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Als Folge der politischen Gleichschaltungsprozesse in der SBZ/DDR schufen sich die bundesdeutschen Parteien besondere 'Ostbüros', die als Anlaufstellen für politisch sympathisierende 'Zonenflüchtlinge' fungierten und mit deren Hilfe der Kontakt zu heimlichen Anhängern im Osten organisiert wurde. Der Autor rekonstruiert nicht nur die Entwicklung der einzelnen Büros, sondern untersucht auch - primär anhand von MfS-Akten - die 'Gegenaktionen' des SED-Staates: Infiltration, Entführungen, Psychoterror, Diffamierungskampagnen und konspirative Einflußnahme im Westen. Die Dezimierung und…mehr

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Produktbeschreibung
Als Folge der politischen Gleichschaltungsprozesse in der SBZ/DDR schufen sich die bundesdeutschen Parteien besondere 'Ostbüros', die als Anlaufstellen für politisch sympathisierende 'Zonenflüchtlinge' fungierten und mit deren Hilfe der Kontakt zu heimlichen Anhängern im Osten organisiert wurde. Der Autor rekonstruiert nicht nur die Entwicklung der einzelnen Büros, sondern untersucht auch - primär anhand von MfS-Akten - die 'Gegenaktionen' des SED-Staates: Infiltration, Entführungen, Psychoterror, Diffamierungskampagnen und konspirative Einflußnahme im Westen. Die Dezimierung und Einschüchterung ihrer Kontaktleute in der DDR infolge massiver Verhaftungen trugen ebenso zum Niedergang der Ostbüros bei wie die Abkehr der bundesdeutschen Parteien von der Konfrontationspolitik des Kalten Krieges.
Autorenporträt
Buschfort, Wolfgang§Jahrgang 1961, Studium und Promotion an der Ruhr-Universität Bochum; zur Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Forschungsprojekt der DFG zur Erforschung der Geschichte des westdeutschen Verfassungsschutzes, außerdem freier Journalist beim Westdeutschen Rundfunk.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.01.2001

Ballonaktionen nach drüben
Die Ostbüros von CDU, SPD und FDP im Kampf gegen die DDR

Wolfgang Buschfort: Parteien im Kalten Krieg. Die Ostbüros von SPD, CDU und FDP. Analysen und Dokumente, Band 19. Ch. Links Verlag, Berlin 2000. 260 Seiten, 30,- Mark.

Kaum drei Jahre nach Kriegsende hatte die SED die 1945 neu- beziehungsweise wiedergegründeten Parteien gleichgeschaltet. Ihre Unterdrückung führte zu massenhafter Flucht ihrer Mitglieder. Als Konsequenz daraus wurde schon im Juni 1946 das Referat "Ostbüro" beim Parteivorstand der SPD in Hannover gebildet. Im März 1948 folgte das Ostbüro der CDU beim abgesetzten Vorsitzenden Jakob Kaiser, der mit fast dem gesamten CDU-Hauptvorstand in die Westsektoren Berlins übergesiedelt war, schließlich der "Hilfsdienst Ost" der Liberalen Mitte 1948 nach der Spaltung des FDP-Landesverbandes Berlin.

Nach der Aufbauphase bis 1950 sorgten hauptamtliche (SPD 50, CDU zirka 15, FDP zirka 10) und freie Mitarbeiter - trotz des Kompetenzgerangels mit den Berliner Parteiverbänden und den entsprechenden Abteilungen bei den Zentralen - für eine möglichst effektive Arbeit dieser Büros. Vorrangig widmeten sie sich der Betreuung der Flüchtlinge - auch in den Aufnahmelagern Berlin-Marienfelde, Gießen und Uelzen -, der Hilfe bei Anerkennung, sozialer Unterstützung und Stellenvermittlung. Die FDP unterhielt sogar einen "Ärztlichen Betreuungsdienst". Weitere Aufgabe war die Informationsbeschaffung über die politische und wirtschaftliche Lage der SBZ/DDR durch Auswertung von Zeitungen und intensive Befragung von Flüchtlingen.

Zu den Aktivitäten zählte auch die Aufklärung der Bevölkerung in der SBZ/DDR durch das Einschleusen von Publikationen aller Art auf dem Postweg oder durch Kuriere und Vertrauensleute, die dafür ein hohes Risiko eingingen und nicht selten in Schauprozessen zu abschreckend hohen Zuchthausstrafen verurteilt wurden. Das SPD-Ostbüro arbeitete häufig mit dem Nachdruck von DDR-Zeitungen, die diesen auf der Titelseite zwar entsprachen, aber im Innern die Diktatur anprangerten. Das Ostbüro der CDU ließ in der DDR eine Kleinausgabe der 1948 gegründeten West-Berliner CDU-Zeitung "Der Tag" verteilen. Ab 1953 erfolgte die ungefährlichere Verbreitung von Flugblättern mit Gasballons.

Für diese konspirativen Tätigkeiten brauchte man zuverlässige Mitarbeiter, die häufig unter den politischen Flüchtlingen rekrutiert wurden. Ihre Auswahl bedurfte besonderer Sorgfalt, da die Ostbüros naturgemäß im Visier des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) standen. 1955 sorgten etwa 150 Mitarbeiter für die Ausspähung der Büros, die Unterwanderung mit Spitzeln, die Überwachung ihrer Mitarbeiter und Besucher. Einbrüche, Diffamierungskampagnen, Verhaftung von Vertrauensleuten und Entführungen zählten zum Katalog der MfS-Maßnahmen. Trotz sorgfältigster Personalrekrutierung ließ sich die Einschleusung von Stasi-Spitzeln nicht gänzlich verhindern, beim CDU-Ostbüro allerdings ziemlich erfolglos, obwohl in den Akten der Gauck-Behörde genaue Skizzen der Räume des Büros aufgetaucht sind.

