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Der Russlandexperte Manfred Quiring unterzieht das Regime Putin einer radikalen Kritik. Er untersucht die Strukturen des autokratischen Systems und stellt die bisher kaum behandelte Verquickung der russischen Eliten aus Geheimdienst und Militär mit kriminellen Gruppen dar. Zugleich geht er auf das Konzept der "russischen Welt" ein und beschreibt deren nationalistische Vordenker. Quiring analysiert, wie der Kreml versucht, Europa zu spalten und dabei Mittel der hybriden Kriegsführung einsetzt, bis hin zu verdeckten Cyberattacken. Dabei bezieht er die Urteile deutscher und internationaler Russlandexperten ein.…mehr

Produktbeschreibung
Der Russlandexperte Manfred Quiring unterzieht das Regime Putin einer radikalen Kritik. Er untersucht die Strukturen des autokratischen Systems und stellt die bisher kaum behandelte Verquickung der russischen Eliten aus Geheimdienst und Militär mit kriminellen Gruppen dar. Zugleich geht er auf das Konzept der "russischen Welt" ein und beschreibt deren nationalistische Vordenker. Quiring analysiert, wie der Kreml versucht, Europa zu spalten und dabei Mittel der hybriden Kriegsführung einsetzt, bis hin zu verdeckten Cyberattacken. Dabei bezieht er die Urteile deutscher und internationaler Russlandexperten ein.
Autorenporträt
Quiring, Manfred
Jahrgang 1948; aufgewachsen in Berlin; nach kurzem Zwischenspiel als Eishockeyspieler Journalistik-Studium in Leipzig, ab 1973 Redakteur der »Berliner Zeitung« und zweimal deren Korrespondent in Moskau (1982-1987 und 1991-1995); er bereiste die ehemalige Sowjetunion von Kaliningrad bis nach Kamtschatka, von Norilsk bis nach Turkmenien, und erlebte alle Wechsel im obersten Staatsamt live in Moskau; 1989/90 ein Jahr Korrespondent der Nachrichtenagentur ADN in Athen, Korrespondent der »Welt« von 1998 bis 2010 in Moskau; Autor zahlreicher Sachbücher:
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.03.2017

Mit Angst lässt sich politisch arbeiten

Ideologie ist ganz gut, aber das Gefühl von Unsicherheit noch besser: Thomas Franke und Manfred Quiring beschreiben jüngste Entwicklungen im Russland Wladimir Putins.

Politische Macht beruht auf dem zumindest billigenden Einverständnis der Bürger, beherrscht zu werden. Dieser stillschweigende Gesellschaftsvertrag ist allerdings - wie der berühmte Lunch - nicht kostenlos zu haben. In der Ära Putin, die bereits siebzehn Jahre dauert, hat der Kreml verschiedene Machtressourcen angezapft: Zunächst profitierte die Regierung vom wirtschaftlichen Aufschwung, der sich allerdings nicht so sehr einer effizienten Modernisierungspolitik verdankte, sondern dem märchenhaften Anstieg des Ölpreises. Nach der globalen Finanzkrise kam das Versprechen politischer Stabilität, das zwar die zunehmenden Demokratiedefizite überdeckte, aber mit den Massendemonstrationen des Winters 2011/2012 in Frage gestellt wurde. Mit der Annexion der Krim schossen die Zustimmungswerte des Präsidenten erneut in die Höhe, der Kreml stützte sich auf einen medial angestachelten Hurrapatriotismus. Allerdings erschöpften sich diese Machtressourcen mit der Zeit. Deshalb lässt sich in Russland seit einigen Monaten der Wechsel zu einer weiteren Strategie der Herrschaftssicherung beobachten: Eine schleichende Angst greift um sich - sowohl in der russischen Gesellschaft selbst als auch in der Staatengemeinschaft.

Zwei neue lesenswerte Bücher dokumentieren diesen Prozess, der nicht nur die russische Zivilgesellschaft lähmt, sondern auch die russische Staatsführung in eine fast komplette Isolation geführt hat. Thomas Franke und Manfred Quiring kennen Russland wie ihre Westentasche, beide waren lange Jahre als Korrespondenten in Moskau tätig. Sie beschreiben die russische Kultur mit einer deutlich spürbaren Liebe zu Land und Leuten. Allerdings fällt ihr Urteil über die gegenwärtige Situation sehr kritisch aus.

