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Eine Frau sitzt in einer Bar und trinkt, um zu vergessen. Sie berichtet vom Krieg und von der Hochzeit in jener Nacht, in der er begann. Ivana Sajko erzählt bewegend, kraftvoll und mit abgründigem Humor eine bittere Geschichte aus einer Welt in Trümmern.Das Hochzeitskleid wird in diesem Roman zu einem Utensil für alle Lebenslagen. Ivana Sajko zerschneidet es zu Verbänden für Verwundete und Damenbinden, sie schläft in ihm in einem Flüchtlingslager, verschmilzt mit ihm zur Siegesfahne und bedeckt sich damit, als sie nach dem Krieg ihren Bräutigam bei den Behörden suchen geht, die die Listen der…mehr

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Produktbeschreibung
Eine Frau sitzt in einer Bar und trinkt, um zu vergessen. Sie berichtet vom Krieg und von der Hochzeit in jener Nacht, in der er begann. Ivana Sajko erzählt bewegend, kraftvoll und mit abgründigem Humor eine bittere Geschichte aus einer Welt in Trümmern.Das Hochzeitskleid wird in diesem Roman zu einem Utensil für alle Lebenslagen. Ivana Sajko zerschneidet es zu Verbänden für Verwundete und Damenbinden, sie schläft in ihm in einem Flüchtlingslager, verschmilzt mit ihm zur Siegesfahne und bedeckt sich damit, als sie nach dem Krieg ihren Bräutigam bei den Behörden suchen geht, die die Listen der Toten und Vermissten verwalten. Den Krieg erspürt sie mit ihrem Körper, sie denkt mit ihrem Körper und zeigt, dass es nicht reicht, Dinge zu »wissen« - man muss sie »spüren«, um sie zu verstehen. Aus der Perspektive einer Frau, die nichts mehr zu verlieren hat, denkt Sajko in diesem »Roman in acht Monologen für acht Schauspielerinnen in weißen Hochzeitskleidern « über die Unmöglichkeit der Liebe, das Warten auf den »Richtigen«, die Einsamkeit und die Heimatlosigkeit nach.»Atmosphärisch dicht und in einer starken, bildhaften, geradezu körperlichen Sprache macht Ivana Sajko das Trauma eiiner kriegszerstörten Frau spürbar, die ein "Minenfeld zwischen den Schläfen trägt, das im Begriff ist, jeder zeit zu explodieren.« Maike van Schwammen auf »ARTE« am 18.3.2008
Autorenporträt
Ivana Sajko, geboren 1975 in Zagreb, ist Autorin, Dramatikerin und Regisseurin. Ihre Theaterstücke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und auf internationalen Bühnen gespielt. Sie wurde bereits mit wichtigen Preisen ausgezeichnet; u. a. für Rio Bar als bestes Prosawerk.

Alida Bremer, geboren 1959 im kroatischen Split, ist Übersetzerin aus dem Bosnischen, Kroatischen und Serbischen, außerdem Herausgeberin deutschsprachiger Anthologien kroatischer Literatur. Als Autorin veröffentlichte sie mit Olivas Garten (2013) zuletzt eine belletristisches Buch über ihre kroatische Familie. Ihre Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Internationalen Literaturpreis des Haus der Kulturen der Welt für die Übersetzung von Ivana Sajkos Liebesroman (2018).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.11.2008

Beklemmende Studie
„Rippen/Wände” in deutscher Erstaufführung im TamS
Die Braut (Julia Loibl) wartet in der Kneipe, im Foyer des TamS. Auf leise Art ist sie hysterisch, lacht eigenartig, trinkt Schnaps aus einem Benzinkanister. Sie spricht von zerfetzten Leibern, Minenwerfer zersprengten ihre Hochzeit. Man hat Angst um sie, auch wegen dieses bizarren Kicherns. Sie ist nah am Tod. Sie ist schön. Sie wird allein bleiben.
Drinnen, im Theaterraum, den man nach dieser irrlichternden, schmerzhaften Ouvertüre, die Andreas Wiedermann aus dem Roman „Rio Bar” von Ivana Sajko herausschnitt, betritt, hockt der Bräutigam, den Wiedermann von einer Frau, Nicole Lohfink, darstellen lässt. Erhöhung der Zerbrechlichkeit. Neben ihr ein Wächter, ein anfangs stummer Gewaltmensch (Adam Markiewicz). Die beiden sitzen in einem Keller unter der Stadt, in den der Bürgerkrieg einsickert, das Blut, das Erinnern an Greuel, das nie mehr ausgelöscht werden kann. Ivana Sajko, Jahrgang 1975, ist eine poetische Biographin des Krieges, eine stille Referentin des Grauens. Wiedermann macht aus ihrem Stück „Rippen/Wände”eine beklemmende Studie gegenseitiger Abhängigkeit. EGBERT THOLL
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2008

Bombenfrauen
Ivana Sajko arrangiert einen Chor der Ohnmächtigen

Die Kroatin Ivana Sajko, Jahrgang 1975, hat sich bislang mit experimentellen Theaterarbeiten einen Namen gemacht. Jüngst wurden mehrere ihrer Monologe für Frauenstimmen ins Deutsche übersetzt. Räume und Zeiten wirbeln darin durcheinander. In "Europa" ringt eine wohlgenährte "Mama" Europa mit der militaristischen Vergangenheit unseres Kontinents und der Abschottung der EU nach außen. "Bombenfrau" montiert die letzten Gedanken einer Selbstmordattentäterin mit Faktenmaterial. Sajkos chimärenhaftes Theater überschreitet Genregrenzen aus Prinzip. Es ist alles auf einmal: episch und lyrisch, diskursiv und archaisch, abstrakt und phantastisch, lautmalerisch und launenhaft.

