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Aus der Asche seiner imperialen Entwürfe steigt Russland wieder auf zur Großmacht mit globalem Anspruch. Wird es Mitspieler oder Gegenspieler des Westens? Noch ist die Chance nicht vertan, die Gefahren der Gegenwart und die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. Putin hat den Hof an Medwedew übergeben - aber der Meister wird dem Nachfolger noch lange über die Schulter schauen und in der Welt ein Wort mitsprechen.

Produktbeschreibung
Aus der Asche seiner imperialen Entwürfe steigt Russland wieder auf zur Großmacht mit globalem Anspruch. Wird es Mitspieler oder Gegenspieler des Westens? Noch ist die Chance nicht vertan, die Gefahren der Gegenwart und die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. Putin hat den Hof an Medwedew übergeben - aber der Meister wird dem Nachfolger noch lange über die Schulter schauen und in der Welt ein Wort mitsprechen.
Autorenporträt
Michael Stürmer ist Professor für Mittlere und Moderne Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg und hat diverse Bücher, u. a. "Das ruhelose Reich (Siedler Verlag)", geschrieben. Er ist u. a. Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung und der Financial Times.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2009

Alles eine Frage der roten Linien
Moskaus Verhalten gegenüber dem Westen

Zum ersten Mal seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion haben russische Truppen im August 2008 eine international anerkannte Grenze überschritten und die Republik Georgien militärisch zum wohl endgültigen Verzicht auf ihre beiden abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien gezwungen. Mit seinem Vorgehen im Transkaukasus verfolgte Moskau allerdings noch eine andere Absicht: den Bemühungen vor allem der Amerikaner um eine weitere Ausdehnung der Nato in Richtung Osten einen Riegel vorzuschieben - einen Stopp zur Abgrenzung dessen zu signalisieren, was Russland in mittlerweile wieder imperialer Manier als "Region privilegierten Interesses" für sich in Anspruch nimmt.

Michael Stürmer geht noch einen Schritt weiter. Für ihn war und ist das, was am Schwarzen Meer geschah, "die gefährlichste Krise seit Berlin und Kuba vor bald einem halben Jahrhundert". Der Fünftagekrieg im Kaukasus sei nicht als periphere Episode abzutun; er habe den "Blick in Abgründe" gelenkt. Amerikaner und Russen sprächen "heute" nicht mehr dieselbe Sprache, teilten nicht dieselben Ängste, folgten nicht denselben Sternen. Wann sie das jemals getan hätten, lässt der Autor in seiner alarmistisch anmutenden Lagebeschreibung indes offen. Ob seine These noch gilt, nach der Amerika weiterhin für "demokratische Weltmission" steht, bleibt ebenfalls abzuwarten. Keine Frage aber ist es, dass Russland, als Großmacht "von den Knien aufstehend", ebenso wie Amerika rote Linien respektiert sehen will.

Stürmer zeigt ein gewisses Verständnis für Moskaus zunehmend auftrumpfendes Verhalten gegenüber dem Westen im Allgemeinen und den Vereinigten Staaten im Besonderen. Zur Begründung führt er unter anderem die Pläne zur Installation eines Raketenabwehrsystems in Polen und Tschechien an. Hier habe sich Washington nicht einmal um eine Meinungsbildung innerhalb der Nato bemüht, sondern das Vorhaben "bilateral mit Warschau und Prag an den übrigen Europäern und an den Russen vorbei" betrieben. Doch ob neuer Kalter Krieg oder nicht: das Kernland der untergegangenen Sowjetunion vergleiche sich nun einmal nicht mit China, Indien oder Europa, sondern eben mit Amerika. Und das sei "ein Ansatz, der Russland wie von selbst Supermachtstatus verleiht".

