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Es beginnt mit einem Kindergeburtstag im Kreis der Familie, doch nicht nur die Kirschbäume werfen ihren Schatten: Für die Eltern Teréz und Károly ist das Leben im sozialistischen Ungarn unerträglich geworden. Niemand darf von ihren Fluchtplänen erfahren - schon gar nicht die Kinder Misi und Borbála, die einem Urlaub am Plattensee entgegenfiebern und sich bald wundern müssen, als der geliebte See am Fenster vorbeifliegt. Mit viel Wagemut schaffen es die vier über die Grenze nach Italien - dort stellt sie der sich endlos dehnende Sommer im desolaten Auffanglager auf eine Probe, die keinen von…mehr

Produktbeschreibung
Es beginnt mit einem Kindergeburtstag im Kreis der Familie, doch nicht nur die Kirschbäume werfen ihren Schatten: Für die Eltern Teréz und Károly ist das Leben im sozialistischen Ungarn unerträglich geworden. Niemand darf von ihren Fluchtplänen erfahren - schon gar nicht die Kinder Misi und Borbála, die einem Urlaub am Plattensee entgegenfiebern und sich bald wundern müssen, als der geliebte See am Fenster vorbeifliegt. Mit viel Wagemut schaffen es die vier über die Grenze nach Italien - dort stellt sie der sich endlos dehnende Sommer im desolaten Auffanglager auf eine Probe, die keinen von ihnen unberührt lässt: Károly und Teréz werden sich fremd; der achtjährige Misi erfährt die volle Härte der Erwachsenenwelt; Borbála verliebt sich zum ersten Mal. Auch längst Vergangenes bricht auf: Teréz musste als junges Mädchen vor der heranrückenden Ostfront fliehen, Károly wurde mit seiner Mutter zwangsausgesiedelt. Die Familie droht zu zerbrechen, noch bevor sie ihr Ziel - Deutschland - erreicht ...
Akos Doma, der selbst als Jugendlicher mit seiner Familie Ungarn verließ, erzählt die Geschichte einer dramatischen Flucht. Hellsichtig und mit großer sprachlicher Kraft zeigt sein Roman, was Heimatlosigkeit und Ungewissheit im Menschen anrichten können - und wie sie ihn verändern.
Autorenporträt
Doma, Akos
Akos Doma, geboren 1963 in Budapest, ist Autor und Übersetzer. Er hat unter anderem Werke von Sándor Márai, László F. Földényi und Péter Nádas ins Deutsche übertragen. 2001 erschien sein Debütroman «Der Müßiggänger», 2011 «Die allgemeine Tauglichkeit». Doma erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, zuletzt etwa das Grenzgängerstipendium der Robert Bosch Stiftung, den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis 2012 und das Prager Literaturstipendium 2014. Akos Doma lebt mit seiner Familie in Eichstätt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.12.2016

Im Wartesaal Europa
Kein Sommerurlaub: Akos Domas Fluchtroman "Der Weg der Wünsche"

Dieses könnte als eines der berüchtigten "Bücher der Stunde" gelten, erzählt doch der Verfasser in seinem mittlerweile dritten Roman von der entbehrungsreichen Flucht einer Familie. Der 1963 in Budapest geborene Akos Doma, der sich auch als Übersetzer etwa von Péter Nádas, Sándor Márai und László F. Földényi einen Namen gemacht hat, widmet sich in "Der Weg der Wünsche" aber nicht dem Aktuellen, sondern der jüngeren Zeitgeschichte, nämlich den frühen siebziger Jahren während der Blockkonfrontation. Er greift, sieht man sich die Biographie des Autors an, einigermaßen unverhohlen ein Stück seiner eigenen Familiengeschichte auf: Doma selbst ist mit seinen Eltern als Vierzehnjähriger aus Ungarn geflohen.

Gerade diese Gleichzeitigkeit von Nähe und Ferne zu den heutigen Geschehnissen macht den Roman interessant. Zwar scheint er nicht darauf abzuzielen, ein Kommentar zur Gegenwart zu sein. Gleichzeitig kann man aber nicht anders, als ihn vor der Folie der Bilder zu lesen, die uns täglich erreichen.

"Der Weg der Wünsche" schildert das halb freiwillige, halb unfreiwillige Fortgehen und das erzwungene Verweilen im menschenunwürdigen Provisiorium der Flucht, in einem Zwischenraum, in anonymen Lagern, in denen noch nicht einmal die Ratten und der Schmutz das Unmenschlichste sind, sondern die Tatsache, dass es sich um verlorene Zeit handelt. Eine Zeit, in der die Tage einförmig dahinziehen, während man tatenlos herumsitzen muss und auf die innig ersehnten Visa wartet, eine Zeit, in der man keine Spuren hinterlassen haben wird, nachdem man, mit etwas Glück, doch seine Sachen aus einer jämmerlichen Baracke hat holen dürfen, um weiterzureisen. Die in den zwanziger Jahren kursierende Formel vom "Wartesaal Europa" kommt unweigerlich in den Sinn bei der Lektüre von Domas Roman. Dessen ambivalenter Titel "Der Weg der Wünsche" ist passend, denn ob die Familie jemals ans Ziel ihrer Wünsche gelangen wird, bleibt immerhin in einer gewissen Schwebe.