Mit "Rio Bar" hat Sajko nun ihren ersten Roman vorgelegt, ein episch-theatralisches Vexierspiel mit wechselnden Stimmen, Erzählperspektiven und Zeitebenen. Schauplatz ist Kroatien, Eckdaten sind die Jahre 1995 und 2005. Im August 1995 gelang kroatischen Einheiten mit der sogenannten "Aktion Sturm" die Wende im Krieg um die Krajina. In wenigen Tagen eroberten sie die Region, welche 1991 einseitig zum Serbischen Autonomen Gebiet erklärt worden war. In Fußnoten zum Romantext finden sich Dokumente zum Krieg und seinen Folgen, welche die politischen Ereignisse noch einmal Revue passieren lassen.

Der Roman "Rio Bar" setzt sich aus mehreren weiblichen Monologen zusammen, die bis zur Unkenntlichkeit ineinander verschlungen sind. Eine der Stimmen gehört einer Braut, deren Hochzeit 1995 durch Granaten blutig unterbrochen wird. Während der Bräutigam an die Front geht, sitzt die Frau samt Hochzeitskleid im Bunker, erlebt im Flüchtlingslager "eine Massenkarambolage der Liebe" - in der Nacht vor der "Aktion Sturm" beschlafen die Soldaten ihre Frauen - und erhebt vor einer zerbombten Marienstatue Klage gegen die Politik. Auf den Geliebten wartet sie auch nach dem Krieg vergebens. Bei ihren Nachforschungen zeichnen sich die zuständigen Behörden vor allem durch Desinteresse am Schicksal der Verschollenen und Versehrten aus.

Der Braut-Monolog wechselt ab mit der Stimme einer Frau, die zehn Jahre später in der "Rio Bar" einer Küstenstadt säuft, Sex mit irgendwelchen Männern hat und zwischen allen Stühlen sitzt. Die im Krieg ferngebliebenen Ausländer sind längst wieder da, zeigen "diesmal" aber "kein Interesse an Sex und am Meer, sondern an Immobilien. An Profit. Sie kauften, Häuser, Strände und Fabriken." Als zwei Einheimische ermordet werden, steht die internationale Mafia im Verdacht: "Ausländer. Sie hatten ausländische Kennzeichen. Alles ein und dasselbe Pack." Umgekehrt schlagen Einheimische Touristen zusammen, während die Polizei wegschaut. Sprengstoff zerfetzt zwei Tauchtouristen, weil Fischer sie für Thunfische gehalten haben. Am Schluss des Romans sitzt die Frau wieder vor ihrem Glas in der "Rio Bar". Es ist der 10. Jahrestag der "Aktion Sturm". Sie denkt: "Wir haben gesiegt. Was hat das mit ihr zu tun?"

Die delirierenden Stimmen in diesem Buch haben die Gewalterfahrung und das Gefühl der Ohnmacht gemeinsam. "Ich versuche, einen panischen Zustand zu erzeugen", sagt Ivana Sajko. Ihre Figuren sind flüchtige Vorstellungen, paradoxerweise jedoch von extremer Körperlichkeit. Sie provozieren den Kontrollverlust, um ihn dann zu erleiden: sie saufen, masturbieren, kotzen, machen sich vor Angst in die Hose, werden zusammengeschlagen und bringen sich halb um. Aber sie denken, fühlen, sprechen weiter, behaupten sich in einer feindlichen Umgebung. Die sich in diesem Buch auch über ein Jahrzehnt nach dem Ende der "Aktion Sturm" anfühlt, als wäre immer noch Krieg.

JUDITH LEISTER

Ivana Sajko: "Rio Bar". Roman. Aus dem Kroatischen übersetzt von Alida Bremer. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2008. 175 S., geb., 17,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als wäre immer noch Krieg in Kroatien, kommt es Judith Leister vor bei dieser Lektüre. Ivana Sajkos Romandebüt erscheint ihr als episch-theatralisches Rätselspiel. Die wild wechselnden und ineinander verschlungenen (weiblichen) Stimmen, Erzählperspektiven und Zeitebenen sieht sie zusammengehalten durch den Schauplatz Kroatien, die Eckdaten 1995 (Rückeroberung der Krajina) und 2005 sowie durch die allen Stimmen zugrunden liegenden Erfahrungen von Gewalt und Ohnmacht. Geleitet durch Fußnoten, die die realen politischen Ereignisse beim Leser in Erinnerung rufen, sieht Leister zu, wie die flüchtigen Figuren leiden und sich dennoch behaupten und dabei "paradoxerweise" extrem körperlich werden.

© Perlentaucher Medien GmbH