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Die Derdons waren nie ein Traumpaar, doch inzwischen hat ihre Ehe längst das Verfallsdatum überschritten. Interesse ist in Gleichgültigkeit, Liebe in Abneigung umgeschlagen. Ihr Haus in einem Dubliner Vorort, in dem sie ein zurückgezogenes Leben führen, ist der Schauplatz erbitterter Gefechte. Hubert quält Rose, Rose quält Hubert - bis dass der Tod sie scheidet.

Produktbeschreibung
Die Derdons waren nie ein Traumpaar, doch inzwischen hat ihre Ehe längst das Verfallsdatum überschritten. Interesse ist in Gleichgültigkeit, Liebe in Abneigung umgeschlagen. Ihr Haus in einem Dubliner Vorort, in dem sie ein zurückgezogenes Leben führen, ist der Schauplatz erbitterter Gefechte. Hubert quält Rose, Rose quält Hubert - bis dass der Tod sie scheidet.
Autorenporträt
Maeve Brennan, 1917 in Dublin geboren, trat 1949 in die Redaktion der Zeitschrift New Yorker ein. Bis 1973 veröffentlichte sie dort Kolumnen, Essays und Erzählungen. Sie starb 1993, mittellos, vereinsamt und vergessen, in New York.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Meisterlich grausam ist Maeve Brennans Blick auf das Innenleben eines ganz normalen Ehelebens, meint Rezensentin Bernadette Conrad. Noch das Finale veranschaulicht für sie das ganze schreckliche Unvermögen der Eheleute, miteinander zu sprechen. Während Mrs. Derdon stirbt, versäumt sie, Mr. Derdon seine tägliche Tasse Tee zu bringen. Alles sei unverzeihlich in diesen Geschichten einer Ehe, meint die Rezensentin, von Anbeginn, und von Anbeginn seien Hubert und Rose immer schon Opfer ihrer Erziehung gewesen. Aber, heißt es bei Maeve Brennan, "man muss nicht böse sein, um schuldig zu sein". Solche Einsichten in ausweglose und quasi genealogische Schicksalsverkettungen sind aus Sicht der Rezensentin "fast schon Kafka". Und auch bei Brennan halte sich "das Staunen über stilistische Meisterschaft die Waage mit der Einsicht in eine namenlose Traurigkeit".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.04.2006

Das Leben muß doch noch mehr zu bieten haben als eine Ehe
Von der Innenwelt der Außenwelt einer paarweisen Hölle: Die irische New Yorker Schriftstellerin Maeve Brennan erzählt von Mr. und Mrs. Derdon

Es gibt Verbindungen, die besser nie geschlossen worden wären. Zuschauer erkennen das meist eher als die Beteiligten selbst, die - obwohl oder gerade weil alles dagegen spricht: Charakter, Status, Standpunkt, Vernunft - sich nur zu bereitwillig vom Blick- und Blinkfeuer eines attraktiven Augenpaars erst aus der Fassung bringen und dann von hinterhergeschobenen Absichtserklärungen in eine gemeinsame Zukunft treiben lassen. Manches Mal steckt dahinter nicht einmal ein eingebildetes Gefühl, sondern lediglich die tolle Lust, dem eigenen Leben ein kleinen Adrenalinschub zu verpassen. Und hinterher dauert es Jahre, die Suppe auszulöffeln, die man einander eingebrockt hat.

Hubert und Rose zum Beispiel. Sie sind jung, hoffnungsvoll, stehen aber beide etwas verquer in der Welt. Weil sie dieses Fremdeln instinktiv im anderen wiedererkennen, kommen sie zusammen. Rose hat beim Tanzen ihr Spitzentaschentuch und die Hoffnung darauf verloren, daß der unerreichbare Jim Nolan sich je für sie interessieren könnte. Da erscheint Hubert und reicht ihr den Leinenfetzen. Diese Geste besiegelt eine Ehe, von der selbst Roses Mutter den kommenden Schwiegersohn nicht abbringen kann. Von Liebe ist sowieso nicht die Rede, und auch die zunehmende gegenseitige Vertrautheit führt zu keiner tieferen Bindung. Hubert findet seine Frau zwar allgemein schön, ihr offenes Gesicht, ihr helles Haar. Wichtiger jedoch ist ihm ihre Bestimmung. "Er dachte: Sie ist mein wahres Ich, und wollte ihr von all seinen Nöten erzählen."

