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Jamaica Kincaids erster Garten in Vermont war ein Rechteck inmitten des Rasens vor ihrem Haus. Dort pflanzte sie, unter den konsternierten Blicken ihrer erfahreneren Nachbarn, alles was sie mochte, alles was ihr gefiel. In diesem Buch versammelt sie, was sie am Gärtnern mag und was sie weniger mag und geht ihren Leidenschaften und Vorlieben, den Quellen ihrer Inspiration auf den Grund: Samenkatalogen, legendären Gärtnern wie Gertrude Jekyll, berühmten Gärten wie der Monets in Giverny und der von Vita Sackville-West in Sissinghurst. Außerdem überprüft sie, was die Vorstellung eines Gartens auf…mehr

Produktbeschreibung
Jamaica Kincaids erster Garten in Vermont war ein Rechteck inmitten des Rasens vor ihrem Haus. Dort pflanzte sie, unter den konsternierten Blicken ihrer erfahreneren Nachbarn, alles was sie mochte, alles was ihr gefiel. In diesem Buch versammelt sie, was sie am Gärtnern mag und was sie weniger mag und geht ihren Leidenschaften und Vorlieben, den Quellen ihrer Inspiration auf den Grund: Samenkatalogen, legendären Gärtnern wie Gertrude Jekyll, berühmten Gärten wie der Monets in Giverny und der von Vita Sackville-West in Sissinghurst. Außerdem überprüft sie, was die Vorstellung eines Gartens auf Antigua ausmacht, fragt, welche Rolle der formale englische Garten in kolonisierten Ländern spielt und besucht historische Gärten auf der britischen Insel. Dieses Buch ist ein sehr persönliches, mit leichter Hand geschriebenes, genau beobachtetes Buch über den Garten, über die darin wachsenden Pflanzen und die Gärtner, die sich ihrer annehmen.
Autorenporträt
Jamaica Kincaid wurde 1949 auf der Karibikinsel Antigua geboren. Mit sechzehn Jahren wanderte sie in die USA aus, wo sie zunächst als Au-pair-Mädchen arbeitete. Kincaid hat mehrere Prosabände und Romane veröffentlicht. Ihre Werke wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Sie unterrichtet Literatur am kalifornischen Claremont McKenna College und an der Harvard University.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.12.2020

Dahlien für die Macht
Als Gesellschaftsbeobachterin ist sie so hinreißend, wie sie scharf werden kann, wenn es um die
europäischen Eroberer geht: Eine Einladung, endlich alles von Jamaica Kincaid zu lesen
VON JOHANNA ADORJÁN
In den Siebzigerjahren war die Schriftstellerin Jamaica Kincaid mal auf einer schicken New Yorker Gesellschaft, bei der auch Jacqueline Onassis war. Die beiden kamen ins Gespräch. Bald darauf begegneten sie sich auf einer anderen Veranstaltung wieder. Jemand stellte die beiden einander vor. Jacqueline Onassis begrüßte Kincaid höflich und ohne das geringste Zeichen der Erinnerung. „Wir kennen uns schon“, sagte Jamaica Kincaid zu ihr und ließ sie stehen.
Diese Anekdote erzählt der Schriftsteller Ian Frazier im Vorwort zu Kincaids Kolumnensammlung „Talk Stories“ (2001). Er war dabei und klingt immer noch schwer beeindruckt von dieser Chuzpe. Jamaica Kincaid muss im New York der Siebziger eine Erscheinung gewesen sein: Eine große schwarze Frau mit raspelkurzen, weißblond gefärbten Haaren, die sich die Augenbrauen abrasiert und mit Goldstift wieder hingemalt hatte und ausschließlich Vintage-Kleidung trug, und zwar nur aus den Jahren 1925 bis 1945. Irgendwann war sie kurz Backgroundsängerin in der Band von Andy Warhols Transgender-Superstar Holly Woodlawn, (die Holly aus Lou Reeds Song „Walk on the Wild Side“). Im Internet gibt es ein paar Fotos von ihr aus dieser Zeit – Kincaid sieht aus wie eine Mischung aus britischem Dandy, Grace Jones und Mädcheninternat.
Die Schriftstellerin Jamaica Kincaid ist hierzulande immer noch ein Geheimtipp, aber das könnte sich ändern, denn der Kampa-Verlag legt kommendes Jahr einige Bücher von ihr in deutscher Übersetzung wieder auf. Im Moment gibt es davon erst drei E-Books. Sie ist keine Vielschreiberin – insgesamt gibt es von ihr fünf Romane und noch mal so viele Non-Fiction-Bücher, darunter eines über einen ihrer Brüder (der schon gestorben ist) und eines über ihren Garten, den zu bestellen ihr so etwas wie ein Zweitberuf geworden ist. Beim Schreiben denke sie an ihren Garten, hat sie in einem Interview gesagt, und beim Gärtnern ans Schreiben. Und hin und wieder verbindet sie beides und schreibt über ihren Garten.