Der Bau der Mauer 1961, der die direkten Kontakte in die DDR praktisch unmöglich machte, und die Deutschland- und Ostpolitik der Regierung Brandt/Scheel waren tiefe Einschnitte in der Arbeit der Ostbüros. Das FDP-Ostbüro hatte seine Arbeit bereits 1956 reduzieren müssen, wegen der Gespräche der Parteiführung mit der LDPD. Konfrontative Aktivitäten, die Ballonaktionen und die Schriftreihen wurden eingestellt, das Personal abgebaut, der "Hilfsdienst Ost" zum Referat "Wiedervereinigung und Flüchtlingsbetreuung" bei der Bundespartei zurückgestuft und das Berliner Büro dem Landesverband unterstellt.

Herbert Wehner forderte jahrelang die Auflösung des Ostbüros in der SPD-Zentrale, bis sein Leiter entnervt ausschied. Danach wurde es in das "Referat für gesamtdeutsche Fragen" umgewandelt und wertete vorrangig Zeitungen aus. 1971 wurde es aufgelöst, die Auflösung des Berliner Ostbüros folgte 1981.

Auch das CDU-Ostbüro verlor nach 1961 und dem sich verringernden Einfluß der Exil-CDU an Bedeutung, bestand aber nach seiner Umbenennung 1972 als "Deutschlandbüro" bis 1987 mit wenigen Mitarbeitern in Berlin fort, seine Abwicklung wurde bis 1990 hinausgezögert.

Der Autor hat Entstehung, Entwicklung und die Aktivitäten der Ostbüros hauptsächlich am Beispiel der Ostbüros von SPD und FDP abgehandelt, das CDU-Ostbüro hingegen wird nur relativ knapp dargestellt. Dabei hätten umfängliche Aktenbestände und eine biographische Dokumentation verfolgter CDU-Anhänger, die im Literaturverzeichnis fehlt, zur Verfügung gestanden. Wünschenswert wäre auch gewesen, die alltägliche Arbeit, den Einsatz und die Gefährdung der freien Mitarbeiter etwas ausführlicher zu beschreiben. Dagegen sind die schwierigen Arbeitsbedingungen, die vielfältigen Verstrickungen der Mitarbeiter und die aggressiven Maßnahmen des MfS gegen die Ostbüros vor allem anhand der Akten der Gauck-Behörde mit akribischer Genauigkeit nachgezeichnet.

Die DDR-Forschung hat die Ostbüros der Parteien und der Organisationen, die sich mit dem Unrechtssystem der DDR auseinandersetzten, bisher nur bruchstückhaft behandelt. Noch nicht wissenschaftlich bearbeitet sind beispielsweise die "Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" oder der "Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen", der nicht nur die politischen Delikte registrierte, die auf Weisung des SED-Regimes erfolgten, sondern auch nachweisen konnte, daß sehr viele ehemalige NSDAP-Mitarbeiter in führende Positionen der DDR aufgestiegen waren. Wolfgang Buschfort schließt deshalb mit seiner verdienstvollen Arbeit eine Lücke.

GÜNTER BUCHSTAB

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Günter Buchstab begrüßt dieses Buch über die Ostbüros der drei großen Parteien der Bundesrepublik und sieht mit ihm eine "Lücke" geschlossen. Allerdings hat er auch einiges zu bemängeln. So bedauert er, dass zwar die Ostbüros der SPD und der FDP eingehend in ihrer Entstehung und ihrem Wirken dargestellt werden, die Aktivitäten der CDU dagegen "relativ knapp" ausgeführt werden und das, obwohl genug Quellenmaterial zur Verfügung stehe, wie der Rezensent betont. Auch hätte er sich gewünscht, mehr über die "alltägliche Arbeit, den Einsatz und die Gefährdung der freien Mitarbeiter" der Ostbüros zu erfahren. Trotzdem lobt Buchstab die Studie abschließend als "verdienstvolle Arbeit", die bisherige Versäumnisse der "DDR-Forschung" aufarbeite.

© Perlentaucher Medien GmbH
"In den Kellern der einschlägigen Archive harren noch immer Aktenberge zur innerdeutschen Systemkonfrontation der Sichtung. Insofern hat sich Wolfgang Buschfort ein bleibendes Verdienst damit erworben, daß er versucht, erste Schneisen in das Überlieferungsdickicht zu schlagen und die Geschichte der Ostbüros mehr ins Bewußtsein zu führen.Was er an Informationen und Einzelheiten über die schwierige Aufgabe dieses konspirativen Teils der innerdeutschen Parteiarbeit herausarbeitet, ist schon erstaunlich und liest sich teilweise spannend wie ein Krimi, besser gesagt wie ein Agentenroman." (Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung, Jg. 13)

"Buschfort ist es gelungen, anschaulich und informativ die Arbeitsweise und Finanzierung der Ostbüros, deren Kooperation und Konkurrieren, ihre ungenügende Akzeptanz bei den Mutterparteien sowie ihr gelegentliches, nicht zuletzt durch MfS-Aktivitäten bedingtes Versagen darzustellen." (Deutschland Archiv, 3/2002)