Franke erblickt die größte Bedrohung für die russische Gesellschaft in jenem diffusen Gefühl, das er mit dem Reimport eines deutschen Fremdworts im Englischen als "Russian Angst" bezeichnet. Die russischen Bürger fürchten die Gefahren einer unsicheren Zukunft seit dem Ende der Sowjetunion: Die kommunistische Zukunft hatte sich in Nichts aufgelöst, an ihre Stelle war der nackte Überlebenskampf getreten. Wechsel bedeutete aus der Sicht des einfachen Bürgers immer nur eine Verschlechterung der eigenen Lebensumstände. Diese beklemmende Grundstimmung wird seit jeher von den Polittechnologen des Kremls für die Herrschaftssicherung genutzt. Sowohl Jelzin als auch Putin wurden den Wählern als "alternativlos" präsentiert. Man zeichnete Schreckensszenarien, die von einem Rückfall in den Stalinismus bis zur Machtergreifung von Rechtsradikalen reichten. Medienschaffende, die ihre Stimme warnend erhoben, wurden eingeschüchtert.

Franke gibt einen Einblick in die Dynamik der Protestbewegung des Winters 2011/2012. An einzelnen Biographien zeichnet er nach, wie die Anwendung von Polizeigewalt einfache Demonstranten in engagierte Aktivisten verwandelte. Umgekehrt dokumentiert er, mit welchen Mitteln der Kreml eigene Loyalitätskundgebungen organisiert. Er kritisiert die selbsternannten Sittenpolizisten, die in Kosakenkostümen "amerikanische Propaganda" oder die "Verbreitung von Homosexualität" bekämpfen wollen, und dokumentiert die fragwürdigen Aktionen der "Nationalen Befreiungsbewegung" des linientreuen Duma-Abgeordneten Jewgeni Fjodorow. Als Speerspitze dieser Bewegung agiert die attraktive Einpeitscherin Maria Katassonowa, die sich immer wieder für die nationale Wiedergeburt Russlands in Szene setzt.

Während Franke einen desillusionierten Bericht zur aktuellen Lage der Nation gibt, holt Manfred Quiring historisch weiter aus. Er verfolgt Putins Aufstieg vom bescheidenen Posten eines KGB-Spions in Dresden über die Kaderstelle als Mitarbeiter des Petersburgers Bürgermeisters Anatoli Sobtschak bis zu seiner überraschenden Plazierung in höchste politische Ämter der russischen Föderation. Dabei unterstreicht Quiring die Konstanz von Putins nationalkonservativen Ansichten. Bereits 1994 hatte Putin auf einer Diskussionsveranstaltung in Deutschland darauf hingewiesen, dass nach dem Zerfall der Sowjetunion 25 Millionen Russen im Ausland leben und Russland es sich nicht leisten könne, diese Menschen einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Im selben Jahr verließ Putin aus Protest einen Vortrag des estnischen Präsidenten, der die Sowjetarmee als "Besatzer" bezeichnet hatte. Die Schalmeienklänge von Putins berühmter Rede im Deutschen Bundestag 2001 seien, so Quiring, vor allem auf den Input von Horst Teltschik zurückzuführen. Als Präsident habe Putin auch schnell dafür gesorgt, dass anhängige Gerichtsverfahren aus seiner Petersburger Zeit zu den Akten gelegt wurden.

Aber nicht nur die persönliche Biographie des Kremlchefs wird streng kontrolliert. Dasselbe gilt für die Vergangenheit des ganzen Landes. Quiring widmet der russischen Geschichtspolitik ein eigenes Kapitel. Die Voraussetzungen für eine patriotische Geschichtsschreibung sind in Russland denkbar gut. In einer Umfrage aus dem Jahr 2014 wussten nur gerade 19 Prozent vom sowjetischen Überfall auf Polen im Jahr 1939, und 53 Prozent waren davon überzeugt, dass die Sowjetunion die baltischen Staaten im Jahr 1940 nicht okkupiert habe.

Quiring beschließt sein Buch mit einem Überblick über die Verbindungen des Kremls zu nationalistischen Parteien und separatistischen Gruppierungen in Europa. Schlüsselfiguren sind dabei der ultranationalistische Vizeregierungschef Dmitri Rogosin und der Milliardär Konstantin Malofejew, der aus seinen streng orthodoxen und monarchistischen Ansichten kein Hehl macht. Unterstützt werden der Front National, Jobbik, Ukip, AfD und die FPÖ, die kürzlich sogar einen Kooperationsvertrag mit der Regierungspartei "Einiges Russland" abgeschlossen hat. Die "Antiglobalistische Bewegung" ist eine vom Kreml geförderte russische NGO, die Konferenzen mit separatistischen Aktivisten aus Nordirland, Schottland, dem Baskenland, Katalonien und Norditalien durchführt. Natürlich werden solche Abspaltungstendenzen nur im Ausland gestärkt. Quiring weist darauf hin, dass eine Bürgerrechtsaktivistin aus Krasnodar, die einen Marsch zur Föderalisierung des Kubangebiets organisiert hatte, wegen "Extremismus" und "Separatismus" zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Der Kreml kümmert sich kaum um ideologische Kohärenz, wichtig ist der Ausbau der eigenen Machtposition.

ULRICH SCHMID

Thomas Franke:

"Russian Angst". Einblicke in die postsowjetische

Seele.

Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2017. 256 S., br., 18,- [Euro].

Manfred Quiring:

"Putins russische Welt".

Wie der Kreml Europa

spaltet.

Ch. Links Verlag, Berlin 2017. 262 S., br., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.06.2017

Der Mythos von Russland als Opfer westlicher Expansion
Manfred Quiring zeichnet ein hässliches Bild von Putins Politik und fordert, das Regime in Moskau realistisch zu betrachten
Unter der Überschrift „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“ veröffentlichten im Dezember 2014 mehr als 60 namhafte Deutsche einen Aufruf zur Bewahrung des Friedens. Sie äußerten sich besorgt über die Reaktion des Westens auf die Annexion der Krim und beklagten die „für Russland bedrohlich wirkende Ausdehnung des Westens nach Osten“.
Der Aufruf stand für ein Phänomen, das nicht neu war, aber sich mit der Ukraine-Krise paradoxerweise noch verstärkt zu haben schien: die Parteinahme von Teilen von Politik, Wirtschaft und Kultur in Deutschland für den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Manfred Quiring, langjähriger Moskau-Korrespondent der Welt und exzellenter Russland-Kenner, erkannte darin „den schon an Starrsinn grenzenden Unwillen, das in Russland herrschende Regime realistisch zu betrachten“. Als Antwort hat Quiring eine Bestandsaufnahme von „Putins russischer Welt“ verfasst, die sich den Quellen der Macht des Kremlchefs ebenso widmet wie den Zielen seiner Politik.
Das Bild, das so entsteht, ist hässlich. Es zeigt Putin als Herrscher eines Geheimdienststaates, in dem Macht und Mafia unentwirrbar verstrickt sind. Gründlich demontiert Quiring auch den Mythos von Russland als Opfer westlicher Expansion, der für die Führung in Moskau deshalb von so großer Bedeutung ist, weil er aus der Aggression in der Ukraine für viele im Westen so schlüssig einen Akt der Notwehr zu machen scheint.
Zentral ist dabei die Frage, ob es – wie so oft behauptet – ein Versprechen amerikanischer und deutscher Politiker gegeben hat, dass die Nato nicht über die Oder-Neiße-Linie hinaus nach Osten ausgedehnt wird. Überzeugend legt Quiring dar, wie widersinnig die Vorstellung ist, Michail Gorbatschow habe sich 1990 in den Verhandlungen zur deutschen Einheit Garantien gegen die Aufnahme osteuropäischer Staaten in die Nato geben lassen. Sie wäre, wie Quiring schreibt, eine „Rieseneselei“ gewesen, denn zu diesem Zeitpunkt existierten sowohl die Sowjetunion als auch der Warschauer Pakt noch. Deren Ende hätte Gorbatschow also vorwegnehmen müssen. Den angeblichen Wortbruch hat es nie gegeben. Überdies wäre es ein „Wort“ gewesen, das den Osteuropäern später ihres Rechtes der souveränen Bündniswahl beraubt hätte.
Irritierenderweise interpretieren häufig ausgerechnet jene, die einen Umgang „auf Augenhöhe“ mit Moskau anmahnen, russische Politik als praktisch unausweichliches Ergebnis westlicher Fehler. Quiring hält dagegen. Er schildert Putin als zielstrebigen Zerstörer der Demokratie im eigenen Land, der mit den Mitteln von Angst und Gewalt nach innen und außen den Plan verfolgt, Russlands imperiale Macht wiederherzustellen. Wer versuchen will, Putin zu verstehen, findet bei Quiring eine nützliche Anleitung.
DANIEL BRÖSSLER
Manfred Quiring: Putins russische Welt. Wie der Kreml Europa spaltet. Ch. Links-Verlag Berlin 2017. 264 Seiten, 18 Euro. E-Book: 9,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Um Putin zu verstehen, greift Daniel Brössler zum Buch des Russland-Kenners Manfred Quiring. Der zeigt laut Brössler nicht nur die Verbindungen von Macht und Mafia in Putins Geheimdienststaat, sondern auch, wie zielstrebig Putin an der Zerstörung der Demokratie arbeitet, um imperiale Macht wiederzuerlangen. Ein hässliches Bild, meint der Rezensent und ist dennoch dankbar, wenn der Autor auch gleich noch den Mythos von Russland als Opfer westlicher Expansion demontiert.

© Perlentaucher Medien GmbH
Nicht nur die persönliche Biographie des Kremlchefs wird streng kontrolliert. Dasselbe gilt für die Vergangenheit des ganzen Landes. Quiring widmet der russischen Geschichtspolitik ein eigenes Kapitel. Ulrich Schmid, F.A.Z. Manfred Quiring gelingt das Kunststück, die Facetten der heutigen russischen Realität so fesselnd zu beschreiben, dass der Leser sie elektrisiert in ihrem großen und historischen Zusammenhang begreift. Olaf Kühl, Kulturaustausch