und ernüchtert verlassen sie irgendwann den Raum. Doch die Geschichte ist nicht zu Ende. Zwischen Leo, einem Drehbuchautor aus der Bar, und der Ich-Erzählerin ergibt sich etwas: „Zuerst behauptete er allerdings, dass er schon lange nicht mehr an die Liebe glaube. Na bitte, jetzt habe ich ihn am Hals, jeden Abend kommt er mir mit seinen Gefühlen.“
Die Gefühle sind in diesen Erzählungen immer etwas am Rande der sogenannten Normalität angesiedelt. In „G wie stumme Grenze“ etwa, die in Frankfurt an der Oder liegt, wo die Ich-Erzählerin, eine Tänzerin, die hier ein Engagement hat, sich in einen kleinen, hässlichen Türken verliebt, vor dem alle sie warnen.   Lange Zeit scheinen sich die sechs Erzählungen immer weiter Richtung Osten und zurück in der Zeit zu tasten. „Erbe“ führt die Ich-Erzählerin gegen Ende dorthin, wo kaum Gefühle vorhanden waren, in ihre Kindheit, zur Oma, deren Kontrollerziehung, die sich auf die Mutter übertragen und die Enkelin schließlich in die Flucht getrieben hat, auf das unsichere Terrain, dem sie in Frankfurt an der Oder und in der kleinen, schmierigen Schöneberger Bar begegnet ist. Wenn Noémi Kiss in diese Richtung weitergeht, kann man auf sie sehr gespannt sein. Alle Texte sind gut geschrieben, aber keiner zeigt so genau wie „Trans“, was moderne Literatur mit der Welt anfangen kann, wenn sie sich nicht damit zufrieden gibt, sie zu kopieren, sondern die Funken ahnt, die aus ihr zu schlagen sind, wenn sich die Gedanken an ihr reiben.
HANS-PETER KUNISCH
NOÉMI KISS: Was geschah, während wir schliefen. Erzählungen. Aus dem Ungarischen von Agnes Relle. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2009. 182 Seiten, 19,80 Euro.
„Na bitte, jetzt habe ich
ihn am Hals, jeden Abend kommt
er mir mit seinen Gefühlen.“
Noemi Kiss Foto: ullstein bild
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Stefanie Peter musst sich mehr als einmal die Augen reiben bei dieser Lektüre. So sehr ihr der kulturwissenschaftliche Unterbau der Geschichten der Ungarin Noemi Kiss auch ins Auge springt, so sehr sieht sie sich immer wieder auch überrascht von der Souveränität der Autorin im Umgang mit dem Fantastischen oder mit den drastischen Realien ihrer "Liebes-Kollisionen", etwa innerhalb der Kreuzberger Gay- und Queerszene. E.T.A.-Hoffmann-Exegetik solchen Kalibers ist für Peter eine Freude und Kiss eine "neue aufregende Stimme im Männergesangverein der ungarischen Literatur".

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