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'Klar sind Juden gerissen, meint Lena Gorelik, sonst hätten sie nicht überlebt. In ihrem neuen Buch zeigt sie, wie man entspannt mit den üblichen Klischees umgeht. Denn für sie ist jüdische Identität längst nicht mehr nur an den Holocaust gekoppelt. Lena Gorelik gehört der neuen Generation junger Juden in Deutschland an, die sich über ihre Zukunft, nicht über ihre Vergangenheit definieren wollen. Dazu passt perfekt, dass sie gerade Mutter geworden ist: In ihrem neuen Buch erklärt Lena Gorelik ihrem Sohn nicht nur präventiv, wie er sich später einmal ihrer mütterlichen Fürsorge entziehen kann.…mehr

Produktbeschreibung
'Klar sind Juden gerissen, meint Lena Gorelik, sonst hätten sie nicht überlebt. In ihrem neuen Buch zeigt sie, wie man entspannt mit den üblichen Klischees umgeht. Denn für sie ist jüdische Identität längst nicht mehr nur an den Holocaust gekoppelt.
Lena Gorelik gehört der neuen Generation junger Juden in Deutschland an, die sich über ihre Zukunft, nicht über ihre Vergangenheit definieren wollen. Dazu passt perfekt, dass sie gerade Mutter geworden ist: In ihrem neuen Buch erklärt Lena Gorelik ihrem Sohn nicht nur präventiv, wie er sich später einmal ihrer mütterlichen Fürsorge entziehen kann. Sondern auch, warum bei Festen immer viel geweint wird, obwohl seine Eltern nicht gläubig sind. Warum sein Großvater lieber Sudokus macht als in der Thora liest. Warum er auf seine Nase und seine Ohren stolz sein kann. Wie er die Weltherrschaft erlangt, auch wenn er kein Rothschild ist. Wie er es auf die Liste der 10 coolsten Juden der Welt schafft und wie er sich Leute charmant vom Leib hält, die mit Leuchten in den Augen sagen: Waas, du bist wirklich Jude?!
Autorenporträt
Lena Gorelik, geboren 1981 in Sankt Petersburg, kam 1992 zusammen mit ihrer russisch-jüdischen Familie als "Kontingentflüchtling" nach Deutschland und lebt heute in München. 2009 wurde ihr der Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises verliehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.05.2011

