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Vier Jahrzehnte lang war die Idee einer nationalen Konföderation in den deutsch-deutschen Diskussionen präsent. Von den Konföderationsvorstellungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit über die Vorschläge der SED in den 1960er Jahren bis hin zu Helmut Kohls Zehn-Punkte-Programm Ende 1989 verband diese Idee west- und ostdeutsche Politiker unterschiedlichster Couleur und war ein Gradmesser der deutsch-deutschen Beziehungen. Die Studie von Dong-Ki Lee eröffnet durch das Nachzeichnen des Konföderationsgedankens eine neue Sicht auf die Deutschlandpolitik während des Kalten Krieges; eine "überaus…mehr

Produktbeschreibung
Vier Jahrzehnte lang war die Idee einer nationalen Konföderation in den deutsch-deutschen Diskussionen präsent. Von den Konföderationsvorstellungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit über die Vorschläge der SED in den 1960er Jahren bis hin zu Helmut Kohls Zehn-Punkte-Programm Ende 1989 verband diese Idee west- und ostdeutsche Politiker unterschiedlichster Couleur und war ein Gradmesser der deutsch-deutschen Beziehungen. Die Studie von Dong-Ki Lee eröffnet durch das Nachzeichnen des Konföderationsgedankens eine neue Sicht auf die Deutschlandpolitik während des Kalten Krieges; eine "überaus gründlich erforschte und mit einem abgewogenen Urteil argumentierende Leistung" (Lutz Niethammer).
Autorenporträt
Jahrgang 1966; geboren in Geochang, Südkorea; 1985-94 Studium der Westlichen Geschichte in Seoul; 1995-97 Doktorand in Seoul; Dozent an mehreren Universitäten in Südkorea; 2001-05 wissenschaftliche Hilfskraft bzw. Mitarbeiter an der Friedrich-Schiller-Universität Jena; 2009 Promotion ebenda; seit 2007 Dozent an der Seoul National University. Zahlreiche Veröffentlichungen und Übersetzungen ins Koreanische.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2011

Der Stärkere muss zahlen
Diskussionen über eine nationale Konföderation im geteilten Deutschland

Lässt sich durch Konföderation die Teilung Koreas überwinden? Am Beispiel des geteilten Deutschland untersucht die Studie Initiativen, den kommunistischen und den demokratisch-freiheitlichen Teil auf dem Weg eines Staatenbundes wieder zu vereinen. Zweimal wurde die Konföderation öffentlich diskutiert: in den fünfziger Jahren und mit Helmut Kohls Zehnpunkteplan im November 1989. Doch sie setzte sich nicht durch. Der Prozess der Wiedervereinigung ging schnell darüber hinweg, weil nach Neugründung der Länder in der DDR die in der alten Bundesrepublik verankerten föderalen Strukturen auf ganz Deutschland ausgeweitet wurden.

Auch wenn föderative Wurzeln der deutschen Nation im Rheinbund, im Deutschen Bund und bei der Reichsgründung 1871 mehr von historischen Zufälligkeiten, politischen Kompromissen und Hegemonialbestrebungen bestimmt waren, so lag nach 1945 der Gedanke doch nahe, vielleicht mittels Konföderation die Teilung überwinden zu können. Anstöße dazu kamen von neutralistisch gesinnten Gegnern der Westintegration Adenauers. Sie suchten mit ihrer pazifistischen Haltung nach Alternativen. Allen voran der Heidelberger Historiker Ulrich Noack, Wilhelm Elfes, einst Zentrumspolitiker, und Hermann Etzel, Kopf der Bayernpartei. Aus Motiven idealer Friedensgestaltung bei Noack, sozialpolitischer Verpflichtung bei Elfes und Verteidigung der bayerischen Interessen bei Etzel versuchten sie - unterstützt vom früheren Reichskanzler Josef Wirth -, in Kontakten mit der SED-Führung Chancen der Annäherung beider deutscher Staaten durch konföderative Gremien auszuloten. Die DDR-Regierung befasste sich im Herbst 1954 vorsichtig mit derlei Überlegungen, die aber rasch von den Sowjets im Keime erstickt wurden, weil sie nicht in ihr Zwei-Staaten-Konzept passten. Bei zwei geheimen Treffen 1955 und 1956 in Ost-Berlin brachte Bundesfinanzminister Fritz Schäffer die Konföderation ins Gespräch. Walter Ulbricht machte diese Sondierungen erst 1958 publik, als die Aussichten auf internationale Anerkennung der DDR wegen der Hallstein-Doktrin zusehends schwanden und die zweite Berlin-Krise begann.

