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Nach dem Tod eines linksliberalen Philosophieprofessors finden sich dessen Landser-Briefe aus der Kriegszeit. Sein Sohn begegnet darin einem Menschen, den er nicht kennt, der Schock ist groß.
Winter 1944/45: Um seinen unreifen Sohn Konrad vor den Werbern der SS zu retten, drängt dessen Nazi-skeptischer Vater ihn, freiwillig Reserveoffizier bei der Wehrmacht zu werden; kurz darauf rät er ihm sogar zur Fahnenflucht - Hitlerjunge Konrad graut es zwar vor Kampfeinsätzen, zugleich ist er aber über den mangelnden Patriotismus des Vaters entsetzt und überlegt ernsthaft, ihn anzuzeigen.Der Krieg…mehr

Produktbeschreibung
Nach dem Tod eines linksliberalen Philosophieprofessors finden sich dessen Landser-Briefe aus der Kriegszeit. Sein Sohn begegnet darin einem Menschen, den er nicht kennt, der Schock ist groß.

Winter 1944/45: Um seinen unreifen Sohn Konrad vor den Werbern der SS zu retten, drängt dessen Nazi-skeptischer Vater ihn, freiwillig Reserveoffizier bei der Wehrmacht zu werden; kurz darauf rät er ihm sogar zur Fahnenflucht - Hitlerjunge Konrad graut es zwar vor Kampfeinsätzen, zugleich ist er aber über den mangelnden Patriotismus des Vaters entsetzt und überlegt ernsthaft, ihn anzuzeigen.Der Krieg macht durch Zufälle aus dem Feigling einen Helden, er bekommt sogar das Eiserne Kreuz Erster Klasse.Prahlend berichtet er darüber in Briefen an ferne Kameraden. Nach dem Kriegsende jedoch sieht die Welt anders aus. Der vorher verachtete Vater wird zum Leitstern. Konrad schämt sich zutiefst für seine Kriegstaten und verschweigt sie hartnäckig - erst recht, als er (gefordert von einem ehemaligen Widerständler) Philosophiedozent wird, Schwerpunkt Ethik.Konrad gerät in Frankfurt, inzwischen Professor, ins linke Milieu - und mitten in die Wirren der Studentenbewegung. Als die Staatssicherheit der DDR über einen ehemaligen Kriegskameraden an kompromittierende Informationen über ihn gelangt, wird es brenzlig, aber es gelingt dem Sonntagskind Konrad, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Kein Wunder, dass er - Jahre später - die Nachricht vom Fall der Mauer nicht nur mit Freude hört. Erst sein Sohn wird die prahlenden Jugendbriefe seines Vaters finden - und darin einen Menschen, den er nicht kennt und dessen wahre Identität er rekonstruieren will.
Autorenporträt
Jan Koneffke, geboren 1960 in Darmstadt, studierte und arbeitete ab 1981 in Berlin. Nach seinem Villa-Massimo-Stipendium 1995 lebte er für weitere sieben Jahre in Rom und pendelt heute zwischen Wien, Bukarest und dem Karpatenort M¿neciu. Koneffke schreibt Romane, Lyrik, Kinderbücher, Essays und übersetzt aus dem Italienischen und Rumänischen. Er wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, zuletzt dem Uwe-Johnson-Preis 2016. Zuletzt erschienen bei Galiani Ein Sonntagskind (2015), 2020 sein von der Presse gefeiertes Erzählkunststück Die Tsantsa-Memoiren.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit dem neuen Roman "Ein Sonntagskind" ist Jan Koneffkes Trilogie über seine pommersche Familiengeschichte vollendet, verkündet Rezensent Ulrich Rüdenauer und empfiehlt dieses Werk mit Nachdruck. Diesmal geht es um den Vater des Autors, der leicht verfremdet als Philosophiedozent Konrad Kannmacher von den vierziger Jahren bis in die Gegenwart begleitet wird, informiert der Kritiker. Vor allem aber bewundert Rüdenauer Konneffkes psychologisches und mentalitätsgeschichtliches Geschick, denn dessen Vorhaben sei kein leichtes: Dem Buch liegen frühe und erst vor einigen Jahren von dem Autor entdeckte Briefe des liebevollen Vaters zugrunde, in denen dieser als junger Landser kaltblütig und blutrünstig von der Ostfront berichtet, verrät der Rezensent, der das auch sprachlich ausgezeichnete Buch als Bildungs- und Generationenroman gelesen hat.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2015