Geboren wurde Jamaica Kincaid 1949 auf Antigua in der Karibik, der Hauptinsel des Staates Antigua und Barbuda, der bis 1981 zum British Empire gehörte. Obwohl sie in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, legte ihre Mutter Wert auf Bildung. Mit drei hatte sie ihr Lesen beigebracht, mit vier wurde das Mädchen eingeschult (sie musste lügen und sagen, sie sei schon fünf). Mit zehn las sie „Jane Eyre“ von Charlotte Brontë und es war, wie sie sagt, um sie geschehen. Für sie stand fest: Sie würde Schriftstellerin werden.
Mit 16 verließ sie ihre Insel und ihre Familie, in der es noch drei Brüder gab und wenig Geld, und ging als Au-pair-Mädchen nach New York. Sie hasste die Rolle der Angestellten („Sklavin“ nennt sie es), kündigte und schlug sich mit Jobs durch, unter anderem modelte sie und war Rezeptionistin bei der Fotoagentur Magnum. Als sie bei der Zeitschrift Mademoiselle keinen Praktikumsplatz bekam, erklärte ihr jemand, dass man dort keine Schwarzen einstellte. „Ich verstand das gar nicht“, sagte sie in einem Interview: „Ich verstand Rassismus nicht, weil ich in einer schwarzen Gesellschaft aufwuchs und mir nicht in den Sinn kam, dass es überhaupt möglich sei, mich nicht zu mögen.“
Jamaica Kincaid wirkt sehr selbstsicher. Und sehr lustig. Man kann auf Youtube Interviews mit ihr sehen, in denen sie das Publikum zu brüllendem Gelächter hinreißt, als wäre sie eine Stand-up-Comedian. Sie spricht British English und lächelt nicht, wenn sie staubtrocken und wie im Vorbeigehen ihre Killerpointen setzt.
Ihre ersten Texte veröffentlichte sie im Teen-Magazin Ingenue. Zufällig lernte sie irgendwann einen Autor des New Yorker kennen, mit dem sie sich anfreundete, und der sie dann so oft in seinen „Talk of the Town“-Kolumnen zitierte, weil sie einfach dauernd irgendetwas wahnsinnig Komisches sagte, dass er sie schließlich dem damaligen Herausgeber William Shawn als Autorin vorschlug. So kam sie zum New Yorker.
Die Texte, die sie dort schrieb, zeichneten sich durch große Originalität aus. Ein Bericht über ein Pressefrühstück zu Ehren des Wirtschaftsnobelpreisträgers Milton Friedman etwa besteht bei ihr aus einer einzigen Auflistung der Kosten dieser Veranstaltung, angefangen mit ihrem U-Bahnticket bis hin zur Handtasche von Friedmans Gattin. Als sie einmal einen Radiosprecher fragen hört, ob man sich vorstellen könne, dass die Beatles noch mal zusammen auftreten, inspiriert sie das zu einem hinreißenden Freestyle-Text darüber, was sie sich noch alles so vorstellen kann (viel). Auf diese frühen Texte angesprochen, sagt sie heute, es sei gut, arrogant und eitel zu sein, wenn man jung ist. Nur dann sei es anziehend und verzeihlich. 1978 veröffentlichte der New Yorker dann ihre Kurzgeschichte „Girl“. In einem einzigen atemlosen Satz geschrieben, nur durch Kommata zusammengehalten, handelte sie in Dialogform von einer schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung.
Seither ist sie Schriftstellerin.
Ihre Romane handeln von Mädchen, die in ärmliche Verhältnisse in einem tropischen Land hineingeboren werden und sich hinauskämpfen – wie sie. Oder von Frauen, die Sachen erleben, von denen männliche Schriftsteller keine Ahnung haben (menstruieren, Kinder gebären, mit der Leidenschaft einer Frau einen Mann lieben ohne, wichtig, jemals unter ihm zu stehen). Ihre Heldinnen sind keine Opfer. Ihre Sprache ist fast mündlich direkt und bekommt durch Rhythmik und Repetitionen etwas Beschwörendes, eine fast biblische Kraft. Mit einfachen Worten erzielt sie die Wirkung eines Chorals. Es gibt übersinnliche Vorkommnisse, die Luft ist feucht, gegen Abend duftet es in ihren Texten süß nach den sich für die Nacht schließenden Blüten der Tropen.