Jahre später, als er erkennt, daß Rose sich für diese Nöte nie interessiert hat, denkt er nur noch: ",Das Leben muß doch noch mehr zu bieten haben.' O ja, allerdings mußte es noch mehr zu bieten haben, dachte er, und in diesen ungläubigen Momenten schielte er in die Gesichter der Leute, die ihm auf der Straße entgegenkamen, versuchte, ihren Mienen abzulesen, welches Wissen sie Tag für Tag am Leben erhielt, denn nicht jeder hatte seine Kraft und nicht jeder, ja kaum irgendwer konnte die innere Stärke besitzen, in der er, Hubert, lebte, tagaus, tagein weiterzumachen."

Sechs Stichproben entnimmt Maeve Brennan in "Mr. und Mrs. Derdon" den vierzig Jahren Ehehölle des Un-Paares, das sich rettungslos ineinander verbeißt. Und nachdem John, der einzige Sohn, dem Elternhaus entflohen ist, sind sie einander erst recht Opfer und Publikum zugleich. Am Morgen lauscht Hubert, der in einem Herrenbekleidungsgeschäft arbeitet, auf die Schritte seiner Frau, um ihr möglichst nicht zu begegnen; sie gibt türenknallend vor, weggegangen zu sein, nur um dem erleichtert Herbeieilenden jenseits des Frühstückstabletts triumphierend aufzulauern. So kommt es, daß er noch den Tod seiner Frau als subtile Rache empfindet: "Er wußte nie, woran er mit ihr war . . . Jetzt hatte sie dafür gesorgt, daß er selbst unbestimmt geworden war, und wie sollte er sie betrauern, wenn ihm kaum etwas von ihr in Erinnerung geblieben war?"

Maeve Brennan hat ihre Geschichten von Herrn und Frau Derdon nicht in einem Rutsch geschrieben, sondern ist immer wieder zu diesem Paar zurückgekehrt; die sechs Kapitel sind zwischen 1952 und 1973 als Kurzgeschichten bis auf eine Ausnahme im "New Yorker" erschienen und wurden erst für die Buchausgabe in die chronologische Reihenfolge der geschilderten Ereignisse gebracht. Dennoch ist das Porträt der Derdons aus einem Guß: Von Mitgefühl ebenso frei wie von Häme, erlebt der Leser Rose und Hubert als entfernte Verwandte von George und Martha aus Edward Albees Bühnenreißer "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?": Zwei Menschen, die miteinander nicht sein können, sich aber brauchen, um überhaupt zu spüren, daß sie noch leben.

Maeve Brennan, berüchtigt für ihre "Zunge, die eine Hecke schneiden konnte", und in ihrer Glanzzeit so schick, daß es hieß, in ihrer Gegenwart lasse sich förmlich beobachten, wie Stil entstehe, schrieb, wie sie sich anzog: schnörkellos und elegant. Angriff war ihre beste Verteidigung, ob mit Worten oder im Panzer ihrer makellosen Erscheinung, gegen die Erkenntnis, daß nichts den Menschen für Beziehungskatastrophen anfälliger macht als innere Einsamkeit, Angst und Lieblosigkeit. Also waren zu Zwangsgemeinschaften verkommene Ehen ihre Spezialität.

Sie selbst war mit St. Clair McKelway, einem zuvor bereits dreimal geschiedenen Kollegen vom "New Yorker", verheiratet; nach dem Ende der Ehe gewährten Gerald und Sara Murphy, deren Großzügigkeit schon Scott Fitzgerald einst erfahren hatte, ihr und ihrer Tierschar in einem Cottage auf Long Island Asyl. Die schizophrenen Züge, die ihre zweite Lebenshälfte bestimmten, konnten auch ihre zahlreichen Reisen nicht in Zaum halten. Maeve Brennan, die im Gefolge ihrer Landsleute Elizabeth Bowen und Frank O'Connor seit einigen Jahren als eine der wichtigsten Schriftstellerinnen ihrer Generation wiederentdeckt wird, starb 1993 völlig verwahrlost in New York. Von John Updike stammt die wohl treffendste Charakterisierung dieser bemerkenswerten Autorin: "Sie ist immerzu hellwach, scharfäugig wie ein Spatz stürzt sie sich auf die Krumen des menschlichen Treibens."

Maeve Brennan: "Mr. und Mrs. Derdon". Geschichten einer Ehe. Aus dem Englischen übersetzt von Hans-Christian Oeser. Steidl Verlag, Göttingen 2006. 185 S., geb., 16,- [Euro].

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