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Sommerzeit. Doch der politische Alltag im Berliner Kanzleramt ist kalt und herzlos. Ein gelangweilter Redenschreiber surft im Internet und lernt dort Frau Male kennen. Die Affäre ist anonym und hemmungslos. Die Hitze treibt aber auch andere seltsame Blüten: Die Gruppe Cookie & Co vertreibt sich die Zeit mit virtuellen Spielen, die zunehmend konkreter und gefährlicher wirken. Auch die Kanzlerin langweilt sich - obwohl Wahlen bevorstehen und es von den Geheimdiensten ernstzunehmende Hinweise auf mögliche terroristische Anschläge auf hochrangige deutsche Politiker gibt. Trotzdem planen einige…mehr

Produktbeschreibung
Sommerzeit. Doch der politische Alltag im Berliner Kanzleramt ist kalt und herzlos. Ein gelangweilter Redenschreiber surft im Internet und lernt dort Frau Male kennen. Die Affäre ist anonym und hemmungslos. Die Hitze treibt aber auch andere seltsame Blüten: Die Gruppe Cookie & Co vertreibt sich die Zeit mit virtuellen Spielen, die zunehmend konkreter und gefährlicher wirken. Auch die Kanzlerin langweilt sich - obwohl Wahlen bevorstehen und es von den Geheimdiensten ernstzunehmende Hinweise auf mögliche terroristische Anschläge auf hochrangige deutsche Politiker gibt. Trotzdem planen einige Kabinettsmitglieder kurzfristig einen Ausflug in die Schweiz. Um etwas Luft zu holen, schliesst sich die Kanzlerin dieser Reisegruppe an, die mit der berühmten Seilbahn auf den Säntis fahren will, um dort bei einem freundschaftlichen Treffen mit Mitgliedern der Schweizer Regierung das angespannte Verhältnis zwischen den beiden Ländern etwas zu lockern. Doch die virtuellen Spiele im Internet realisieren sich: Spannung und Entladung - ein Geschehen, das die Welt erschreckt.
Autorenporträt
Fritz H. Dinkelmann, geboren am 14. Februar 1950 in Zürich. Nach dem Besuch der Schauspielakademie Zürich Hilfslehrer für Theater an der Kantonsschule Olten. Redakteur bei Zeitungen und Rundfunk. Mitbegründer der Solothurner Literaturtage. Gerichtsreporter. Bundesgerichtskorrespondent der Schweizerischen Depeschenagentur SDA, später von Schweizer Radio DRS. Heute Deutschlandkorrespondent von Schweizer Radio DRS und mehreren Schweizer Zeitungen (u.a. St. Galler Tagblatt). Ethikreferent des Schweizerischen Polizei-Instituts. Mitglied der Internationalen Kriminalschriftstellervereinigung AIEP/IACW. Medienpreis idée suisse der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG für eine Radioreportage über den Parteitag der rechtsextremen Republikaner in Stuttgart (2001).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.01.2010

Kapitän Kirk und die Kavallerie

Rasant erzählt, brillant pointiert und in den Details genau beobachtet: Der Schweizer Journalist Fritz H. Dinkelmann hat eine böse Berlin-Satire geschrieben.

Verstehe einer die Röstis. Nach den Minaretten geht es jetzt ans Sauerkraut. Dieser Tage nämlich grinst den Leser eidgenössischer Postillen ein altbekannter Geldfuchs an: Peer Steinbrück. Der Kämpfer gegen das helvetische Bankgeheimnis ist die unfreiwillige Galionsfigur der "Immer mehr ausländische Arroganz!"-Kampagne der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei, welche sich insbesondere gegen "deutschen Filz" richtet. In seiner Paraderolle als "hässlicher Deutscher" - so lautete schon die Koseformel des Schweizer Christdemokraten Thomas Müller für Steinbrück - dürfte der hierzulande ja weitgehend abgetauchte Politiker im Alpenländli wohl noch bis zur Parlamentswahl 2011 präsent bleiben.

Aber nicht nur unvermutete Karriereverlängerungen sind in dieser übergesunden Höhenluft möglich, auch deren resolute Abkürzung: So knipst der Schweizer Schriftsteller Fritz H. Dinkelmann in seinem Roman "Die Kanzlerin" dem ehemaligen deutschen Finanzminister - der hier unter dem Namen Kirk Ritz begegnet - die Lichter aus, nicht ohne ihn zuvor unter Zuhilfenahme von Lachgas mitten in den Schweizer Bergen noch einmal zum Affen gemacht zu haben, welcher nicht nur unbedingt die Kanzlerin knutschen, sondern auch die doppelnamige Entwicklungshilfeministerin pudern möchte, die aber ihrerseits nur noch "Dingdangdong" lallen kann, bevor sie ebenfalls verdämmert und mausetot hinüber ist.

Dinkelmann, der im Hauptberuf für mehrere Schweizer Zeitschriften aus Berlin berichtet, hat seinen brachialen Roman, der zur Zeit der letzten Eiszeit spielt - im Sommer 2008 also: für die große Koalition beginnt mit Blick auf die Bundestagswahl die große Entfremdung -, im bundesdeutschen Regierungsmilieu angesiedelt. Würde man von einem komödiantischen Schlüsselroman sprechen, hätte man schon zu viel hineingeheimnist, denn alle Handelnden sind allzu klar erkennbar, und auch mit den Namen treibt der Autor mitunter seine Späßchen, wenn zum Beispiel Andrea Nahles als Frau Nahelinks und Oskar Lafontaine als Baptist de la Mare vorübergeistern, nicht zu vergessen der Schweizer Schwerenöter Nico Glanzmann, Chef der Deutschen Bank.