Die zehn
coolsten Juden
Erzählerischer Selbsthilfe-Guide:
Lena Goreliks „Lieber Mischa . . .“
„Lieber Mischa . . . der Du fast Schlomo Adolf Grinblum geheißen hättest, es tut mir so leid, dass ich Dir das nicht ersparen konnte: Du bist ein Jude.“ Dies ist der barock anmutende Titel des neuen Buches von Lena Gorelik über ihr Lieblingsthema „Juden und Russen sind witzig, chaotisch und verrückt“. Es handelt sich um eine Art Hilfe-zur-Selbsthilfe-Guide, den sie für ihren kleinen Sohn Mischa geschrieben hat. Gefühlte Leitfrage: Wie komme ich damit klar, zu einer völlig überkandidelten Gemeinschaft zu gehören, die sich, Goreliks Ausführungen zufolge, primär durch den permanenten Konsum ekligen Essens sowie eine sehr aktive Streitkultur auszeichnet? Zum Glück hat die Ich-Erzählerin bereits einen Fonds eingerichtet, der dem Noch-Kleinkind im späteren Leben eine Psychoanalyse ermöglichen soll. Die wird es auch bitter nötig haben, glaubt man den Ankündigungen seiner Mutter, innerhalb der nächsten Jahrzehnte zur jüdischen Über-Mamme zu mutieren, die ihrem Sohn permanent warme Schals und Essen hinterherträgt.
Das Buch ist gleichzeitig Familiengeschichte, jüdische Selbstvergewisserung und eine Einführung ins Judentum für Unbewanderte. Juden haben also tatsächlich Hakennasen, zumindest kann Erzählstimme Lena das anhand ihrer eigenen Familienphysiognomie bestätigen. Es gibt auch eine jüdische Weltverschwörung, an welcher Lena allerdings zu ihrem Bedauern nicht beteiligt ist, weswegen sie auch noch auf den Rothschild’schen Reichtum wartet; sie hofft indes auf Aufnahme ihres Sohnes Mischa nach dessen Bar-Mizwa. Wie jeder Jude weiß, besteht das Aufnahmeritual in der Schlachtung eines Christenjungen.
In kleinen Randnotizen kommentiert die Ich-Erzählerin sich ständig selbst, ironisiert ihre eigenen ohnehin schon absurden Ausführungen noch mehr, relativiert sie und fügt ihnen in „Kommentaren zu Kommentaren“ weitere hinzu. Talmudische Textexegese mit hoher Unterhaltungsqualität. Durchbrochen wird das Ganze immer wieder durch listenartige Aufzählungen wie „die zehn coolsten Juden“ oder „zehn antisemitische Vorurteile“.
Gorelik verlässt sich konsequent auf ihr aus früheren Büchern wie „Hochzeit in Jerusalem“ und „Meine weißen Nächte“ bekanntes Stilmittel des glossenartigen Ausschlachtens an sich bereits grotesker Szenarien, dem Übertreiben und Umkehren der in den Köpfen verankerten Gemeinplätzen. So ist das Haustier der Protagonistinein Rabbiner im Hundspelz, isst koscher und liegt auf dem Fußboden stets nach Jerusalem ausgerichtet. Und die jüdische Mutter als solche ruft nicht etwa täglich, sondern stündlich an, und einen Sitzplatz in einem israelischen Transportmittel zu bekommen, gleicht einem street fight auf Leben und Tod.
Gorelik ist brillant und bösartig, wenn sie mit den – verständlichen – Verklemmungen und Altlasten ihrer Leserschaft spielt. Ihr Stil ist von journalistischer Eloquenz und erheitert, das Buch durchweg amüsant, mit einer beachtlichen Leichtigkeit geschrieben. Was seinen literarischen Anspruch betrifft, weiß man jedoch nicht so recht weiter. Es ist ja in Ordnung, dass sich diese Autorin, selbst als russische Jüdin in den neunziger Jahren nach Deutschland eingewandert, auf die anekdotische Darstellung jüdisch-russisch-deutscher Identitäts- und Familienkonflikte festgelegt hat. Dennoch fragt man sich, ob „Lieber Mischa . . . “ nicht eher als Zeitschriften-Kolumne über jüdischen Humor hätte erscheinen sollen.
Im Vergleich zu „Hochzeit in Jerusalem“, Goreliks preisgekröntem zweiten Buch, in dem sie mit einem Freund nach Israel fährt, um ihm bei der Entdeckung seiner jüdischen Wurzeln zu helfen, stellt „Lieber Mischa . . . “ einen Verlust an erzählerischer Qualität dar, wenn die Autorin auch stilistisch sicherer geworden ist. Was man ihr jedoch lassen muss: Ihrist ein vergnüglicher Beitrag zum Diskurs „Darf-man-über-Juden-lachen?“ der letzten Jahre gelungen. Und Gorelik zufolge darf man, beim Lesen ihres Buches muss man es sogar. Um der Autorin Respektlosigkeit oder gar das Schüren antisemitischer Ressentiments vorwerfen zu können, schreibt sie zu doppelbödig und ironisch verschränkt; ihr Buch ist ebenso nonchalant wie offensichtlich voller Liebe zu ihrer eigenen Mehrfach-Identität.   HANNAH LÜHMANN
LENA GORELIK: Lieber Mischa . . . Graf Verlag, München 2011. 192 Seiten, 18 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2011

Mutterwitz mit Telefon
Lena Gorelik schenkt dem Sohn eine Erziehungsfibel

Von Jochen Hieber

In ihren nächsten Büchern, hat Lena Gorelik vor zwei Jahren in einem Interview geäußert, wolle sie nun entschieden "von diesen Identitätssachen weg", denn sie habe damit ihren "Frieden gemacht". Drei Bücher hatte die 1981 im sowjetischen Leningrad geborene Autorin da bereits hinter sich: die Romane "Meine weißen Nächte" (2004) und "Hochzeit in Jerusalem" (2007) sowie die Reiseerzählung "Verliebt in St. Petersburg" von 2008. Auf nahezu jeder Seite dieser ganz erstaunlichen Werke war in der Tat von "diesen Identitätssachen" die Rede. Kein Wunder, denn die Biographie dieser jungen Frau kannte nahezu von allem Anfang an vor allem eines - den permanenten Existenzbruch.

Es dauert eine ganze Weile, bis die Eltern ihrer russischen Tochter beizubringen wagen, dass sie auch, dass sie womöglich gar in erster Linie Jüdin ist - bevor sie ihr diese Herkunft, der sie selbst eher entfremdet sind, näher zu erläutern suchen, machen sie erst einmal alle Türen zu. Elf Jahre ist Lena Gorelik alt, als sie mit der Familie die Geburtsstadt, die inzwischen postkommunistisch wieder Sankt Petersburg heißt, in Richtung Deutschland verlässt. Die Goreliks sind sogenannte "Kontingentflüchtlinge": ein gewöhnliches Bürokratenwort für eine gute Sache, denn mit dieser Sprachhülse ermöglicht es das eben wiedervereinte Einwanderungsland (vor allem) sich selbst, dass Leute wie die Goreliks, die keine deutsche Wurzeln haben, vergleichsweise unbürokratisch einreisen und sich etablieren können.