An Vaters Wahrheit entlang
Mit "Ein Sonntagskind" schließt Jan Koneffke seine Familientrilogie ab

Der dritte ist der spannendste und persönlichste Band der Trilogie um die Familie Kannmacher/Koneffke geworden. Seine Entstehung verdankt sich einem Schock: Nach dem Tod des Vaters schickte ihm dessen Jugendfreund ein Bündel Briefe, die unmittelbar nach Kriegsende geschrieben waren - da war der Vater achtzehn. "Ich las Vaters Kriegsschilderungen mit tiefem Entsetzen. Wesentlich schlimmer als seine Geschichten, unmenschlich, beklemmend und schauderhaft, war Vaters Sprache, von abscheulicher Rohheit und irrer Begeisterung." Der Sohn war sich darüber im Klaren, dass ein Halbstarker sich hier vor einem Freund in Szene setzen wollte, trotzdem brachte er diese Sätze nicht mit seinem linksliberalen Vater in Einklang.

Also machte Jan Koneffke sich schreibend auf die Suche nach diesem Unbekannten, seinem Vater, den er im Roman Konrad Kannmacher nennt, und erfindet dessen Leben (von dem schon in "Eine nie vergessene Geschichte" und "Die sieben Leben des Felix Kannmacher" die Rede war) an der Wahrheit entlang. Neben seinen Erinnerungen bezieht er sich auf den Nachlass und Material, das ihm zugespielt wurde. Er setzt damit seinem Vater Gernot Koneffke (1927 bis 2008) ein Denkmal, der ein prominenter Mentor der Frankfurter Studentenbewegung wurde und eine halb marxistisch, halb kantianisch grundierte Pädagogik vertrat, die radikal auf Aufklärung und Reflexion setzte.

Ein halbes Jahr vor Kriegsende wurde sein Vater eingezogen und zur sogenannten "Partisanenbekämpfung" nach Bromberg an die Weichsel geschickt. Er gehört damit zu jener Generation, die, wie Günter Grass, von der Schulbank weg in den Krieg geschickt wurde und zeitlebens von dieser traumatisierenden Erfahrung nicht loskam. Ein schwieriges Terrain, denn nach dem Krieg sah sich diese Generation, inzwischen kämpferische Linke, als das Gewissen der jungen Bundesrepublik - ohne von ihrer Schuld und ihrer Scham sprechen zu können. Man muss "Ein Sonntagskind" auch als gelungene Recherche zu den Motiven des jahrzehntelangen Schweigens dieser Generation lesen.

Wie schreibt man über Gemetzel und Unmenschlichkeit? In welcher Sprache? Aus welcher Perspektive? Diese Suchbewegung durchzieht den Roman und macht seine größte Stärke aus. Denn anders als in Ralf Rothmanns Roman "Im Frühling sterben" ist Konrad alles andere als eine naive, unschuldige Figur. Er mutiert an der Front vom schlaksigen Träumer zum bitter entschlossenen Kämpfer und meldete sich wenige Wochen vor Kriegsende noch zu einem Sonderkommando. Ihn beobachtend, bewegt sich der Erzähler auf schwankendem Boden, und angesichts der Ungeheuerlichkeiten, die ihn umgeben, gelingt es ihm nicht, neutral zu bleiben. Er wird unter dem Druck der Ereignisse zum Chamäleon, das innerhalb eines Satzes, oft nur durch ein Wort, aus der auktorialen Rolle fällt und in die Psyche des Helden stürzt, um sich im nächsten Satz wieder herauszuarbeiten und aufs Neue um den Überblick zu kämpfen. So kommt er Konrad momentweise ganz nah und tritt doch immer wieder, empört, verzweifelt und abgestoßen, einen Schritt zurück.

Wobei gerade die kleinen, beiläufigen Szenen die stärksten sind. Etwa wenn Konrad sich unmittelbar nach einem Granateinschlag wieder in sein blutverschmiertes Cabrio setzt und die Innerei, die in der Ritze zwischen den Sitzen hängt, leicht angewidert wegschleudert, oder mit seinen Kameraden nach einer Pappelallee, wo an jedem Baum ein Mensch gehängt wurde, in hysterisches Lachen ausbricht - das ist so grotesk (man denkt an Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds") wie quälend.