Nicht unbedingt ein Wurf, aber schmissig ist es, dieses Buch. Rasant erzählt, brillant pointiert und in den Details fast schon obszön genau beobachtet. Um Literatur im hehren Sinn handelt es sich allerdings nicht, denn obgleich es das Volumen des "Doktor Faustus" aufweist, ist die Oberflächenfixierung geradezu Programm: Keine Szene weist über sich selbst hinaus, schon gar nicht die einen guten Teil des Romans einnehmenden, höchst pornographischen und für die Handlung irrelevanten E-Mails zwischen dem lodernden Redenschreiber Loderer - einem Schweizer - und seinem "Hürchen" Jenny. Wenn aber die Löcher wichtiger sind als der Käse, dann hat man es mit dem Leben selbst oder mit einer Satire zu tun. Und so dürfte man hier wohl von einem kabarettistischen Kabinettstückchen im Wortsinne sprechen, bei dem insbesondere die Kanzlerin (nebst ihrem ebenfalls schweizerischen Berater Kranich) eine sehr vorteilhafte Figur abgibt, intellektuell und strategisch dem eher schwummerigen Rest des Politpersonals weit überlegen.

Ausgespart wird nichts, was als Jokus-Vorlage dienen kann, weder das Osloer Dekolleté noch die SMS-Abhängigkeit der Kanzlerin, weder Wowis Schloss noch Sigmar Gabriels Leibesfülle: "Engel, der Umweltminister, mästete sich für das letzte Amtsjahr, um danach wohl in einen längeren Winterschlaf zu versacken." Daraus wird nichts, denn auch Engel gerät ins Visier der Verschwörer, wobei das Komplott in erster Linie gegen die Kanzlerin gerichtet ist. Im Internet, wo es endlich einmal so terroristisch zugeht, wie das in den Albträumen von Innenministern die Regel ist, planen die Bösewichte, die Verbündete in höchsten Politkreisen haben, ihre meuchlerische Tat. Der Verfassungsschutz ist hilflos, lässt sich leicht auf falsche Fährten locken und hat nur platte Warnungen parat: "Wir beobachten Vorgänge in der Netz-Anarcho-Szene, die auf eine extrem hohe Gewaltbereitschaft schliessen lassen", sagt etwa der Abteilungsleiter Luzius Wagenbach: "Und wenn es keinen Staat mehr gibt, dann ist in Deutschland Party, und zwar das ganze Jahr, ein politisches Komasaufen sozusagen."

Auch Loderer gerät gegen seine Absicht in den Zirkel der Attentäter, und bald beginnen die Gewaltakte tatsächlich. Alles läuft auf ein großes Finale in der Schweiz zu, denn das halbe deutsche Kabinett hat die Einladung zu einer Seilbahnfahrt auf den Säntis angenommen.

Das Rezept dieses knusprigen Röstis ist einfach: Man reibt alle Zutaten klein, und zwar etwa gleich große Mengen der Serie "24", des Films "Die Queen", des Lehrstücks "Biedermann und die Brandstifter" und der Glattauer-Romanze "Gut gegen Nordwind", Letztere allerdings abgeschmeckt mit viel Nicholson Baker, dazu eine Prise "Stauffenberg". Ausgebacken wird der Teig in heißem "Scheibenwischer"-Fett. Gesund ist das nicht, zumal im Vergleich zu Sauerkraut, aber doch köstlich, und so reichlich werden hier Sex, Gewalt und Karikatur aufgetischt, dass kein Appetit ungestillt bleibt. Eine Botschaft, auch das sei noch verraten, gibt es nicht, denn als solche kann man die Worte der Kanzlerin: "Alle lügen, in der Politik" wohl kaum werten, auch nicht Kranichs philosophische Improvisation über den Hass als eingesperrte Liebe. Und so steht also in schweizerischer Neutralität keine Moral dem großen Fressen und Gefressenwerden im Weg.

OLIVER JUNGEN

Fritz H. Dinkelmann: "Die Kanzlerin". Roman. Lenos Verlag, Basel 2009. 640 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Buch ohne Botschaft hat Oliver Jungen gelesen. Dass es sich bei Fritz H. Dinkelmanns Text um einen Roman handelt, möchte er nicht unterschreiben. Tatsächlich scheint es sich eher um brachial schmissiges Oberflächenkabarett zu handeln. Mit Sex, Gewalt und Karikatur wird jedenfalls nicht gespart, versichert Jungen. Auch stößt er weder auf übermäßig verschlüsseltes Personal (die bundesdeutsche Politprominenz ist blendend gut zu erkennen), noch auf nur eine Szene, die über sich hinausweist. Trotzdem: Der Rezensent bleibt geduldig. Weder von einem verulkten Sigmar Gabriel noch von Dinkelmanns Auslassungen über das Kanzlerindekollete lässt er sich aus der Reserve locken. Vielleicht liegt es ja daran, dass Merkel im großen ganzen doch gut wegkommt in diesem Buch.

© Perlentaucher Medien GmbH