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Kaum ein Staatschef amtierte so lange wie Fidel Castro. 47 Jahre war er in Kuba an der Macht, bevor er sich 2006 krankheitsbedingt zurückzog - vorübergehend, wie er verkündete. Doch aus dem Hintergrund steuert der 80-Jährige weiterhin die Geschicke der Insel, achtet er darauf, dass sein Kurs eines autoritären Sozialismus beibehalten wird. Eine Liberalisierung lehnt er ab. Während die USA Castro bekämpfen und seit Jahrzehnten das Land mit Sanktionen überziehen, setzten europäische Staaten zumeist auf Kooperation und kritischen Dialog. Doch 2003 kam es zum politischen Eklat, als Castro 75…mehr

Produktbeschreibung
Kaum ein Staatschef amtierte so lange wie Fidel Castro. 47 Jahre war er in Kuba an der Macht, bevor er sich 2006 krankheitsbedingt zurückzog - vorübergehend, wie er verkündete. Doch aus dem Hintergrund steuert der 80-Jährige weiterhin die Geschicke der Insel, achtet er darauf, dass sein Kurs eines autoritären Sozialismus beibehalten wird. Eine Liberalisierung lehnt er ab. Während die USA Castro bekämpfen und seit Jahrzehnten das Land mit Sanktionen überziehen, setzten europäische Staaten zumeist auf Kooperation und kritischen Dialog. Doch 2003 kam es zum politischen Eklat, als Castro 75 Oppositionelle inhaftieren ließ und die EU protestierte. Eine Eiszeit folgte. Bernd Wulffen war von 2001 bis 2005 deutscher Botschafter in Havanna. Er schildert anschaulich die dramatischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre und analysiert alternative Modelle für die Zukunft der Karibik-Insel.
Autorenporträt
Jahrgang 1940; aufgewachsen im Sudetenland und in Thüringen, 1948 Flucht der Familie in die Bundesrepublik; 1959-63 Studium der Rechtswissenschaften, Romanistik und Politologie in Frankfurt a.M., West-Berlin und Marburg; 1965 Stipendium in Pisa, 1967 Promotion, 1968 Assessorexamen, danach Anwaltstätigkeit; 1969 Eintritt in den höheren auswärtigen Dienst, Attaché in Madrid, 1970-91 Kulturattaché und Konsul an der Botschaft in Buenos Aires, Presseattaché in Mexiko, Wirtschafts- und Wissenschaftsattaché in Jakarta und Peking, Botschafter in Kuwait und Bahrein, 1992 Koordinator des Weltwirtschaftsgipfels in München, 1993-99 Tätigkeit im Auswärtigen Amt, 1999-2000 Ziviler Koordinator für den Kosovo, 2001-05 Botschafter in Kuba; lebt seit Juli 2005 in Berlin und Tucuman, Argentinien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.12.2006

Eine Frage der Temperatur
Botschafter Wulffen hat in Havanna keine guten Zeitungen gelesen

Von 2001 bis 2005 vertrat Bernd Wulffen die Bundesrepublik Deutschland in Kuba. Dort erlebte er die Jahre der "eingefrorenen Beziehungen" zwischen den EU-Staaten und Kuba - eine Eiszeit, die durch Fidel Castros Sturheit, aber auch auf Betreiben des damaligen spanischen Ministerpräsidenten Aznar, der unterstützt wurde von dem deutschen Außenminister Fischer, besonders kalt wurde. Der Botschafter schildert eindringlich die Schauprozesse gegen die intellektuelle Opposition, die allen rechtsstaatlichen Normen widersprachen. Trotzdem wandte er sich mutig gegen die von der persönlichen Abneigung gegen den "Diktator und Nationalisten" geprägte Haltung des Ministers Fischer, der noch nicht einmal die deutsche sprachliche und kulturelle Arbeit in Kuba, wo viele Deutschsprachige leben, erlauben wollte. Im Laufe des Jahres 2004 sorgten Belgien, Frankreich und vor allem die neue spanische Regierung für ein Auftauen des Eises, ohne daß sie darauf verzichteten, die kubanische Regierung an die Beachtung der Menschenrechte zu erinnern.

