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Die autobiograhisch geprägten Werke von Lee Hochol thematisieren den Bürgerkrieg, die Teilung Koreas und die Heimatlosigkeit des Einzelnen. Die Versöhnung zwischen Nord- und Südkorea sind sein Hauptanliegen. Wegweiser dazu ist für ihn vor allem aber pure Menschlichkeit, die über alle Eigeninteressen hinweg das Fundament eines neuen Zusammenlebens ermöglichen kann. Der Roman ist ein Sittengemälde Südkoreas zur Zeit des koreanischen Bürgerkriegs, Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts, geschildert aus der Sicht des Ich-Erzählers. Es ist eine Zeit, in der die traditionellen…mehr

Produktbeschreibung
Die autobiograhisch geprägten Werke von Lee Hochol thematisieren den Bürgerkrieg, die Teilung Koreas und die Heimatlosigkeit des Einzelnen. Die Versöhnung zwischen Nord- und Südkorea sind sein Hauptanliegen. Wegweiser dazu ist für ihn vor allem aber pure Menschlichkeit, die über alle Eigeninteressen hinweg das Fundament eines neuen Zusammenlebens ermöglichen kann.
Der Roman ist ein Sittengemälde Südkoreas zur Zeit des koreanischen Bürgerkriegs, Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts, geschildert aus der Sicht des Ich-Erzählers. Es ist eine Zeit, in der die traditionellen Gesellschaftsformen zusammenbrechen und eine neureiche Schicht sich versucht zu etablieren. Viele Menschen sind in dieser Zeit des Wertewandels völlig orientierungslos und müssen versuchen, Halt zu finden, was nicht jedem zu gelingen scheint...
Autorenporträt
Lee Hochol wurde 1932 in Wonsan geboren (Nordkorea), geriet als Volksarmist in Gefangenschaft, wurde früh von seiner Familie getrennt und später als Demokrat verfolgt. Er lebt heute als Schriftsteller und ist Vorsitzender des Bereichs Literatur (Akademie der Schönen Künste) in Seoul. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise u.a. den Literaturpreis der Republik Korea.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.08.2005

Alltag und Ausnahmezustand
Lee Hochols Sittengemälde des koreanischen Bürgerkriegs

Der 1932 im nordkoreanischen Wonsan geborene Lee Hochol spürt in seinen Romanen und Milieustudien - wie "Menschen aus dem Norden, Menschen aus dem Süden" - fernab der Tagespolitik und vorbei an ideologischen Trennungsgräben dem verbindenden koreanischen Volkscharakter nach. Sein Bürgerkriegsklassiker "Kleine Leute", der in Korea zwischen 1964 und 1965 als Fortsetzungsroman erschien, karikiert und zelebriert die Welt der Kleinbürger, Kleinganoven und Parvenüs im Korea der fünfziger Jahre.

Nach dem Überraschungsangriff auf Seoul hatten nordkoreanische Truppen im Sommer 1950 das ganze Land bis auf einen kleinen Teil im Südosten eingenommen, woraufhin die Hafenstadt Pusan zum südkoreanischen Regierungssitz und Magneten für Flüchtlinge wurde. In jener Zeit der Provisorien und Refugien setzt das pittoreske Bürgerkriegsepos ein. Atmosphärisch beschwört Lee eine Aura von Weltschmerz und Untergang: "Nur der Hafen war erfüllt von einem tiefen, majestätischen Laut, einem Getöse, als drehe sich krachend die Erdachse, er erbebte wie ein riesiges Tier."

Dreh- und Angelpunkt des Romans ist der Familienbetrieb einer Nudelfabrik, bei der der junge Erzähler, wie der Autor ein Flüchtling aus dem Norden, anheuert und wo er sich die Unterkunft im Haus des Besitzerehepaars mit einer Handvoll Kollegen teilt. Während wenig passiert im von Arbeit, Langeweile und Alkoholkonsum geprägten Alltag der Schicksalsgemeinschaft, lebt und zehrt der Roman von ebenjenem Spannungsverhältnis zwischen Alltag und Ausnahmezustand, Front und Hinterland: "An der Front wurde gekämpft, ab und zu flatterte irgendwo eine Benachrichtigung ins Haus, daß jemand gefallen sei. Das stürzte die Menschen im Hinterland jedesmal in Verwirrung, doch schon bald hatte sie wieder die Welle der Alltäglichkeit überrollt."

