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Die Helden von Olivier Adams Geschichten sind 'Nighthawks', einsame Schwärmer, die alle eine Ahnung davon haben, dass es das Glück gibt, irgendwo, und dass sie nur die Hand danach ausstrecken und es festhalten müssen ...

Produktbeschreibung
Die Helden von Olivier Adams Geschichten sind 'Nighthawks', einsame Schwärmer, die alle eine Ahnung davon haben, dass es das Glück gibt, irgendwo, und dass sie nur die Hand danach ausstrecken und es festhalten müssen ...
Autorenporträt
Olivier Adam, geboren 1974 in einem Vorort von Paris, schreibt Romane und Kinderbücher. Sein Roman "Poids léger", die Geschichte eines Boxers, wurde von Jean-Pierre Améris verfilmt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2005

Der Winter ist nie vorüber
Eiseskälte und Seelenschlamm: Erzählungen von Olivier Adam

Am Ende von "Die Toten", der letzten "Dubliners"-Erzählung, läßt Joyce seinen Helden Gabriel aus dem Fenster blicken: Er sieht, wie der sanft fallende Schnee das nächtliche Land bedeckt. Wasser im festen Aggregatzustand wird zu einer Metapher der Versöhnung, es umfaßt Freude und Leid, verhüllt die triste Stadt, tröstet ihre Bewohner. Ganz anders Olivier Adam: "Am Ende des Winters" heißt sein kleiner Band von Erzählungen, aber wie schon das vorangestellte Motto klarstellt, "haben wir den Winter noch gar nicht hinter uns", ganz im Gegenteil. Seine Helden, allesamt Gestalten am Rande des Nervenzusammenbruchs, durchleben die stürmischsten, regnerischsten, eisigsten Momente ihres Lebens. Schnee meint schneidende Kälte, und wohl dem, der sich keine Erfrierungen holt.

Das zeigt gleich eingangs die emblematische Erzählung "Pialat ist tot". Antoine, Lehrer, hat offiziell ein Jahr freigenommen, ist tatsächlich aber zwangsbeurlaubt. Er kümmert sich um seine Töchter und bekommt ansonsten nichts auf die Reihe; der Garten ist eine schlammige Baustelle, sein Gemüt ebenfalls. Gattin Marie ist selten zu Hause, die Krise bedroht alle Bereiche des Lebens. Eines Abends erfährt Antoine am Fernseher vom Tod seines Lieblingsregisseurs Maurice Pialat und betrinkt sich hemmungslos - wie der Griff zur Flasche überhaupt leichtfällt in Adams Welt. Als seine Frau heimkehrt, kommt es zur indirekten Aussprache, die Verzweiflung schlägt um in eine Liebesszene, von der man nicht weiß, ob sie Hoffnung gibt oder vielmehr die letzte Wärmestube vorm ewigen Eis darstellt. Ein karger, präziser, mitreißender Text, in dem persönliches Desaster und Fernsehbilder zu einem Ensemble verschmelzen, das bis ins Mikroskopische hinein stimmig ist. Ein kleines Juwel, oder, um im Bild zu bleiben, eine berückend schöne Eisblume.

Entnervt oder abgestumpft sind alle Gestalten dieser neun Erzählungen, die mit dem "Prix Goncourt de la nouvelle" ausgezeichnet wurden. Mal sind die Vorfälle spektakulär, Menschen sterben oder bringen sich um, ein Junge wird langsam verrückt. Mal bleiben sie alltäglich, wenn eine alleinerziehende Mutter die Weihnachtsnacht durcharbeiten muß. Aus dem vollen Leben geschöpft sind sie alle, Adam schildert die Mühen der arbeitenden Bevölkerung ohne Verklärung. Und doch: Hier und dort kündigt ein hoffnungsvoller Schimmer das mögliche Tauwetter an.

Wenn die Erzählungen - dem traurigen Grundtenor zum Trotz - viel Lesevergnügen bereiten, so liegt das nicht zuletzt an ihrer kunstvollen Fügung. Die Schilderung bleibt durchweg lakonisch, Bedeutungsarmut jedoch entsteht nirgends. Der verdichtete symbolische Raum einer Kurzgeschichte ist nicht ungefährlich, denn er läßt Leer- und Schwachstellen besonders ins Auge fallen. Adam, der mit dreißig Jahren bereits zwei Romane veröffentlicht hat, beweist bravourös, daß er die Ökonomie der kleinen Form beherrscht.

NIKLAS BENDER

Olivier Adam: "Am Ende des Winters". Erzählungen. Aus dem Französischen übertragen von Carina von Enzensberg. SchirmerGraf Verlag, München 2004. 176 S., geb., 17,80,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Olivier Adams Erzählungen "Am Ende des Winters" haben Rezensent Niklas Bender "viel Lesevergnügen" bereitet - trotz ihres "traurigen Grundtenors". Die um alltägliche oder auch mal spektakuläre Vorkommnisse kreisenden Geschichten des Bandes sind nach Ansicht Benders von Gestalten bevölkert, die allesamt "am Rande des Nervenzusammenbruchs" stehen und die "eisigsten Momente ihres Lebens" durchleben. Ohne Verklärung schildere Adam die Mühen der arbeitenden Bevölkerung. Dass die Erzählungen trotz ihrer eher deprimierenden Inhalte so mitreißend sind, führt Bender auf ihre "kunstvolle Fügung" zurück. Durchweg lakonisch findet er Adams Schilderung, ohne dass jemals die Gefahr von Bedeutungsarmut droht. "Bravourös" beweise Adam mit diesem Band, resümiert Bender, "dass er die Ökonomie der kleinen Form beherrscht."

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