In ihren nicht fiktiven Texten blitzen oft Gefühle durch, Belustigung, Wut. In ihrem Buch „A Small Place“ etwa (1988, deutsch: „Nur eine kleine Insel“) erzählt sie von der Insel, auf der sie geboren wurde. Die wurde 1493 von Christoph Kolumbus entdeckt, 150 Jahre später durch die Briten kolonialisiert. Sie ist nur 14 Kilometer breit und 20 lang. Kincaid beschreibt sie als wunderschön und verkommen, mit flammenden Sonnenuntergängen, dürren Kühen und viel Korruption. Als es um die europäischen Eroberer geht, wird ihr Tonfall scharf, wandelt sich in kalte Wut. Sie werde nie aufgeben, darüber nachzudenken, wie sie in die Welt kam, hat sie einmal gesagt, wie ihre Vorfahren als Sklaven von Afrika auf die Westindischen Inseln kamen. „Das könnte ich niemals vergessen. Oder vergeben.“
In „My Garden (Book)“ (1999, übersetzt als: „Mein Garten(Buch)“) nimmt sie den Leser mit in den Botanischen Garten ihrer Heimatstadt St. John, der größten Stadt der Insel. Anhand all der ausgefallenen Pflanzensorten, die es dort zu bestaunen gibt, erzählt sie die brutale Herrschermentalität des Kolonialsystems, in dem sie aufgewachsen, aus dem sie ausgebrochen ist. Die Dahlie etwa war ursprünglich in Mexiko, Guatemala, Kolumbien heimisch, sie hieß Acocoxochitl, war also nicht nur bekannt, sondern hatte auch einen Namen. Die Azteken erfreuten sich an ihrer Pracht. „Entdeckt“ wurde sie Ende des 16. Jahrhunderts von einem Spanier; ihr Name ehrt einen schwedischen Botaniker, Anders Dahl (1751-1789). Was Kincaid sieht, wenn sie eine Dahlie sieht, ist eine Geschichte von Unterdrückung und Macht.
Was sie am Gärtnern am meisten interessiert, ist die Kolonisationsgeschichte einer Pflanze: Wo stammt sie ursprünglich her? Wie hieß sie einmal?
Jamaica Kincaid lebt in Vermont. Sie hat zwei erwachsene Kinder. Ihr geschiedener Mann ist der Bruder des Schauspielers Wallace Shawn, den man aus „Dinner mit André“ von Louis Malle kennen könnte oder aus einigen Woody-Allen-Filmen. Sie ist Harvard-Professorin für African and African American Studies. Zuletzt erschien Ende August ein Text von ihr im New Yorker – er handelte vom Garten ihrer Mutter, die ihr das Lesen beibrachte. Von der Macht der Worte. Und vom Akt der Besitznahme, der geschieht, wenn man dem, was man vorfindet, einen neuen Namen gibt. Ihren eigenen Namen hat sie sich selbst gegeben, als sie ihre ersten Texte veröffentlichte, Anfang der Siebziger. Geboren wurde sie als Elaine Potter Richardson in der Gegend der Welt, die Christoph Kolumbus für West-Indien hielt. Aber sie wollte die Schriftstellerin Jamaica Kincaid sein. Sie ist es geworden. Eine Eroberung.
Jamaica Kincaid: Am Grunde des Flusses. Erzählungen. Aus dem Englischen von Sarah und Moritz Kirsch. Kampa, Zürich 2020. 144 Seiten, vorerst als E-Book, 11,99 Euro.
Mein Garten(Buch). Aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann. Kampa, Zürich 2020. 272 Seiten, vorerst als E-Book, 16,99 Euro.
Nur eine kleine Insel. Aus dem Englischen von Illona Lauscher. Kampa, Zürich 2020. 112 Seiten, vorerst als E-Book, 13,99 Euro.
„Ich verstand Rassismus nicht,
weil ich in einer schwarzen
Gesellschaft aufwuchs.“
Nur wenn man jung
ist, sagt sie, sei es
anziehend, eitel zu sein
Am meisten interessiert sie
die Kolonisationsgeschichte
der Pflanzen beim Gärtnern
Beim Schreiben denke sie an ihren Garten, sagt die Schriftstellerin Jamaica Kincaid, und beim Gärtnern ans Schreiben.
Foto: Rob Woolmington
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Stefan Rebenich konnte gar nichts anfangen mit Jamaica Kincaids "Mein Garten(Buch)". Seiner Kritik zu Folge ist das Werk weder Garten noch Buch, sondern vor allem Tirade - gegen den Imperialismus und die Versklavung des Geschlechtstriebs. Der Rezensent aktiviert müde satirische Reserven, um sein Missfallen auszudrücken, doch bietet ihm das Werk der amerikanischen Autorin offenbar zu geringen Widerstand - Rebenich winkt es einfach durch zur Ausfahrt in Richtung Nimmerwiedersehen und gähnt leise. "Wenig inspiriert" also findet er das Buch vom Garten, "wenig inspirierend" folgerichtig auch. Schon nach wenigen Seiten, verspricht Rebenich, stelle sich bei der Lektüre Langeweile ein. Gleichwohl hat er "kurzweilige Episoden" gefunden - am ehesten scheint das jene zu sein, bei der Kincaid sich bei einem Baum entschuldigt.

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