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In ihrem Salon in New Yorks Upper West Side gaben sich einst so berühmte Künstler wie Francis Picabia, Marcel Duchamp und Man Ray die Klinke in die Hand. Die Gastgeberinnen, die Stettheimer Sisters Carrie, Ettie und Florine, hatten das Ideal der New Woman mit der Muttermilch eingesogen, Männer waren im Grunde überflüssig, eigneten sich aber vortrefflich zum Flirten. Während Ettie die Konversation bestritt, sorgte Carrie für das Wohl der Gäste. Und das Nesthäkchen der Familie, Florine, erwies sich als kapriziöse Person und talentierte Malerin. Geboren zwischen 1869 und 1877, wuchsen die Mädchen…mehr

Produktbeschreibung
In ihrem Salon in New Yorks Upper West Side gaben sich einst so berühmte Künstler wie Francis Picabia, Marcel Duchamp und Man Ray die Klinke in die Hand. Die Gastgeberinnen, die Stettheimer Sisters Carrie, Ettie und Florine, hatten das Ideal der New Woman mit der Muttermilch eingesogen, Männer waren im Grunde überflüssig, eigneten sich aber vortrefflich zum Flirten. Während Ettie die Konversation bestritt, sorgte Carrie für das Wohl der Gäste. Und das Nesthäkchen der Familie, Florine, erwies sich als kapriziöse Person und talentierte Malerin. Geboren zwischen 1869 und 1877, wuchsen die Mädchen wohlbehütet von Mutter Rosetta in Rochester im Staat New York auf. Diese hatte einige Jahre nach der Geburt der Töchter ihren Gatten Joseph, einen reichen Bankier, aus dem Haus getrieben, sein Vermögen jedoch behalten. Sie lebten immer wieder auch in Europa, wo Ettie in Freiburg im Breisgau 1903 als eine der ersten Frauen einen Doktorgrad erhielt. Noch heute zeugt ein Kunstobjekt vom Ruhm des Stettheimer-Salons und seiner Besucher: Ein von Carrie in über 25 Jahren liebevoll gestaltetes Puppenhaus befindet sich heute im Museum of the City of New York. Es bezaubert mit diversen Miniaturbildern und winzigen Statuen, welche die Künstlerfreunde extra für das Stettheimer Doll House fertigten. In ihrer Romanbiografie weiß Ursula Voß überaus spannend und abwechslungsreich vom Leben in diesem 'Puppenheim' zu berichten.
Autorenporträt
Voß, UrsulaUrsaula Voß. geboren in Berlin, wohnhaft in Köln, studierte Romanistik und Anglistik, bevor sie Gymnasiallehrerin wurde. Sie ist Gründungsmitglied der Marcel Proust Gesellschaft und hat bereits mehrere biografische Bücher u. a. zu Marcel Proust sowie über Balthus und Rilke veröffentlicht.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wenn das Publikum demnächst die Malerin Florine Stettheimer wiederentdecken sollte, ist Anne Kohlick mit dieser ersten deutschsprachigen Monografie über Leben und Werk Stettheimers von Ursula Voß gut vorbereitet. Was die Vorläuferin der Pop Art und ihre gleichfalls begabten und schillernden Schwestern im New York der Jahrhundertwende alles anstellen, wen sie treffen, das kann Kohlick ausgiebig bei Voß nachlesen. Dem exzessiven Namedropping im Buch wird die Rezensentin allerdings schnell überdrüssig, die Nebenfiguren von Marcel Duchamp bis Alfred Stieglitz nehmen für ihr Empfinden zu viel Platz ein, ebenso wie die vielen, von der Autorin eingesetzten Zeitsprünge.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2014

Florine und ihre Schwestern

Wo Marcel Duchamp ein und aus ging: Ursula Voß schildert das Leben der drei Geschwister Stettheimer, deren New Yorker Salon in den zwanziger Jahren Treffpunkt der Avantgarde war.

Andy Warhol ist begeistert. Diese Farben, diese Figuren! Es sind Gemälde von Florine Stettheimer, die den Künstler 1963 bei einem Besuch der Durlacher Brothers Gallery in New York so beeindrucken. Stettheimer sei brillant, schreibt Warhol. Er glaubt gar, in der Malerin eine Vorläuferin seiner Pop Art zu erkennen. Doch wer ist diese Frau, von deren Werken Warhol fasziniert ist?

Florine Stettheimer wird 1871 in Rochester im Bundesstaat New York geboren. Sie entstammt einer wohlhabenden deutsch-jüdischen Familie und wächst mit einer engen Bindung zu Mutter Rosetta und ihren Schwestern Caroline, geboren 1869, und Henrietta, Jahrgang 1875, auf. Einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend verbringt Florine in Europa. Stuttgart und die deutsche Hauptstadt sind Orte, die sie prägen: "In Berlin / Ging ich zur Schule / Ich malte / Ich lief Schlittschuh / Ich schwärmte für glänzende Uniformen", dichtet Florine.

Als die Familie nach Amerika zurückkehrt, immatrikuliert sich die inzwischen Einundzwanzigjährige an der Art Students League in New York. Ihre jüngere Schwester Henrietta studiert erst Psychologie an der Columbia University, später Philosophie in Freiburg. 1908 erlangt sie als eine der ersten Frauen an der süddeutschen Universität den Doktortitel mit einer Dissertation über den amerikanischen Philosophen und Psychologen William James.

