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Walter Cramer war der vielleicht engste Freund Carl Goerdelers in jener Zeit, als es den vormaligen Bürgermeister Leipzigs immer heftiger in eine Opposition zu Adolf Hitler und die durch ihn repräsentierte Politik trieb. Mitwisser an Attentats- und Umsturzplänen jener Männer wie Goerdeler zu sein, die sich 1944 aufmachten, noch im letzten Moment das Zeichen des "anderen Deutschlands" zu setzen, war riskant, im Wortsinn lebensbedrohlich. Wer sich diesen Männern zur Verfügung stellte, wagte damit nicht weniger als sein Leben zu verlieren. Walter Cramer, ohne politische Ambitionen und frei von…mehr

Produktbeschreibung
Walter Cramer war der vielleicht engste Freund Carl Goerdelers in jener Zeit, als es den vormaligen Bürgermeister Leipzigs immer heftiger in eine Opposition zu Adolf Hitler und die durch ihn repräsentierte Politik trieb. Mitwisser an Attentats- und Umsturzplänen jener Männer wie Goerdeler zu sein, die sich 1944 aufmachten, noch im letzten Moment das Zeichen des "anderen Deutschlands" zu setzen, war riskant, im Wortsinn lebensbedrohlich. Wer sich diesen Männern zur Verfügung stellte, wagte damit nicht weniger als sein Leben zu verlieren.
Walter Cramer, ohne politische Ambitionen und frei von jedweder Eitelkeit, vielmehr charakterlich untadlig und menschlich integer, zählte zu jenem kleinen Kreis, dem die Verschwörer vertrauten und den sie in ihren Plan eingeweiht hatten. Das Misslingen von Stauffenbergs mutiger Tat vom 20. Juli 1944 bedeutete auch für Walter Cramer das Verhängnis. Er wurde schon bald nach dem Attentat verhaftet und nach einem Prozess vor dem berüchtigten "Volksgerichtshof" im Spätherbst desselben Jahres hingerichtet.
Der hier angezeigte Band vereint in sorgfältiger Edition die überlieferten Dokumente jener dramatischen Monate von Cramers Inhaftierung. Sie belegen einen beklemmenden Haftalltag, den er penibel protokollierte. Überwölbt werden diese Briefe und Notizen gleichsam von dem Ringen eines ganz auf sich selbst zurückgeworfenen Menschen um die eigene Versicherung in dieser Situation. Ein ebenso kostbares wie bewegendes und hoch zu schätzendes Zeugnis eines mutigen Mannes legt dieses Buch ab; und noch immer steht Leipzig ihm gegenüber in tiefer Dankesschuld ...
Autorenporträt
Beatrix Heintze, die Enkelin des Leipziger Unternehmers und Widerstandskämpfers Walter Cramer, arbeitete von 1969 bis 2004 als Ethnologin und Historikerin am Frobenius-Institut in Frankfurt am Main und war dort Schriftleiterin und später auch Herausgeberin der Institutspublikationen. Ihre eigenen Forschungen, Quelleneditionen und zahlreichen anderen Veröffentlichungen konzentrieren sich auf die vorkoloniale Geschichte des Westlichen Zentralafrika. Außerdem publizierte sie drei Bücher über Walter Cramers Lebensweg und Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Sie ist Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften von Lissabon.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das von der Enkelin Beatrix Heintze edierte Buch über Leben und Sterben des Kaufmanns Walter Cramer hält Sebastian Weitkamp für lesenswert. Zwar hätte sich der Rezensent in der Einleitung zu Cramers Aufzeichnungen aus der Haft vom 18. Juli bis 14 November 1944 nähere Informationen zu Cramers Verbindung zum Widerstand des 20. Juli gewünscht, aufgrund deren Cramer schließlich hingerichtet wurde. Und auch eine stärkere Kontextualisierung mit den weiteren Dokumenten hätte ihm gefallen. Insgesamt jedoch überzeugen ihn der persönliche Ansatz und die Eindrücke Cramers aus Plötzensee als wichtige zeitgeschichtliche Dokumente.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2014

Tödliche Mitwisserschaft
Letzte Aufzeichnungen des Hitler-Gegners Walter Cramer

Am 15. November 1944 zeigte der Hilfsaufseher Paul Dürrhauer dem Standesamt Berlin-Charlottenburg den Tod des Kaufmanns Walter Cramer an, der einen Tag zuvor um 17.36 Uhr unter der Adresse Königsdamm 7 verstorben war. Was mit bürokratischer Nüchternheit vermerkt wurde, war nichts anderes als die vollstreckte Hinrichtung eines der Mitwisser um die Verschwörung des 20. Juli gegen Hitler. Und hinter der Adresse Königsdamm verbarg sich das Strafgefängnis Plötzensee, in dem zwischen 1933 und 1945 fast 3000 Menschen nach Unrechtsurteilen ermordet worden sind.

