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»Ich shoppe, also bin ich ...« - so fasst Zygmunt Bauman den Wandel unserer Gesellschaft zusammen, die sich von einer Gesellschaft der Produzenten in eine Gesellschaft der Konsumenten transformiert.
In dieser Verbrauchergesellschaft werden die Individuen selbst zur Ware, sie müssen sich auf dem Markt als Konsumgut bewerben und verkaufen. Sie sind zugleich Konsument, aber auch Handelsartikel und Vermarkter, Ware und Verkäufer.
In einer solchen Gesellschaft sind Arme keine (potentiellen) Arbeitskräfte oder Objekte des Sozialstaates, sondern gescheiterte Verbraucher, nicht brauchbare Güter.
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Produktbeschreibung
»Ich shoppe, also bin ich ...« - so fasst Zygmunt Bauman den Wandel unserer Gesellschaft zusammen, die sich von einer Gesellschaft der Produzenten in eine Gesellschaft der Konsumenten transformiert.

In dieser Verbrauchergesellschaft werden die Individuen selbst zur Ware, sie müssen sich auf dem Markt als Konsumgut bewerben und verkaufen. Sie sind zugleich Konsument, aber auch Handelsartikel und Vermarkter, Ware und Verkäufer.

In einer solchen Gesellschaft sind Arme keine (potentiellen) Arbeitskräfte oder Objekte des Sozialstaates, sondern gescheiterte Verbraucher, nicht brauchbare Güter. Völlig nutzlos, werden sie als menschlicher »Abfall« angesehen, für den - im Zeichen der Deregulierung - niemand Verantwortung zu übernehmen hat.
Autorenporträt
Zygmunt Bauman (1925-2017) war von 1972 bis 1990 Professor für Soziologie an der Universität Leeds.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2009

Wie entgeht man der Melancholie des Einkaufs?
Konsumentenliteratur: Eva Tenzer geht im Hirnscanner shoppen, Zygmunt Bauman mahnt Preisbewusstsein an

Wer Konsum für eine Banalität hält, kennt die Bibel nicht. Hier beginnt die Menschheitsgeschichte mit dem Verzehr eines knackigen Apfels, der sehr überzeugend beworben wird. Die Warenpalette hat sich seitdem vergrößert, das Mysterium der Wahlfreiheit aber ist immer noch ungelöst. Sollen wir die neue Milch aus dem Supermarkt ausprobieren? Warum kaufen wir den karierten Wintermantel und nicht den schwarzen, obwohl uns beide gefallen? Und weshalb zweifeln wir an dieser Entscheidung, sobald wir zu Hause das Preisschild abschneiden?

Es gäbe reichlich Stoff für eine existentialistische Einkaufsfibel, man könnte von Begehren und Ekel erzählen, von Schuld und Stolz. Das ist aber nicht die Absicht von Eva Tenzers Buch "Go Shopping! Warum wir es nicht lassen können". Schon der Titel deutet an, dass in Tenzers Einkaufsparadies nicht die Freiheit, sondern die Triebe regieren. Das Buch beginnt mit einer Verkaufsfahrt zu einem Wasserschloss, wo sich die Autorin einen Strohhut, eine Terracotta-Skulptur und eine Rosenseife aufschwatzen lässt - nur um danach festzustellen: "Mir geht es bei diesen Anlässen wie Frauen, die ungewollt schwanger werden." Zum Glück werden so leicht nicht einmal amerikanische Teenager schwanger.

Ihre Leser behandelt die Wissenschaftsjournalistin Eva Tenzer wie eine Gemeinschaft kleiner Sünder, die sie auf frischer Tat ertappt, um ihnen dann verschwörerisch zuzuzwinkern: "Kaufen Sie manchmal mehr, als Sie brauchen oder sich leisten können? Kommen Sie an Rabatten, exklusiven Angeboten oder brandneuen Innovationen nicht vorbei, ohne dass Ihre Hand nach dem Geldbeutel tastet?" Das klingt so furchtbar und trostlos, dass man "Doch!" rufen möchte - allein schon deshalb, weil die Vorstellung, man würde beim Anblick eines Rabattschilds nach dem Portemonnaie tasten, so unglaublich falsch und klischeehaft ist.

Es sind die berüchtigten Kaufreflexe, für die sich Tenzer interessiert - und als Zeugen ruft sie zur Abwechselung einmal die Hirnforscher auf. "Sie fanden zum Beispiel heraus, dass unsere Neuronen frohlocken, sobald wir einen flotten Sportwagen zu Gesicht bekommen." Wenn irgendwelche Männer in weißen Kitteln so etwas jemals als Erkenntnis verkauft haben, dann gehören sie auf den Mond geschossen: Ja, sollen "unsere Neuronen" beim Anblick eines glänzenden Ferraris vielleicht "Trübsal blasen"?

Dass Menschen beim Einkaufen Lust empfinden, ist eine Banalität, die nichts erklärt - und die dadurch nicht interessanter wird, dass man sie in Hirnwasser einlegt. Das "Belohnungszentrum" im Gehirn schüttet Glückshormone aus, wenn wir etwas Hübsches, Leckeres genießen? Ach was! Das "Kontrollzentrum" im Hirn ärgert sich, wenn wir danach den Kontostand angucken? Ist ja irre! Man könnte auch sagen: Menschen freuen sich über Gewinne, Verluste mögen sie nicht. Aber das "Neuro-Marketing" schiebt offenbar Menschen in den Hirnscanner, um solche Lächerlichkeiten ans Licht zu bringen.