Vom Skandal dieses Lebensbruches wollte der Autor erzählen und davon, was ein Mensch durch sein Schweigen sich und anderen zufügt. Für ihn als Kind, sagte Koneffke in einem Interview, war die Erfahrung eines permanenten, familiären Zerfallsprozesses prägend: Das spiegeln die unzähligen Liebschaften Konrads und seine gescheiterten Ehen. Gegenüber Moosbachs, den engsten Freunden, die im Krieg aktive Widerständler waren, lügt und laviert er. Wie ein seelisches Spinnennetz halten ihn seine Kriegstaten fest, und in Diskussionen über den Vietnamkrieg und die moralische Überlegenheit der Partisanen erfasst ihn eine Erregung, die er sich selbst nicht erklären kann.

Man merkt diesen Geschichten an, wie nah sie dem Autor gehen. Aber er ist ein zu kluger und erfahrener Erzähler, als dass darunter die Genauigkeit seiner Bilder litte. In sechs eingestreuten, lustvoll-märchenhaften Geschichten zeigt er seinen Helden als innerlich noch nicht ideologisch zugerichteten Jungen, der einen ganz anderen Geschichtsverlauf erträumt. Bei diesen phantastischen Abenteuern stürzt das Sonntagskind Konrad besonders schmerzhaft vom Baum der Erkenntnis.

NICOLE HENNEBERG

Jan Koneffke: "Ein Sonntagskind".

Roman.

Galiani Verlag, Berlin 2015. 584 S., geb., 24,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2015