Was gewinnt man, was verliert man, wenn man sich für das Verlassen der Heimat entscheidet? Domas Roman ist eine melancholische Verlustbeschreibung. Auch wenn das Dachzimmer viel zu klein ist, das sich die Eltern, Teréz und Károly, mit ihren beiden Kindern teilen, dem siebenjährigen Misi und der fünfzehnjährigen Bori, oder wenn Károly eine Laufbahn als Arzt verwehrt wird, schildert Doma diese Familie doch auf fast sentimentale Weise als harmonische Gemeinschaft. Und während die Kinder naturgemäß ohnehin einverstanden und froh sind mit der Welt, in der sie leben, so mögen die Eltern zwar mit den politischen Umständen hadern, aber in einem sind sie unerschütterlich: in ihren Überzeugungen. Menschlichkeit und Moral sind die Werte, die für Doma wesentlich sind. Beinahe antiquiert mag das in heutiger Zeit anmuten, Doma entstaubt diese Vorstellungen aber auf unangestrengte Weise. Dass er dafür eine klassische, besonnene, einfühlsame Erzählweise gewählt hat, ist nur konsequent.

Dass die Familie ihre Heimat verlässt, erscheint von Beginn an als Entschluss, der vor allem auf Betreiben von Teréz erfolgt, entsprungen aus einer Mischung aus Überdruss und Demütigung, nachdem sie nicht nur zwangsversetzt worden ist, sondern ihr Vater sie vor der parteitreuen Schwester zurückweist. Vollends naiv, als würden sie zu einem Sommerurlaub aufbrechen, fährt die Familie erst zur jugoslawischen, dann zur italienischen Grenze und schafft es wider alle Wahrscheinlichkeit, dank Nachgiebigkeit einzelner Beamter durch die Kontrollen zu schlüpfen.

Aber genau in dem Moment, als das Eigentliche geschafft scheint, als die Grenzen überwunden sind, beginnt erst der Schrecken. Jetzt steht die westliche kapitalistische Welt den Eltern als etwas vor Augen, das all ihren Überzeugungen widerspricht. Allen voran den Leiter des italienischen Flüchtlingslagers, in dem die Familie lange Zeit verbringen muss, schildert Doma als eine Figur, in der die vermeintlich typisch westlichen Züge wie Rücksichtslosigkeit und Egoismus sich hinter einer polierten eloquenten Fassade verbergen.

Streiten lässt sich gewiss darüber, ob Doma es sich nicht etwas zu einfach macht mit dem pauschalen Bild, das er zeichnet, dem zufolge die Charaktere im Westen per se verkommen sind, während im Osten zwar das System ungerecht ist, die meisten Menschen sich aber ihre Integrität haben bewahren können. Wesentlich und tragisch indes mutet etwas anderes an, das Doma im Verlauf seiner immer weiter in die Vergangenheit zurückblendenden Familiengeschichte freilegt: eine fatale, nachgerade unheimlich anmutende Struktur der Wiederholung. Sowohl Teréz als auch Károly tragen die tief eingesunkenen Spuren einer früheren Vertreibung aus ihrer Heimat mit sich, über die sie erst nach und nach zu sprechen beginnen. So hat es den Anschein, als wäre es vor allem diese Vergangenheit, die zum Motor ihres Handelns in der Gegenwart wird - wider alle Vernunft und wider besseres Wissen.

Vielleicht ist es nur das Erzählen selbst, das ein Ausbrechen aus diesen Mustern und Wiederholungsschleifen ermöglicht. Insofern wäre Domas Roman, wenngleich er im Auge des Abgrunds abbricht, dennoch eine Art Erlösungserzählung.

WIEBKE POROMBKA

Akos Doma: "Der Weg der Wünsche". Roman.

Rowohlt Berlin Verlag,

Berlin 2016. 336 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Dass Akos Domas "Weg der Wünsche" auf der Longlist stand, kann sich Rezensent Ronald Düker nur damit erklären, dass man unbedingt einen Flüchtlingsroman brauchte. Andere Kriterien entdeckt der Kritiker jedenfalls nicht: Die biografisch gefärbte, 1972 spielende Geschichte über eine Flucht von Budapest über Flüchtlingslager in Triest und Neapel bis Deutschland liest sich mühsam und ist voll gepackt mit Redundanzen, klagt der Rezensent. Die Figuren wirken zudem konstruiert und stecken voller Klischees, fügt der Kritiker hinzu, der auch mit der "bildungsromanhaften Pointe" nicht viel anfangen kann.

© Perlentaucher Medien GmbH
Ein geradlinig erzählter, ungemein spannender und äußerst erhellender Roman. Der Tagesspiegel