Derweil bereist Florine mit Mutter und Schwestern den alten Kontinent: Florenz, München, Madrid. In Paris begeistern sie die traumähnlichen Szenen des Symbolisten Gustave Moreau, die Romane von Marcel Proust, die intensiven Farben der Ballets Russes. "Das ganze Kaleidoskop der Europa-Erfahrung mutierte in seiner Buntheit zu einer Art Konfettiregen, der über alle vier Stettheimer Ladys herniederging", schreibt Ursula Voß in "Die Puppen von New York" - der ersten deutschsprachigen Monographie, die sich dem Leben und Wirken von Florine Stettheimer und ihren Schwestern widmet.

Das Buch trumpft mit seinen kontrastreichen Charakteren auf: der introvertierten, dichtenden Malerin Florine, der extrovertierten, feministischen Romanautorin Henrietta und Caroline, "Organisatorin der Überseereisen" und Planerin des Haushalts, die Voß den "Engel der Familie" nennt. Alle drei Schwestern bleiben unverheiratet und leben bis zum Tod der Mutter 1935 zusammen. Ein außergewöhnlicher Lebensweg für ein Frauentrio der Jahrhundertwende. Noch interessanter wird die Geschichte der Stettheimer Sisters durch ihre Freundschaften mit Künstlern wie Marcel Duchamp, Alfred Stieglitz oder Edward Steichen - Verbindungen, die das Trio im New York der zehner und zwanziger Jahre knüpft.

Nach Amerika kehren die Schwestern und ihre Mutter 1914 zurück. Sie residieren an der 67. Straße West und öffnen ihren Salon befreundeten Künstlern und Intellektuellen - wie Marcel Duchamp, der im Weltkriegssommer 1915 mit dem Schiff nach New York kommt. Hier ist er kein Unbekannter: Auf der Armory Show hatte sein kubistisch-futuristisches Gemälde "Akt, eine Treppe herabsteigend" zwei Jahre zuvor für Aufsehen gesorgt. Duchamp beginnt einen "intellektuellen Flirt" mit der zwölf Jahre älteren Henrietta Stettheimer, ein Verhältnis, das Voß als "verbales Pas de deux einer Philosophin mit einem Dadaisten" beschreibt.

Liebevoll nennt Duchamp die Jüngste der Schwestern "Cherry Tree", eine Wortkreation aus dem französischen "Chère" und ihrem Spitznamen Ettie. Zu seinem Geburtstag veranstalten die drei 1917 "La Fête à Duchamp", ein Fest im Freien, das Florine in Violett- und Gelbtönen malt.

Duchamp ist nur eine von zahllosen Nebenfiguren, die bei Voß auftreten. Sie schildert in Abrissen, die oft über mehrere Seiten reichen, die Lebensgeschichten von mehr als dreißig Personen, darunter der Kunstkritiker Henry McBride, die Fotografen Alfred Stieglitz und Edward Steichen, die Malerin Georgia O'Keeffe, der Sammler Walter Conrad Arensberg und zu viele weitere. Natürlich macht die schiere Menge der kreativen und intellektuellen Köpfe, die den Salon der Stettheimers frequentierten, deutlich, wie wichtig die Schwestern im Netz der New Yorker Avantgarde waren - doch den Leser ermüdet das Geprassel all dieser Namen schnell. Die Seitenpfade lenken von den Protagonistinnen ab und führen zu verwirrenden Zeitsprüngen im Fluss der Erzählung.

Apropos Zeitsprünge: Auf vielen von Florines Gemälden sind zahlreiche kleine Figuren zu sehen, die in unterschiedliche Handlungen zu anscheinend unterschiedlichen Zeitpunkten eingebunden sind. Duchamp nannte diese Technik Stettheimers "multiplication virtuelle", sie erinnert an Simultandarstellungen des späten Mittelalters. Theorien von Henri Bergson und Prousts Roman "À la recherche du temps perdu" könnten Florine zu diesem Stilmittel inspiriert haben, vermutet Voß.

Die Künstlerin verfeinert ihre "multiplication virtuelle" ein Leben lang. Auf dem Höhepunkt sehen wir sie in der Reihe der vier monumentalen "Cathedrals", die Florine zwischen 1929 und 1942 malt: Symbolisch überhöht porträtieren die Bilder den Broadway, die Fifth Avenue, die Wall Street und die Kunstinstitutionen New Yorks. Auffällig ist, wie prominent Florine in diesen Hauptwerken, die heute das Metropolitan Museum verwahrt, Schrift einsetzt. Auffällig plazierte Markennamen wie "Tiffany's" lassen an Warhols "Campbell Soup Cans" von 1962 denken.

Eine Vorläuferin der Pop Art ist Florine Stettheimer trotzdem nicht. Ihre lyrische, manchmal naiv anmutende Bildsprache lässt sich nicht in Schubladen stecken; sie will für sich gesehen werden. Dazu gibt das Lenbachhaus in München vom September an Gelegenheit: Dort wird die erste Ausstellung von Stettheimers Werk außerhalb Amerikas stattfinden. Vielleicht ist Florine Stettheimer - nach Hilma af Klint im vergangenen Jahr - die zweite Malerin des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, die ein großes Publikum nun wiederentdeckt.

ANNE KOHLICK.

Ursula Voß: "Die Puppen von New York". Der Salon der Familie Stettheimer.

Parthas Verlag, Berlin 2014. 288 S., Abb., geb., 24,80 [Euro].

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