Abschied
vom Helden
Jan Koneffkes Vater-Roman „Ein Sonntagskind“
Zum Dichter werde ein Mensch dadurch, schrieb Martin Walser einmal, „dass er nicht sagen darf, was er sagen möchte“. Auf verschlungene Weise aber findet das Nicht-Gesagte dann doch aufs Papier und in die Welt. Das Eigentliche, weil es so schwer im Herzen wiegt, wird literarisch umkreist und umspielt, wenngleich es nie ganz gefasst werden kann.
  Für die sogenannte Flakhelfer-Generation hat diese schöne Erkenntnis ihre ganz eigene Relevanz: Viele der jungen Intellektuellen, die durch ihre Bücher und ihr öffentliches Wirken in den Fünfziger- und Sechzigerjahren an der Demokratisierung der Republik entscheidenden Anteil hatten, wurden von etwas Unaussprechlichem angetrieben, von einer übermächtigen Verantwortung ebenso wie von nicht benennbarer Scham. Zwar waren sie zum Ende des Krieges zu jung gewesen, um am Aufstieg des Dritten Reichs mitgetan zu haben; alt genug waren sie aber schon, um als Jugendliche anfällig gewesen zu sein für den Hitlerwahn. Dem früheren Ich wurde mit Misstrauen begegnet. Weshalb die Entdeckung von Nazimitgliedschaften bekannter Persönlichkeiten vor einigen Jahren – von Erhard Eppler bis zu Walter Jens –, zuweilen für die Entlarvten selbst eine Überraschung war. Der 17- oder 18-Jährige war ihnen längst fremd und unheimlich geworden.
  „Und es ekelte mich vor mir selber. Ich war ein Deutscher, nicht anders als sie, und an den Verbrechen beteiligt gewesen. Ich musste mich vor meinem Gewissen rechtfertigen, was mir von Tag zu Tag schwerer fiel. Das war ein Strudel, der mich in den Abgrund zog“, beichtet Konrad Kannmacher in einem seltenen Moment der Offenheit. Konrad ist das „Sonntagskind“, das dem neuen Roman des 1960 in Darmstadt geborenen Jan Koneffke seinen Titel gibt. Er wächst in einer brauner Gesinnung unverdächtigen Familie auf: Sein Großvater verehrt Kant, der Vater verhilft einem jüdischen Bankier zur Emigration und landet dafür ein halbes Jahr im KZ. Konrad selbst, ein ängstliches, nachdenkliches Kind, möchte allerdings nicht abseits stehen. Seine Meldung zur Waffen-SS kann der Vater zwar gerade noch verhindern, aber als 17-jähriger Soldat in einem Sonderkommando ist er im letzten Kriegsjahr noch an grauenvollen Einsätzen beteiligt. Aus dem schüchternen, von Zweifeln und Durchfall geplagten Jungen wird in wenigen Monaten ein rasender Kriegsheld, der sich das EK1 an die Brust heften darf. Seine Jugendfreunde sieht er dabei neben sich im Kampf zugrunde gehen – was ihn bis ins hohe Alter verfolgen wird, als er längst schon ein angesehener Philosoph ist, ein Linksliberaler, der Sympathien für die 68er hegt und sogar einem RAF-Mitglied Unterschlupf gewährt.
  Jan Koneffke veröffentlichte 2008 den ersten Teil einer nun zur Trilogie angewachsenen pommerschen Familiengeschichte, die sich am Stammbaum des Autors orientiert. „Eine nie vergessene Geschichte“ hieß dieser Roman, der von Felix Kannmacher und seinen Brüdern handelt und sich vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Flucht 1945 erstreckt. Besagter Konrad nun, der im neuen Buch die Hauptrolle spielt, ist dessen Neffe und dem Autor sehr nah: Koneffke hat ihn seinem Vater Gernot nachgebildet, der als Pädagogikprofessor lehrte und dem „Eine nie vergessene Geschichte“ gewidmet war. Wie Péter Esterházy nach der Veröffentlichung seines Romans „Harmonia Caelestis“ in „Verbesserte Ausgabe“ eine Korrektur am Vaterbild vornehmen musste, nachdem er herausgefunden hatte, dass der verehrte Held der Kindheit als Spitzel tätig war, muss nun auch Jan Koneffke in seinem „Sonntagskind“ den Vater in all seiner Widersprüchlichkeit zeichnen. Vor einigen Jahren erst kam der Autor – ebenso wie sein Alter Ego Lukas am Ende des Romans – in den Besitz von Briefen, die der junge Landser von der Ostfront geschrieben hatte. Kaltblütig und blutrünstig berichtet er darin von seinen Abenteuern. Mit dem als liebevoll erlebten Vater hatte dieser Briefeschreiber keine Ähnlichkeit.
  Die Diskrepanz zwischen dem wütenden, soldatischen Jungen und dem von Scham und Schuldgefühlen beherrschten Mann bestimmt Koneffkes Bildungsroman. Er schildert die Geschichte Konrads von den Vierzigerjahren bis in die Gegenwart in einem großen epischen Bogen fast gänzlich aus dessen Perspektive. Deutlich wird so der Spalt zwischen Innen- und Außenwelt und die Getriebenheit Kannmachers, der mehrere glücklose Ehen und zahllose Liebschaften durchläuft und es vom Volksschullehrer zum Philosophiedozenten bringt. Neben dem nicht korrumpierbaren Vater Ludwig wird vor allem der ältere Philosoph Moosbach zu seinem moralischen Leitstern. Aber weder dem einen noch dem anderen darf Konrad sagen, was er eigentlich sagen möchte, seine ihn belastenden Kriegserlebnisse sind tabu. Als Damoklesschwert hängen sie allerdings fortwährend über dem erfolgreichen Hochschullehrer.
  Jan Koneffke erzählt von dieser Entwicklung, ohne sie zu begradigen oder zu beschönigen, mit psychologischem und mentalitätsgeschichtlichem Gespür. Unterbrochen wird der Lauf der Dinge nur von Ausschnitten aus dem Konrad zugesprochenen, fiktiven „Geschichtenheft“ – schwelgerischen Jungs-Fantasien, die Traum, Wirklichkeit und Technikeuphorie mit der Nazi-Ideologie kurzschließen und Koneffkes sprachspielerische Erfindungslust aufblitzen lassen.
  „Ein Sonntagskind“ ist der gelungene Roman nicht nur über eine zerrissene Vaterfigur, sondern auch über eine Generation, die sich entschlossen in die Zukunft stürzte, weil ihre Jugend und Erinnerungen gänzlich entwertet waren. Die Heimat sei futsch, sagt Konrads Jugendfreund Hartmut, kurz bevor er bei einem Himmelfahrtskommando zu Tode kommt. „Ich sage dir, dieses beschissene Morden hat deine und meine Vergangenheit restlos vernichtet.“
ULRICH RÜDENAUER
Die Kriegserlebnisse sind tabu,
doch als Damoklesschwert hängen
sie über dem Hochschullehrer
            
    
  
  
  
Jan Koneffke:
Ein Sonntagskind. Roman. Galiani Verlag, Berlin 2015.
582 Seiten, 24,99 Euro. E-Book 21,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Historisch klug und literarisch virtuos: Wer immer noch nichts von Jan Koneffke gelesen hat, muss dies nun dringend nachholen. Tobias Heyl Falter