Wulffen berichtet vorwiegend von eigenen beruflichen Erfahrungen; seine Zusammenkünfte mit Castro finden gewöhnlich bei Besuchen deutscher Politiker statt. Für ein umfassendes Buch zum aktuellen Kuba hätte Wulffen viele Informationen in guten Zeitungen finden können, doch hat er da kaum nachgeschaut. Von guten Journalisten hätte der Botschafter auch die Genauigkeit, die von professionellen Schreibern verlangt wird, übernehmen können. Castros Vater, Angel Castro, stammt nicht aus dem polnischen Galizien, sondern aus der spanischen Nordwestregion Galicien, und statt der "sozialistischen Revolution" wäre - auf den Prozeß von Kuba bezogen - wohl eine "kommunistische Revolution" richtiger gewesen. Wulffen scheint die Rolle Spaniens in Kuba nicht richtig einzuschätzen. So erwähnt er, wenn er von den wichtigsten EU-Staaten spricht, immer Großbritannien, Frankreich und Italien und vergißt regelmäßig Spanien. Spanien hatte - selbst während der Franco-Diktatur - die Blockade-Politik der Vereinigten Staaten gegenüber Kuba nicht befolgt, so daß der Flughafen Madrid lange Zeit das einzige Tor Kubas zur übrigen Welt war. Spanien ist der größte Wirtschaftspartner Kubas, und ein Großteil der kubanischen Bevölkerung verfügt noch über spanische Staatsangehörigkeit.

Wulffen hat seine Zeit als Botschafter in Kuba gut genutzt. Seine Beobachtungen, vor allem über die möglichen Nachfolgekandidaten von Fidel Castro, sind gerade jetzt - während der schweren Erkrankung des "Máximo líder" - besonders interessant. Die Anmerkungen über Raúl Castro, Carlos Lage, Ricardo Alarcón und Felipe Pérez Roque sind ohne jede Vorurteile um eine sachliche Wertung dieser Politiker bemüht. Es spricht für Wulffens Urteilsvermögen und seine Erfahrung im Umgang mit den Kubanern, wenn er in Carlos Lage den geeignetsten und für Reformen offenen Nachfolgekandidaten sieht. Noch lebt Castro allerdings, und solange der "Máximo líder" am Leben ist, wird dieser - wenn auch vielleicht nicht mehr ganz allein - bestimmen.

WALTER HAUBRICH

Bernd Wulffen: Eiszeit in den Tropen. Botschafter bei Fidel Castro. Ch. Links Verlag, Berlin 2006. 320 S., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.08.2006