Präzise dokumentiert der Roman den bruchstückhaften Einzug des Krieges in die Lebenswelt der Protagonisten. Die Großwetterlage spiegelt sich in expressiven Wolkenbeschreibungen wider. Das politische Vakuum geht mit einem Gefühl einer seelischen Leere einher. Fast unbeteiligt, schildert der Erzähler physische und psychische Fluchtbewegungen, verdrängte Vergangenheiten und die Persönlichkeitsveränderungen seiner Kollegen. Nach zunächst beliebig wirkender Lektüre entfaltet der Roman, je mehr man über die Menschen und ihre Machenschaften erfährt, eine düstere Leuchtkraft als Sittengemälde der Bürgerkriegszeit.

Im Mikrokosmos der Nudelfabrik findet sich das Korea der fünfziger Jahre querschnittartig wieder. Da wäre etwa der "neue Menschentyp" der Karrieristen und Kriegsgewinnler, den die Mitarbeiter Kim und Kwangsok repräsentieren, oder dem Geheimdienst verdächtige Vertreter der linken Intelligenz und ehemalige Revolutionäre wie Kang und Chong, die bestenfalls schwache Schatten ihrer hehren Ideale sind. Bildgewaltige Wasser- und Strommetaphern, die die Macht der Moderne illustrieren, verdichten sich zu einer Ästhetik des Umbruchs: "Alles befand sich im Strudel der Veränderung behaftet mit dem Makel unsicherer Behelfsmäßigkeit, und selbst die Schicht der Neureichen fand sich gesellschaftlich isoliert und wälzte sich in einem unruhigen Schlaf."

"Kleine Leute" ist zugleich ein kleinbürgerliches Kammerspiel voller Intrigen und Lebenslügen, zersetzender Energie und unterschwelliger Ironie. Während an der Front der Krieg tobt, drehen sich die Sorgen in der Provinz um Mehlpreise, Liebschaften und oberflächliche Vergnügungen. Doch im moralischen und wirtschaftlichen Verfall des Familienbetriebs ist der Niedergang des Makrokosmos, des gesamten Landes, bereits angelegt. Beinahe logischerweise endet Lees Buch mit dem Einberufungsbefehl des Erzählers.

Der Roman rekonstruiert so Scheidewege der koreanischen Geschichte: den Zusammenbruch konfuzianischer Standesschranken, die Auflösung agrarischer Strukturen und den Ausverkauf der Traditionen. Im Wechsel fiktiver und deskriptiver zeithistorischer Passagen, die zum besseren Verständnis für den nichtspezialisierten Leser vielleicht etwas ausführlicher hätten ausfallen können, behandelt er Themen wie Revolution und Kleinbürgertum, Schicksal und Weltanschauung, Fatalismus und Nihilismus.

Lee will als wertfreier Beobachter keine Auswege weisen, sondern kritisiert lediglich die "Haltung, die in einem Zuge alle Erscheinungen billigt und es sich im bestehenden System bequem eingerichtet hat". Im unaufhaltsamen Wertewandel der Moderne, so die Botschaft, gibt es keine Sieger und Verlierer.

STEFFEN GNAM

Lee Hochol: "Kleine Leute". Roman. Aus dem Koreanischen übersetzt und mit einem Nachwort von Heike Lee. Pendragon Verlag, Bielefeld 2004. 240 S., geb., 18,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Steffen Gnam ist Lee Hochols schon zwischen 1964 und 1965 als Fortsetzungsroman erschienene Erzählung vieles zugleich: ein "Sittengemälde" des koreanischen Bürgerkriegs, ein "kleinbürgerliches Kammerspiel" und eine konzentrierte Darstellung der "Scheidewege" der koreanischen Geschichte. Im Sommer 1950 hat die nordkoreanische Armee bis auf ein Gebiet im Südosten fast die ganze Halbinsel besetzt, in der Hafenstadt Pusang, wo der Roman spielt, drängen sich die Flüchtlinge. Vor dem Hintergrund der großen weltgeschichtlichen Auseinandersetzungen und mit einer "düsteren Leuchtkraft" beschreibt Hochol die alltäglichen Sorgen und oberflächlichen Vergnügungen der Protagonisten. Gnam lobt die Genauigkeit, mit der der Autor - damals selbst aus dem Norden geflohen - das langsame Einsickern des Krieges in das Leben der "Kleinen Leute" beschreibt. "Fast unbeteiligt", als "wertfreier Beobachter" dokumentiere der Autor die Umstürze, die sich damals in der Gesellschaft abspielten. "Bildgewaltige Wasser- und Strommetaphern" gerinnen im Kopf des Rezensenten dabei zu einer "Ästhetik des Umbruchs".

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