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Hermann Weber, der Nestor der bundesdeutschen DDR-Forschung, und seine Frau Gerda haben als Linke in der Bundesrepublik ein politisch bewegtes Leben geführt: In den 1950er Jahren waren sie im Verdacht illegaler kommunistischer Tätigkeit vom Staat inhaftiert worden, während sie die früheren Genossen als Anti-Stalinisten ächteten. Mit undogmatischen Freunden bei den "Falken", dem SDS, in den Gewerkschaften und bei der SPD versuchten sie sodann einen eigenständigen "Dritten Weg", der sie immer wieder in Konflikt mit den vorherrschenden Denkmustern des Kalten Krieges brachte. Besonders heftig…mehr

Produktbeschreibung
Hermann Weber, der Nestor der bundesdeutschen DDR-Forschung, und seine Frau Gerda haben als Linke in der Bundesrepublik ein politisch bewegtes Leben geführt: In den 1950er Jahren waren sie im Verdacht illegaler kommunistischer Tätigkeit vom Staat inhaftiert worden, während sie die früheren Genossen als Anti-Stalinisten ächteten. Mit undogmatischen Freunden bei den "Falken", dem SDS, in den Gewerkschaften und bei der SPD versuchten sie sodann einen eigenständigen "Dritten Weg", der sie immer wieder in Konflikt mit den vorherrschenden Denkmustern des Kalten Krieges brachte. Besonders heftig attackiert wurde Hermann Weber von der SED-Führung, der er mehrfach Geschichtsfälschungen nachweisen konnte. Sie setze daraufhin mehrere MfS-Spitzel im Westen auf ihn an.
Im Rückblick auf fünf Jahrzehnte persönlicher Erfahrungen und Begegnungen werden zugleich wichtige politische Schnittpunkte des 20. Jahrhunderts reflektiert.
Autorenporträt
Weber, Hermann1928 - 2014, Prof. Dr. Dr. h.c. em. Ordinarius für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte an der Universität Mannheim, dort 1981-97 Leiter des Arbeitsbereichs DDR-Geschichte, Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der Historischen Kommission zu Berlin und der Deutsch-Russischen Historikerkommission. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte des Kommunismus; Herausgeber des Jahrbuchs für Historische Kommunismusforschung; 2002 erschien der erste Teil seiner Autobiographie: »Damals, als ich Wunderlich hieß«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.12.2006

Gegen Stalins Grußbotschaft
Hermann Weber erinnert sich weiter / Von Gunter Holzweissig

Im Februar 1990 erreichte Hermann Weber, den Nestor der deutschen DDR- und Kommunismusforschung, ein frappierender Brief aus Dresden. Der Absender entschuldigte sich darin für seine 1984 abgelieferte Dissertation. Titel: "Die Auseinandersetzung mit Hauptangriffen des sozialreformistischen DDR-Forschers Hermann Weber auf die führende Rolle der SED". Der parteifromme Autor hatte sich mit nicht weniger als hundert im Giftschrank verwahrten Publikationen Webers polemisch auseinandergesetzt. Korrekt findet Weber nur diese biographische Notiz: "Der Renegat Hermann Ludwig Leo Weber, Jahrgang 1928, in Mannheim geboren, stammt aus einem kommunistischen Elternhaus. Der Vater Hermann Weber arbeitete als Former. Nach 1933 illegal tätig, wurde er 1934 von den Faschisten verhaftet. Weber selbst wurde wegen seiner Weigerung, in die SS einzutreten, von der Lehrerbildungsanstalt, in die er 1943 eingetreten war, 1944 relegiert und arbeitete dann in einem Mannheimer Großbetrieb. 1945 trat er der KPD bei." Webers familiäre Sozialisierung machte ihn resistent gegen eine freiwillige Meldung zur Waffen-SS.

Wie es bis 1949 weiterging, berichtete Weber in seinem 2002 erschienenen Buch "Damals, als ich Wunderlich hieß". Wunderlich war Webers Deckname in der SED-Parteihochschule in Kleinmachnow. Dorthin hatte ihn die Badener KPD-Leitung zusammen mit seinem damaligen engen Freund Herbert Mies delegiert. In Kleinmachnow lernte Weber seine spätere Frau, die Mitschülerin Gerda Röder, kennen. In der Bibliothek der Parteihochschule nahm Weber Einblick in die Protokolle der Moskauer Schauprozesse der dreißiger Jahre. Im heimlichen Selbststudium erschlossen sich ihm dabei die Verbrechen Stalins. Sie lösten bei dem gläubigen Jungkommunisten erstmals ideologische Zweifel aus, die ihn zu seinen späteren bahnbrechenden Forschungen über die "weißen Flecken" des roten Totalitarismus motivieren sollten. Nach der Rückkehr in die Bundesrepublik wurde Weber 1950 Chefredakteur des westdeutschen FDJ-Organs "Das Junge Deutschland". Weil er ein Grußtelegramm Stalins nicht als Aufmacher brachte, ließ ihn der FDJ-Vorsitzende Erich Honecker absetzen. Von einer Selbstbestimmung westdeutscher Kommunisten, die damalige Mitstreiter Webers noch heute für sich reklamieren, kann keine Rede sein. Gerda Weber, die nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik zur 1. Sekretärin des westdeutschen Demokratischen Frauenbundes (DFD) bestellt wurde, bestätigt dies: "Natürlich war der westdeutsche DFD eine von der SED/KPD gelenkte Tarnorganisation. Dabei bedienten wir uns, ähnlich wie bei der FDJ, einiger Täuschungsmanöver, denn es galt, gezielt geeignete Frauenpersönlichkeiten als Aushängeschilder zu gewinnen."