Alle Konföderationsüberlegungen führt der Autor auf Noack, Elfes und Etzel zurück. Dabei übersieht er geflissentlich jene Kontroverse, die der Vorschlag des DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl 1950 auslöste: Bildung eines paritätisch besetzten Gesamtdeutschen Rats aus Vertretern der Regierungen in Bonn und Ost-Berlin. Bundeskanzler Konrad Adenauer lehnte diesen Weg ab, weil der DDR-Regierung demokratische Legitimation durch freie Wahlen fehlte; deren Abhaltung unter UNO-Aufsicht wurde von der SED boykottiert. Folglich war bereits der erste Schritt zu einer deutsch-deutschen Regierungskommission gescheitert. Ob Herbert Wehners Forderung von 1958 nach einer deutschen Wirtschaftsgemeinschaft wegweisend war, sei dahingestellt. In Wirklichkeit sollte der weiteren Teilung Deutschlands durch die in der EWG zu errichtende Zollunion der sechs entgegengewirkt werden. Unerwähnt bleibt auch, dass die Bundesregierung 1960 im Globke-Plan Überlegungen anstellte, freie Wahlen in beiden deutschen Staaten mit einem Zwischenstatus zu koppeln, der amtliche Beziehungen, Wahlen zu Volksvertretungen, einen Freie-Stadt-Status für Berlin sowie getrennte Mitgliedschaften in der Nato und im Warschauer Pakt vorsah. Der Mauerbau 1961 machte den Plan hinfällig.

Mit staatlicher Anerkennung der DDR seitens der SPD-FDP-Regierung Brandt/Scheel 1969 verlor der Konföderationsgedanke weiter an Boden. Allenfalls einige Linksintellektuelle und rechte Außenseiter sahen darin noch eine Chance. Ohne Hintergründe zu nennen wird die seit Ende der Adenauer-Ära betriebene Praxis, gegen Geld politisch Verfolgte aus Gefängnissen der DDR freizukaufen und humanitäre Fälle zu lösen, als Modell der siebziger Jahre für eine Annäherung gedeutet. Für die SED war es eine Devisenbeschaffungsmaßnahme, die half, chronische Finanzprobleme der DDR zu mildern. Das eigentlich wichtige Bindeglied war über vier Jahrzehnte das innerdeutsche Handelsabkommen, das auf Verlangen der vier Mächte erstmals am 8. Oktober 1949, einen Tag nach Gründung der DDR, von der Bundesregierung zunächst mehr widerwillig abgeschlossen wurde.

Als die Mauer fiel, setzte eine zweite große Debatte über die Konföderation ein. DDR-Ministerpräsident Hans Modrow schlug eine Vertragsgemeinschaft mit der Bundesrepublik vor, die der Rettung des demokratischen Sozialismus in der DDR dienen sollte. Auch die Antwort, Kohls Zehnpunkteprogramm, zielte nach Ansicht des Autors nicht auf die Schaffung konföderativer Strukturen. Damit sollten die demonstrierenden Massen beruhigt und die DDR unterminiert werden. Kohl habe auf lange Sicht keine Koexistenz beabsichtigt, sondern die Überwindung des instabilen Zustandes bis zur Wiedervereinigung und Beseitigung des DDR-Systems.

Letztlich werden die Gründe für das Scheitern der Staatenbund-Idee im asymmetrischen Teilungsverhältnis der beiden deutschen Staaten gesehen, der ökonomisch schwachen DDR und der Existenzgefährdung der SED-Herrschaft. Michail Gorbatschows Verzicht auf das sowjetische Veto bei der Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts der Deutschen habe dem Konzept den Todesstoß versetzt. Begünstigt worden sei der Misserfolg von den politischen Eliten in Deutschland, die jahrelang andere Prioritäten als Einheit und Souveränität gesetzt hätten.

Ob diese Erfahrungen dem geteilten Korea als Vorbild dienen können, bleibt offen. Dabei sind Lehren sehr wohl zu ziehen: Koreas Wiedervereinigung wird nur nach Gewährung von Freiheitsrechten in beiden Landesteilen möglich sein. Zwischen kommunistischer Diktatur, der demokratische Legitimation durch freie Wahlen fehlt, und westlicher Demokratie gibt es keinen "dritten Weg". Überdies wird der ökonomisch Stärkere stets für den Schwächeren zahlen müssen.

HANNS JÜRGEN KÜSTERS

Dong-Ki Lee: Option oder Illusion? Die Idee einer nationalen Konföderation im geteilten Deutschland 1949-1990. Ch. Links Verlag 2010. 460 S., 39,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hanns Jürgen Küsters macht sich keine Hoffnungen auf einen dritten Weg zwischen kommunistischer Diktatur und westlicher Demokratie. Das ist für ihn eine Lehre, die sich aus der deutsch-deutschen Geschichte ziehen lässt. Wenn Dong-Ki Lee in seiner Studie zu Chancen einer Wiedervereinigung der beiden Teile Koreas durch einen Staatenbund das Beispiel des geteilten Deutschland untersucht, vermisst der Rezensent zwar die eine oder andere Facette in den Konföderationsüberlegungen Ost und West. Die Gründe für das Scheitern der Staatenbund-Idee (Stichwort: Asymmetrisches Teilungsverhältnis) stehen ihm nach der Lektüre jedoch klar vor Augen. Ob Korea daraus lernen kann, vermag er nicht zu prophezeien.

© Perlentaucher Medien GmbH