Niemand bezweifelt, dass beim Konsumieren uralte Instinkte am Werk sind - aber sie sind überformt durch Kultur, genau wie der Sexualtrieb in kulturelle Bahnen umgelenkt wird, damit nicht pausenlos ungewollte Schwangerschaften entstehen. In "Go Shopping!" erfährt man so gut wie nichts über das soziale Bedeutungsgewebe, in das man sich mit jedem neuen Kleidungsstück einhüllt - aber das liegt wohl daran, dass dieses feine Gewebe in den Scannern der Hirnforscher unsichtbar bleibt.

Eigentlich ist die Lektüre von "Go Shopping!" genau die richtige Vorbereitung für Zygmunt Baumans Essay "Leben als Konsum". Denn würde man nicht gerade aus der dummen, bunten Welt der Babybilder und Rabattschilder kommen, dann erschiene einem das Werk des polnisch-britischen Philosophen wohl doch allzu düster, pessimistisch, mahnerisch. Bauman, ein Veteran der linken Theorie, interessiert sich nicht für Neuronennetze, sondern für Beziehungsgeflechte - und die lösen sich seiner Meinung nach im Zeitalter der "flüssigen Moderne" auf.

Sein Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass Menschen sich in den sozialen Netzwerken des Internet selbst wie Produkte anpreisen: Man will die "begehrte Ware" sein und eben keine Massenware. Bauman stellt diese Diagnose aus ziemlicher Entfernung und bezieht sein Wissen über die Internetkultur offenbar nur aus "Guardian"-Artikeln, aber der Gedanke enthält einen wahren Kern. Die kleinen Ladenmädchen, von denen Siegfried Kracauer einst geschrieben hat, gehen eben nicht mehr ins Kino - sie denken sich abends lieber Status-Updates für ihre Facebook-Seiten aus.

"Was wir für die Materialisierung der inneren Wahrheit des Selbst halten", so lehrt uns Bauman, "ist in Wahrheit eine Idealisierung der materiellen Spuren von Konsumentscheidungen." Und hier will man schon wieder Einspruch erheben. Niemand ist so naiv, zu glauben, dass sich in Internetgemeinschaften das Subjekt offenbart. Genauso antiquiert ist aber die Annahme, im Digitalen würden sich nur flüchtige "Karnevalsidentitäten" tummeln. Und wir kaufen auch nicht deshalb bei Amazon ein, weil wir Angst haben, im realen Buchladen durch einen "kurz aufflackernden, aber vielsagenden Ausdruck des Begehrens" unsere innersten Geheimnisse zu verraten. Das ist verquaste Psycho-Romantik für Oberseminare oder Chabrol-Filme.

Auf sicherem Gelände bewegt sich Bauman da, wo er die klassische Warenwelt und ihre sozialen Gesetze beobachtet - etwa die ewige Umwertung aller Werte durch die Mode: "Das Beige des Make-ups, letzte Saison noch ein Zeichen von Kühnheit, ist jetzt nicht nur eine unmoderne Farbe, sondern eine langweilige und hässliche und darüber hinaus ein peinliches Stigma." Genau diesen Mechanismus hat allerdings Baudelaire schon 1863 in "Der Maler des modernen Lebens" beschrieben. Und den laut Bauman von der Warenwelt ausgeübten "permanenten Druck, jemand anderes zu sein", stellte Günther Anders schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner "Antiquiertheit des Menschen" fest. All diese Symptome taugen nicht als Kennzeichen einer neuen, besonders entfremdeten Epoche, der Bauman das Label des "Konsumismus" aufkleben will.

Melancholie, bemerkt Zygmunt Bauman an einer der besten Stellen seines Essays, ist die Grundstimmung des Konsumenten: Beim Einkaufen unterliegt der Mensch der ständigen Pflicht, sich zu entscheiden, selbst wenn sich die Waren kaum unterscheiden. Das ist das Hamlet-Drama des Einkaufens, und es sucht sich immer neue Requisiten. Zu entkommen ist diesem Drama in einer freien Welt nicht.

ANDREAS ROSENFELDER

Eva Tenzer: "Go Shopping!" Warum wir es einfach nicht lassen können. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. 300 S., geb., 19,95 [Euro].

Zygmunt Bauman: "Leben als Konsum". Aus dem Englischen von Richard Barth. Hamburger Edition, Hamburg 2009. 203 S., br., 15,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Andreas Rosenfelder scheint Zygmunt Bauman, diesen "Veteran der linken Theorie" eigentlich ganz gern zu mögen, auch wenn er es für ziemlichen Quatsch hält, was er so alles in diesem Buch über die Warenwelt, das Internet, soziale Netzwerke und e-Commerce schreibt. Wir bestellen bei Amazon, weil wir fürchten, in einer realen Buchhandlung unser Begehren preiszugeben? Das, lästert Rosenfelder, ist "Psycho-Romantik für Oberseminare oder Chabrol-Filme". Aber tatsächlich trifft Bauman einen wahren Kern, meint der Rezensent: Nämlich wenn er beschreibt, dass soziale Netzwerke alles andere als soziale Netzwerke sind. Sie sind Märkte, in denen man sich selbst als exklusive Ware anpreist, obwohl man doch Masse ist.

© Perlentaucher Medien GmbH