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Das (Groß-)Berlin-Gesetz von 1920 schuf die Rahmenbedingungen auch für eine neue Wohnungspolitik. Sie führte zur Verbesserung der Wohnverhältnisse breiter Schichten. Erst mit (Groß-)Berlin war eine einheitliche kommunale Planung und ein öffentlich kontrollierter Wohnungsbau möglich, der in der Weimarer Republik, in der NS-Zeit und in den Jahrzehnten der Spaltung der Stadt unterschiedliche Formen annahm. Vor dem Hintergrund wachsender Bevölkerungszahlen und steigender Mieten stellt sich heute erneut die Frage nach einer neuen Wohnungspolitik in Berlin und darüber hinaus für die gesamte…mehr

Produktbeschreibung
Das (Groß-)Berlin-Gesetz von 1920 schuf die Rahmenbedingungen auch für eine neue Wohnungspolitik. Sie führte zur Verbesserung der Wohnverhältnisse breiter Schichten. Erst mit (Groß-)Berlin war eine einheitliche kommunale Planung und ein öffentlich kontrollierter Wohnungsbau möglich, der in der Weimarer Republik, in der NS-Zeit und in den Jahrzehnten der Spaltung der Stadt unterschiedliche Formen annahm. Vor dem Hintergrund wachsender Bevölkerungszahlen und steigender Mieten stellt sich heute erneut die Frage nach einer neuen Wohnungspolitik in Berlin und darüber hinaus für die gesamte Hauptstadtregion. Historische und aktuelle Beiträge dazu werden um Erfahrungen aus Paris, Moskau und London bereichert.Mit Texten von Denis Bocquet, Harald Bodenschatz, Klaus Brake, Ephraim Gothe, Maren Harnack, Andrej Holm, Maren Kern, Celina Kress, Christina Lindemann, Katrin Lompscher, Sarah Oßwald, Philipp Meuser, Cordelia Polinna und Jo Sollich.
Autorenporträt
Harald Bodenschatz, Jg. 1946 in München, studierte Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie und Volkswirtschaftslehre an der LMU München und der FU Berlin, zahlreiche Veröffentlichungen zur Stadterneuerung, zum postmodernen Stadtumbau, zum suburbanen Städtebau sowie zur Stadtplanungs- und Stadtbaugeschichte. Stadtplaner und Professor für Planungs- und Architektursoziologie an der TU Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.10.2017

Steuerfrei
in Frohnau
100 Jahre Groß-Berlin und die
ungelöste Wohnungsfrage
Am 1. Oktober 1920 wurde Berlin wie mit einem Zauberschlag die flächenmäßig größte Stadt Europas und, gemessen an der Einwohnerzahl, die drittgrößte Stadt der Welt.
Der Zauberschlag war das Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde, das die preußische Landesversammlung im April mit knapper Mehrheit beschlossen hatte. Es vereinigte 59 Landgemeinden, 27 Gutsbezirke, Städte wie Charlottenburg, Lichtenberg, Schöneberg und andere, auch die Stadtgemeinde Cöpenick zu einer neuen Einheitsgemeinde, zu Groß-Berlin. Auf diesen Namen verzichtete man, um die verbreitete Angst vor dem Moloch nicht noch zusätzlich zu schüren.
Für Groß-Berlin war im Kaiserreich schon geworben worden. So konnten 1910 die Ergebnisse eines Wettbewerbs zur städtebaulichen Gestaltung der Großstadtregion besichtigt werden. 1912 wurde der „Zweckverband Groß-Berlin“ gegründet, um Baupläne, Grünflächenpolitik und die Verkehrsentwicklung abzustimmen. Aber alle Pläne für eine Einheitsgemeinde stießen auf zähen Widerstand. In den reichen Vororten fürchtete man sich vor den Berliner Arbeiterquartieren samt der starken Sozialdemokratie. Und die Gartenstadt Frohnau warb selbstbewusst als „die steuerfreie Stadt“ um Besserverdienende.
1920 gewann die Stadt kommunalpolitisch neue Handlungsmacht. Der Rahmen war geschaffen für die Wohnungsbaupolitik der Zwanzigerjahre und für vernünftige Planungen der Entwicklung einer Großstadtregion. Diesem Zusammenhang widmet die Hermann-Henselmann-Stiftung bis zum Jubiläum 2020 ihre jährlichen Kolloquien. Die Ergebnisse des ersten Gesprächs zwischen Historikern, Stadtplanern, Politikern sind nun in einem materialreichen Band versammelt. Er bietet eine kritische Revue des städtischen Wohnungsbaus von 1920 bis in die Gegenwart. Die meist thesenstarken und empiriegesättigten Beiträge üben das, was in Krisen der Berliner Stadtentwicklung oft geholfen hat: historisch informiertes Nachdenken.
Der Urbanist Klaus Brake etwa skizziert, wie die Wanderung der Industrie an den Rand und die Entwicklung des Schienenverkehrs in der Region den städtischen Raum zwischen 1860 und 1910 neu prägten. Was in diesen Jahren überwiegend wildwüchsig, im Zusammenspiel von Unternehmertum, Terraingesellschaften und kleinteiligen, zersplitterten Kommunen, entstand, bestimmt die Entwicklung bis heute. Rein äußerlich, schließt Brake, grenze Berlin einen Siedlungskörper ein, der schon einmal etwa 4,5 Millionen Menschen beheimatete. Es wird trotz der gegenwärtigen Zuwachsraten dauern, bis es wieder so viele sind. Eine Chance also, vernünftige Raumstrukturen zu entwickeln.
Glaubt man dem Stadtplaner Harald Bodenschatz, dann wurden im Wettbewerb Groß-Berlin (1908-1910) bis heute entscheidende Probleme formuliert: Wohnungsfrage, Verkehrsfrage, Rationalisierung der Stadttechnik, Grünfrage und die Repräsentation der Gesamtregion im neu gestalteten Stadtzentrum. Um diesen Problemen beizukommen, braucht es eine Vorstellung vom Ganzen der Region, ein anderes Verhältnis zwischen Bezirken und Stadt und Zusammenarbeit mit Brandenburg. 1920 wurde das unter weniger komfortablen Bedingungen unternommen.
JENS BISKY
Harald Bodenschatz, Klaus Brake (Hrsg.): 100 Jahre Groß-Berlin. Wohnungsfrage und Stadtentwicklung. Lukas Verlag, Berlin 2017. 224 S., 28 Euro.
In Groß-Berlin lebten schon mal
etwa 4,5 Millionen Menschen
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wenn man Rezensent Jens Bisky recht versteht und dieser die zahlreichen Autoren im Sammelband "100 Jahre Groß-Berlin" recht versteht, sollte sich die Berliner Landesregierung von heute ein Beispiel an jener der 20er Jahre nehmen. Schon damals setzte sich der Senat im Rahmen der Gründung der "Stadtgemeinde Groß-Berlin" mit Problemen wie der Wohnungsfrage auseinander, die heute wieder aktuell sind und damals unter sehr viel schlechteren Bedingungen wenigstens zum Teil gelöst wurden, was die früheren Einwohnerzahlen von 4,5 Millionen beweisen. Es ist, so der interessierte und engagierte Rezensent, eine "kritische Revue" des Wohnungsbaus in Berlin seit den 20ern und es ist ein Aufruf, sich endlich lösungsorientiert mit drängenden Problemen zu befassen.

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