Dergleichen Interpretationen und Prognosen über den Gang der Dinge in und um Russland finden in diesem Buch einen wahrlich vielfältigen Niederschlag. Wovon der Leser aber mindestens ebenso, wenn nicht mehr zu profitieren vermag, ist die faktenreiche Zustandsbeschreibung der russischen Streitkräfte, die weit davon entfernt seien, den Anspruch Moskaus auf Weltgeltung mit militärischen Fähigkeiten zu untermauern - ferner die Kapitel über den vom Kreml politisch wie strategisch gesteuerten Energiemonopolisten Gasprom, über das wachsende Gewicht des islamischen Bevölkerungsanteils in der Russländischen Föderation, über deren demographische Zukunft schlechthin. Und es ist Letztere, die sich aus Moskauer Sicht nachgerade beklemmend ausnimmt. Die Zahl der Russen sinkt Jahr für Jahr und wird sich nach Schätzungen der Vereinten Nationen von gegenwärtig 142 Millionen bis Mitte dieses Jahrhunderts auf 113 Millionen verringern. Die zunehmende Menschenleere bekommen vor allem Sibirien und der Ferne Osten zu spüren. Was sich da an Konflikten anbahnen könnte, fasst der Autor in dem Satz zusammen: "Alle Menschen und keine Bodenschätze auf chinesischer Seite, alle Bodenschätze und keine Menschen auf der russischen." Die Zahl der Chinesen, die schon jetzt auf der russischen Seite der Grenze entweder zeitweilig oder bereits dauerhaft siedeln, ist schwer zu ermitteln. Sie geht freilich längst in die Millionen.

Besonders engagiert widmet sich Stürmer dem Mann, der seit dem Jahr 2000 in Russland den Ton angibt. Zwar bleibt nicht unerwähnt, dass es der sowjetische Geheimdienst war, der Wladimir Putins Psyche und Persönlichkeit prägte ("ein Charakter indelebilis wie das Priestertum der katholischen Kirche"). Ergänzend merkt der Autor freilich an, mit dem besagten Herrscher zu sprechen, sei auch aus anderen Gründen eine besondere Erfahrung. "Er ruht in solchen Gesprächen in sich selbst, ist aber gleichzeitig vibrierend vor Energie und Zukunftsplänen." Und was seine äußere Erscheinung angehe, so würde diese "in der Londoner City als ,casual elegance'" klassifiziert. Dass Putin mit westlicher Demokratie wenig im Sinn hat, stellt auch Stürmer nicht in Frage. Stattdessen erfährt der Leser, zu welchen Höhenflügen sich auch ein Historiker gelegentlich hinreißen lassen kann: "Putins politische Philosophie verbindet seine russische Erfahrung und sein deutsches Weltbild, die Essenz des russischen Schriftstellers Dostojewski und des deutschen Philosophen Hegel. Der starke Staat wird gebraucht, um die Gesellschaft vor ihren Dämonen zu bewahren." So fühlt sich Putin, mit Blick auf welche Dämonen auch immer, an den Schalthebeln der Macht weiterhin vonnöten. In der Frage, ob und wie lange das zwischen ihm und seinem Präsidentennachfolger, dem "Adoptivzaren" Dmitrij Medwedjew, einigermaßen klappen kann, übt sich Stürmer in weiser Zurückhaltung.

WERNER ADAM

Michael Stürmer: Russland. Das Land, das aus der Kälte kommt. Murmann-Verlag, Hamburg 2008. 376 S., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Von dieser Lektüre hat Werner Adam gleich in mehrfacher Hinsicht profitiert. Den "alarmistischen" Ausführungen des Autors zum Verhältnis zwischen Russland und Georgien steht er zwar skeptisch gegenüber, ebenso dem Verständnis, das Michael Stürmer Moskaus auftrumpfendem Verhalten dem Westen gegenüber entgegenbringt. Letztlich jedoch empfindet Adam die Interpretationen und Prognosen des Autors ebenso aufschlussreich wie die im Band enthaltenen Kapitel über die russischen Streitkräfte, den Energieriesen Gasprom oder die demografische Lage in Putinland. Apropos: Die dem Leser mitgeteilten Begegnungen des Autors mit dem Herrscher stuft Adam als bemerkenswerte Höhenflüge des Historikers Stürmer ein.

© Perlentaucher Medien GmbH