Starrsinn, Charme und Charisma
Neue Bücher über Fidel Castro, den kranken, soeben 80 Jahre alt gewordenen Staatschef von Kuba
Eigentlich hätte es sein großer Tag sein sollen: Mit gewohntem revolutionärem Pomp wollte Fidel Castro am vergangenen Sonntag seinen 80. Geburtstag feiern - und 47 Jahre institutionalisierte Revolution. Ein Jubeltag hätte es werden sollen für die, die im Máximo Líder den Befreier Kubas sehen, der dem Inselstaat seine Würde zurückgegeben hat, nachdem er zuvor ein halbes Jahrhundert lang das Freudenhaus der USA gewesen war; und ein weiterer Tag der Niederlage für die anderen, die Castro vorwerfen, er verteidige ein gescheitertes Systems mit stalinistischen Zügen.
Nun aber muss sich Castro von seiner Darmoperation erholen, und statt des gewohnten Kampfanzuges trägt er den rot-weiß gestreiften Trainingsanzugs des Rekonvaleszenten. Die Jubelfeier wurde auf den 2. Dezember verlegt, den 50. Jahrestag seiner Rückkehr aus dem Exil an Bord der Yacht Granma. In dem Moment, in dem Castro sich also gewissermaßen am Übergang von Weltpolitik zu Weltgeschichte befindet, neigt man dazu, in den Biografien, die anlässlich seines 80. Geburtstags erschienen sind, schnell zu den letzten Seiten vorzublättern. Dorthin, wo die Prognosen stehen, wie es nach ihm weitergehen kann.
Der mexikanische Publizist José de Villa und der deutsche Literatur-Übersetzer Jürgen Neubauer entwerfen in ihrem Buch „Máximo Líder” vier Szenarien - von einer Invasion der USA bis zum friedlichen Übergang, der von der herrschenden Klasse Kubas selbst ausgeht, und in dem die Macht im Norden nur den Katalysator spielt. So wie in Nicaragua, wo die Revolutionsregierung Daniel Ortegas 1990 abgewählt und durch eine bürgerliche Koalition ersetzt wurde. Heute ist Nicaragua ein normales Drittwelt-Land mit ungebremster Marktwirtschaft, extremen Gegensätzen zwischen Arm und Reich und einem US-Botschafter, der bei allen wichtigen Dingen mitredet.
Ob das in Kuba auch so kommt, wird von dem „Kollektiv” abhängen, in dessen Hände Castro die Macht gelegt hat. Villa/Neubauer trauen vor allem zwei Akteuren Führungskraft zu: dem so jungdynamischen wie linientreuen Außenminister Felipe Pérez Roque und dem hemdsärmligen, volksnahen Vizepräsidenten Carlos Lage. Letztlich bleiben aber auch Villa/Neubauer beim notorischen „Nichts Genaues weiß man nicht”, was daran liegt, dass ihr Buch sich fast nur aus der Fachliteratur speist. Der eilige Leser, der keine Zeit hat etwa für die monumentale fiktive Autobiografie Castros von Norberto Fuentes, erhält hier einen zeitsparenden, flott geschriebenen Überblick: den Aufstieg des Großgrundbesitzersohns und Jesuitenschülers Castro zum aufrührerischen Anwalt, den sein Machtinstinkt und seine - für Lateinamerika außergewöhnliche - Beharrlichkeit zum Revolutionsidol machten.
Im bisweilen flapsigen Plauderton erheben die Autoren Fidel Castro noch vor seinem Tod zum Mythos. Wer der Meinung ist, dass auf Kuba ein irgendwie romantischer, politischer Filou am Werke war und ist, der geschickt zwischen den Machtblöcken manövriert, bekommt das durch Episoden, Anekdoten und Zitate bestätigt, deren Herkunft leider nicht immer nachgewiesen wird. Persönliches Erfahren der Autoren ist nicht erkennbar. Es sind letztlich Beobachtungen aus der räumlichen Distanz, denen es an inhaltlicher Distanz mitunter mangelt.
Ganz nah dran war hingegen Bernd Wulffen, der von 2001 bis 2005 als deutscher Botschafter auf Kuba amtierte. Sein „Eiszeit in den Tropen” ist die spannende Beschreibung des heiklen Alltags eines Diplomaten und erinnert an Jorge Edwards, den Botschafter Chiles zu Zeiten Salvador Allendes, der am Ende im Streit von Kuba schied. Auch Wulffen nähert sich der Insel mit Sympathie - und das nicht nur in der Dienstlimousine. Er fährt mit dem Fahrrad durch Havanna, stellt sich in der Wechselstube in die Schlange und erlebt Sorgen und Nöte der Bevölkerung; mehrmals trrifft er Fidel Castro. Eine gewisse Bewunderung für den Máximo Líder kann er anfangs nicht leugnen, den „Charismatiker und Charmeur”, der - auch im Alter noch ganz Comandante - die Koordination nach einem Hurrikan persönlich übernimmt. Doch das Bild wandelt sich spätestens, als die Botschaften der EU-Staaten „eingefroren” werden, weil sie sich für Dissidenten einsetzen. Das Regime hält sie von allen wichtigen Ereignissen fern, Wulffen konstatiert ideologischen Starrsinn. „Ich hätte mich auch an den Strand legen können”, schreibt der Exdiplomat, entscheidet sich aber zum Glück für den Leser, weiter Eindrücke aus der zweiten Reihe zu sammeln, und die sind oft die interessantesten: so etwa, dass hinter den Kulissen die Beziehungen zwischen Kuba und den USA längst viel weiter gediehen sind, als es die aggressive Front-Rhetorik auf beiden Seiten vermuten ließe.
SEBASTIAN SCHOEPP
BERND WULFFEN: Eiszeit in den Tropen. Botschafter bei Fidel Castro. Christoph Links Verlag, Berlin 2006. 320 Seiten, 19,90 Euro.
JOSÉ DE VILLA / JÜRGEN NEUBAUER: Máximo Líder. Fidel Castro, eine Biografie. Econ-Verlag, Berlin 2006. 271 Seiten, 19,95 Euro.
Verehrt und verhasst: Fidel Castro, der 1959 den kubanischen Diktator Fulgencio Batista stürzte, soziale Reformen durchsetzte, aber auch ein auf seine Person zugeschnittenes diktatorisches Regime errichtete.
Foto: Sven Creutzmann
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Angetan berichtet Rezensent Sebastian Schoepp über die Kuba-Eindrücke Bernd Wulffens, der von 2001 bis 2005 als deutscher Botschafter auf Castros Insel amtierte. Dessen Berichte über den Diplomatenalltag auf Kuba findet er ziemlich "spannend", schon wegen Wulffens Nähe zum Geschehen - inklusive persönlicher Begegnungen mit Castro. Schoepp hebt hervor, dass Wulffens anfängliche Bewunderung für den Revolutionär bald einer Ernüchterung wich, als die Botschaften der EU-Staaten "eingefroren" wurden, weil sie sich für Dissidenten einsetzen. Alles in allem bescheinigt er dem Autor einen aufschlussreichen Blick hinter die Kulissen. Deutlich werde etwa, dass Beziehungen zwischen Kuba und den USA wesentlich weiter gediehen sind, "als es die aggressive Front-Rhetorik auf beiden Seiten vermuten ließe".

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