Deutsch lernt die russische Jüdin in einer schwäbischen Grundschule, wo man bekanntermaßen außer Deutsch sehr vieles kann. Die Sprache lernt sie also vorab als Leserin, "Pippi Langstrumpf" heißt ihr Bildungsroman. Und just der forsche und freche, der selbstbewusste, heitere und gewitzte Ton der Lindgren-Trilogie wird auch die ersten drei Bücher der deutschen Jungautorin Lena Gorelik prägen, in denen sie, Leben in Literatur verwandelnd, eben ihre ureigene Identitätssache verhandelt - und das Ureigene dabei mit leichter Hand zugleich ins Paradigmatische überträgt.

Ihrer Autorenabsicht entgegen beschäftigt sich nun aber auch das vierte Buch wieder mit dem Gorelikschen Grundthema. Und daran ist wieder einmal das Leben schuld. Seit gut einem Jahr nämlich ist diese Erzählerin auch Mutter eines Sohnes - und das macht ihr neben jeder Menge Freude auch so manchen Kummer. "Sie war von Nichtmutter zu Mutter konvertiert und nicht mehr von dieser Welt", heißt es von einer ehemaligen Kommilitonin, die auf Baby-Besuch kommt. Könnte, so lautet unausgesprochen die Angstfrage des neuen Buches, das Muttertier-Virus am Ende ansteckend sein? Und könnten alle Klischees, die über "die jüdische Mamme" kolportiert werden, schließlich auch an ihr, der Erzählerin, wahr werden?

"Wie ich keine jüdische Mutter geworden bin" lautet ein hinreißendes Kapitel des Bandes - es protokolliert das fiktive Telefonat zwischen einer erwachsenen Tochter und einer diese junge Frau vor lauter Fürsorge reinfantilisierenden Mutter. Dass dabei nur die eine Seite "belauscht" wird, wir also über den Alltag der Tochter nur durch die Stimme der Mutter unterrichtet werden, ist ein ästhetisches Kabinettstück hohen Ranges.

Für ihre Selbstbestimmung als junge Mutter, immer jung bleibende Tochter einer Mutter, als Frau eines offenbar umgänglichen jüdischen Ehemannes, schließlich als im Grunde keineswegs, aber zur metaphysischen Sicherheit eben doch auch ein bisschen gläubige Kulturjüdin in Deutschland - für all diese "Identitätssachen" hat Lena Gorelik dieses Mal mit Bedacht ein recht romantisches Erzählgenre gewählt: den zum Buch sich auswachsenden Brief an das gerade geborene Kind. Halsbrecherisch barockisierend ist der Titel: "Lieber Mischa, der Du fast Schlomo Adolf Grinblum Glück geheißen hättest, es tut mir so leid, dass ich Dir das nicht ersparen konnte: Du bist ein Jude . . ." Alles, gerade auch der Fast-Adolf, ist hier ebenso ernstgemeint wie ganz und gar ironisch.

Aus Barockem und Romantischem erwächst im Fortgang des anekdoten- und arabeskenreichen Erzählens jedenfalls die wundersamste Erziehungsfibel, die ein Einjähriger wohl je erhielt. Der Knabe ist zu beneiden. Aber da wir mitlesen können, was seine Erzählmutter ihm so alles mit auf den Kindheitsweg gibt, sind wir es auch.

Lena Gorelik: "Lieber Mischa, der Du fast Schlomo Adolf Grinblum geheißen hättest . . ."

Graf Verlag, München 2011. 185 S., geb., 18,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eine von Ironie durchbrochene Liebe zur eigenen jüdischen Identität bescheinigt Hannah Lühmann der Autorin. Ohne Zweifel, ob und wie man über Juden lachen darf, hat Lena Gorelik für sich geklärt. Der Rezensentin imponiert sie mit nonchalantem Humor und brillanter wie bösartiger Eloquenz. Allerdings weiß Lühmann nicht so genau, ob das noch Literatur ist, wenn Gorelik über ekliges jüdisches Essen, Verschwörungstheorien und Hakennasen fabuliert oder doch eher Journalismus, Kolumnen, Glossen. Zu wenige erzählerisch erscheint ihr der Text, zu sehr anekdotisch, akkumulierend, kommentierend.

© Perlentaucher Medien GmbH