Walter Cramers letzte Aufzeichnungen vom 18. Juli bis 14. November 1944 hat dessen Enkelin Beatrix Heintze mit großer Akribie ediert. Bereits 1993 hatte sie eine Dokumentation zu ihrem Großvater herausgegeben. Der aktuellen Edition ist eine Einführung zum Leben von Walter Cramer vorangestellt, der im Jahr 1886 in eine Leipziger Textilunternehmerfamilie hineingeboren wurde. In der Folge machte er in der Branche Karriere. Ab 1923 war er Vorstandsmitglied der Kammgarnspinnerei Stöhr &Co.

Politisch war Cramers Leben nicht frei von Brüchen. Nach dem Ersten Weltkrieg war der ehemalige Artillerieoffizier von 1920 bis 1930 zunächst Mitglied der nationalistisch-antisemitischen DNVP. Anschließend geriet er jedoch zunehmend in Opposition zu den Deutschnationalen wie auch zu den Nationalsozialisten. Seine kritische Haltung war bekannt, und bereits im April 1944 erfolgte eine Denunziation wegen defätistischer Äußerungen.

Über den Freund und früheren Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler war Cramer schon 1942/43 in den äußeren Zirkel um die Verschwörung gegen Hitler gelangt und hatte sich schließlich für die Zeit nach dem Umsturz als Politischer Beauftragter für den Wehrkreis IV (Sachsen) zur Verfügung gestellt. Dies wurde nach dem gescheiterten Attentat bekannt und Cramer durch die Gestapo verhaftet. In der Einleitung hätte man sich nähere Informationen zu seiner Verbindung zum Widerstand des 20. Juli gewünscht, aber der entsprechende Abschnitt beträgt kaum fünf Seiten. Auch eine intensivere Kontextualisierung mit den folgenden Dokumenten wäre an dieser Stelle sinnvoll gewesen.

Diese hinterlassenen Aufzeichnungen sind ein eindrucksvolles Zeugnis. Zu Beginn der Haft besteht noch Hoffnung auf einen günstigen Ausgang des anstehenden Prozesses vor dem berüchtigten Volksgerichtshof. Cramer sammelte Informationen über seine Vernehmer und notierte Verhöre und Haftorte. Unter der Folter gab er die Namen von zwei Vorstandsmitgliedern preis, denen er von politischen Dingen erzählt haben will. Doch es gelang Cramer, den erzwungenen Verrat im späteren Prozess so abzuschwächen, dass beide freigesprochen wurden. Über sein Schicksal machte er sich nach dem Bekanntwerden der harten Spruchpraxis des Volksgerichtshofes keine Illusionen mehr. Am 23. Oktober 1944 notierte er "offenbar nur härteste Urteile" und begann mit den Vorbereitungen für den eigenen Todesfall. Cramer regelte seinen Nachlass und sicherte die Familie ab. Die Briefe, teilweise durch den Anstaltspfarrer in die Freiheit geschmuggelt, geben so einen sehr persönlichen Eindruck der letzten Wochen. Politisch-moralische Motive für seine Beteiligung an der Verschwörung finden sich weniger.

Die Anweisungen beinhalteten auch einen Epitaph für seinen Grabstein. Er wählte das Bibelzitat "Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässet für seine Freunde". Doch das Regime beseitigte die Asche von Walter Cramer anonym. Umso wichtiger ist heute das Wissen um sein Leben.

SEBASTIAN WEITKAMP

Beatrix Heintze: Walter Cramer - Die letzten Wochen. Gefängnisbriefe und -notizen an seine Familie nach dem 20. Juli 1944. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2013. 240 S., 29,- [Euro].

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