Als Gerda und Hermann Weber 1953 gerade im Begriff waren, sich von der KPD zu lösen, wurden sie unter dem Vorwurf, illegale politische Arbeit betrieben zu haben, in Untersuchungshaft genommen, ohne daß es zu einer Verurteilung kam. Nach ihrer Entlassung schloß sie die KPD wegen "parteifeindlichen" Verhaltens aus. "Arm wie Kirchenmäuse", begannen sie, sich eine neue Existenz aufzubauen. Eine politische Heimat fanden sie schließlich als keineswegs bequeme Mitglieder in der SPD. Sei es, daß sie sich in den fünfziger Jahren auf die vergebliche Suche nach einem dritten Weg zwischen Ost und West begaben oder später eine "distanziertere, kritische Haltung von Sozialdemokraten gegenüber der SED-Diktatur" vermißten. Leitbild ist für sie das "Prinzip links", das sie in der Tradition der Aufklärung mit Freiheit, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit verbinden. Vielfach werde "links" aber durch Leute instrumentalisiert, die dahinter ihre "reaktionären, gar zur Diktatur neigenden, häufig irrwitzigen Ansichten verbergen".

Mit beißender Ironie beschreibt Hermann Weber das Nach-Wende-Verhalten von SED-Historikern. In Diskussionen mit ihnen diagnostizierte er ein relativierendes "Ja, aber"-Syndrom. Beispielhaft dafür: Ja, die stalinistischen Verbrechen seien schlimm gewesen, aber die Wandlung der SPD von einer Arbeiter- zur Volkspartei sei noch nicht untersucht worden. Etliche DDR-Historiker hätten zwar anfangs scharf mit dem SED-Regime abgerechnet, nach einiger Zeit jedoch die "Rolle rückwärts" gemacht. Voller Zorn blickt Weber dagegen auf das in den MfS-Akten entdeckte Treiben der auf ihn angesetzten IMs zurück. Selbst der Geschäftsführende Leiter seines renommierten Mannheimer Arbeitsbereichs zur Geschichte und Politik der DDR, der nicht sein Wunschkandidat war, hatte eine Stasi-Vergangenheit.

Die östlichen Einwirkungsversuche vermochten die wissenschaftlichen Leistungen Hermann Webers nicht zu beeinträchtigen. Nach der Wiedervereinigung wurde er zum unentbehrlichen Ratgeber bei der Sicherung der DDR-Archive, in beiden Enquetekommissionen des Bundestages zur Aufarbeitung der SED-Diktatur oder in der deutsch-russischen Historiker-Kommission.

Hermann und Gerda Weber: Leben nach dem "Prinzip links". Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten. Ch. Links Verlag, Berlin 2006. 480 S., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Erfrischt wie nach einem Sitzungsmarathon ist Rezensent Christoph Dieckmann nach der Lektüre des zweiten Teils der Erinnerungen des Kommunismusforschers Hermann Weber und seiner Frau Gerda. Als parteikritischer Marxist und führender DDR-Experte sei Hermann Weber zwischen die Stühle des Kalten Krieges geraten und hätte deshalb viel Interessantes zu erzählen, befindet er. Allerdings überfordere Weber seine Leser nicht nur mit einem Übermaß weitgehend unbekannter Namen, sondern ermatte sie zudem mit seinem wenig ansprechenden Erzählstil. Besser unterhalten hat Dieckmann sich bei den von Gerda Hermann verfassten Passagen. Die Geschichte habe Webers politischen Analysen jedoch durchaus Recht gegeben, meint der Rezensent und erwartet, dass sich Weber im nächsten Band seiner Erinnerungen den Problemen der heutigen Demokratie zuwendet. Ob er dieser Lektüre mit Freude oder Missmut entgegen sieht, lässt Dieckmann allerdings offen.

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