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Für 2013 hat sich Marseille herausgeputzt, und ein urbanistisches Erneuerungsprogramm soll Frankreichs älteste Stadt für ihre postindustrielle Karriere als Business-Standort rüsten.Marseille jedoch spielte immer eine besondere Rolle unter Frankreichs großen Städten. Sie verteidigte ihre Eigenständigkeit und wehrte sich gegen Zugriffe des Zentralstaats. Dafür wurde sie auch mehrmals hart bestraft.Das Buch beschreibt die große Bedeutung des Marseiller Hafens als Durchgangsstation für Waren und Reisende, Ein- und Auswanderer, Kolonialbeamte, Truppen- und Fluchtbewegungen. Wellen von Immigranten…mehr

Produktbeschreibung
Für 2013 hat sich Marseille herausgeputzt, und ein urbanistisches Erneuerungsprogramm soll Frankreichs älteste Stadt für ihre postindustrielle Karriere als Business-Standort rüsten.Marseille jedoch spielte immer eine besondere Rolle unter Frankreichs großen Städten. Sie verteidigte ihre Eigenständigkeit und wehrte sich gegen Zugriffe des Zentralstaats. Dafür wurde sie auch mehrmals hart bestraft.Das Buch beschreibt die große Bedeutung des Marseiller Hafens als Durchgangsstation für Waren und Reisende, Ein- und Auswanderer, Kolonialbeamte, Truppen- und Fluchtbewegungen. Wellen von Immigranten haben das Bevölkerungsgemisch dieser Stadt hervorgebracht: Korsen, Italiener, Griechen, Armenier, Maghrebiner, Pieds-noir und Komorer. Auch Deutsche hatten mit dieser Stadt zu tun - als neugierige Literaten wie Egon Erwin Kisch, Joseph Roth, Siegfried Kracauer, Walter Benjamin, Kurt Tucholsky u.a., als antifaschistische Flüchtlinge oder als Besatzer im Zweiten Weltkrieg.Dass die zentralen Viertel von Marseille noch heute von Immigranten und kleinen Leuten bewohnt sind, passt der aktuellen Stadtpolitik nicht ins Konzept. Ob aber die 'Normalisierung' gelingt, ist nicht sicher in dieser Stadt, in der die Dinge selten liefen wie geplant.
Autorenporträt
Günter Liehr, Jahrgang 1949, Studium der Literaturwissenschaften in Bonn, Deutschlehrer, Journalist und Sachbuchautor. Er lebt seit 1977 in Paris, seit 1989 Redakteur beim französischen Auslandssender Radio France Internationale. Veröffentlichungen zur französischen Medienlandschaft und zur Geschichte von Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.2013

Eine Stadt schüttelt sich zurecht

Philippe Carrèse ist stolz auf seine Stadt, "die schönste der Welt", wie der Schriftsteller aus Marseille nicht müde wird zu betonen. Dabei ging es mit Marseille in den vergangenen Jahren immer mehr bergab. Die einstige Weltmetropole am Mittelmeer hatte, im Würgegriff von Armut, Korruption und Bandenkriegen, den Anschluss an Europa schon fast verloren. Da begann, angestoßen nicht zuletzt durch die Ernennung zur Kulturhauptstadt 2013, ein Prozess der Veränderung, der inzwischen ganz Marseille erfasst. Nachzulesen ist davon in Günter Liehrs erhellendem Marseille-Buch. Das komplexe "Porträt einer widerspenstigen Stadt", das der Autor entwirft, ist mehr als nur ein weiterer Reiseführer auf dem Markt. Es ist vielmehr eine sachkundige und dabei anschaulich geschriebene Darstellung zur Geschichte, Architektur und Soziologie der ältesten Stadt Frankreichs. Liehr, in Deutschland geboren und heute in Marseille und Paris lebend, schreibt seit Jahren über französische Themen. Dass die "Cité phocéenne" nichts mit den Phöniziern, dafür mit den aus Kleinasien stammenden Phokäern zu tun hat, die Massalia im siebten Jahrhundert vor Christus gründeten, erfahren wir bei ihm ebenso wie die Tatsache, warum die geographischen Verhältnisse des Naturhafens "für die weitere Karriere der Stadt entscheidend sein sollten". Nicht zuletzt dass die Hafenstadt Frankreich stets den Rücken zukehrte und lieber nach draußen blickte, "in die Fremde, die ihr aber nie besonders fremd war", erklärt Marseilles angespanntes Verhältnis zur Pariser Zentralgewalt. Die legendären Seifenbarone von Marseille kommen bei Liehr ebenso vor wie die größte Baustelle Europas, die sich seit Jahren am Hafen entlangzieht, der Aufstieg der Rechten oder Olympique Marseille. Heraus ragt das Kapitel zur Situation der Exilanten im Zweiten Weltkrieg. Wie die aus Deutschland geflohene Intelligenz sich hier, um ihr Leben fürchtend, tagtäglich in den Kaffeehäusern versammelt, beschreibt der Autor mit großer Einfühlung. Wer nach Marseille führt, sollte das Buch im Gepäck haben. Jedoch kann diese Lektüre auf dem Balkon eine Fahrt nach Marseille sogar ersetzen.

S.K.

"Marseille. Porträt einer widerspenstigen Stadt" von Günter Liehr. Rotpunktverlag, Zürich 2013. 304 Seiten, zahlreiche Fotos. Broschiert, 29,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Eine "fundierte Stadtgeschichte" hat Günter Liehr hier vorgelegt, meint Knut Henkel, der darin die Stadt Marseille als große und reichlich widerspenstige Gegenspielerin der Hauptstadt Paris kennenlernt, auch wenn ihr das jüngste Domestizierungsprojekt "Euroméditerranée" ordentlich zu Leibe rückt. In seiner wertungsarmen Besprechung referiert der Kritiker im wesentlichen Liehrs Thesen und Beobachtungen: Als "Tor zum Orient" war die Stadt schon immer eher uneindeutig, stark von Einwanderung und, wie Henkel mit Liehr schildert, insbesondere deren Integration geprägt. Aus dieser urwüchsigen Uneindeutigkeit erwächst denn auch das rebellische Potenzial, das, wie sich Liehr Henkels Darlegungen zufolge offenbar recht sicher ist, auch von den gegenwärtigen Maßnahmen wohl nicht unterkriegen lassen dürfte.

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