Vom Formenreichtum und von der Geschichte der Tracht: Bilderbogen eines Kulturguts Jahrhundertelang war Tracht das, was man trug. Formenreichtum und Farbenvielfalt sind das Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses, unmittelbar gekoppelt mit der Fertigkeit des Menschen, die Materialien, die ihm jeweils zur Verfügung standen, zu behandeln und zu verarbeiten. Eine große Rolle spielten zu jeder Zeit die Gesellschaft, die Kleiderordnungen und die Mode: Die Tracht unterschied einen Stand vom anderen. Durch die Abgeschiedenheit der Talschaften und die geringe Mobilität der Menschen bildeten sich auch stark regionale Besonderheiten aus: Die Tracht zeigte an, woher man kam. Die sich verändernden Lebensumstände fanden Niederschlag in der Arbeitskleidung wie in der Festtracht. Die importierte Baumwolle und ihre maschinelle Verarbeitung bedeutete den Beginn der Vereinheitlichung, auch wenn die traditionellen Materialien Schafwolle, Loden und Leder weiter in Verwendung blieben. Dieses Buch dokumentiert die historische Entwicklung und den heutigen Formenreichtum der Tracht in Österreich, von den Kammermalern Erzherzog Johanns bis zu den prächtigen Farbphotographien der Gegenwart spannt sich der Bilderbogen dieses wichtigen Kulturgutes.
"Tracht in Österreich" sei nicht gleichbedeutend mit "Österreichische Trachten" oder "Trachten aus Österreich". "Tracht in Österreich" ziele vielmehr auf die Totalität trachtlichen Lebens in Österreich, "und zwar in jeder Form". So bereitet uns Franz C. Lipp, einer der vier Herausgeber, gleich mit dem ersten Satz dieses Werks auf das ambitionierte Unterfangen vor: In dreißig Beiträgen wurde von zwanzig Autoren alles zusammengetragen, was man bis jetzt über die bewegte Geschichte der österreichischen Trachten in Erfahrung gebracht hat. Folgerichtig herrscht eine erfrischende Vielfalt, und es gibt viel zu entdecken. Neben den Pflichtkapiteln über die Entwicklungen in jedem der neun österreichischen Bundesländer reicht das Angebot von "Das grau-grüne Weidmannskleid" und "Hüte und Hauben der Frauentrachten" bis zu "Trachtenvereinsgeschichte und Geschichten" oder "Prominente im Trachteng'wand". Ein Augenschmaus sind die mehr als vierhundert Abbildungen: mit aussagekräftigen Schwarzweißbildern taucht man in die Sorgen und Sorgfalt vergangener Zeiten ein, auf detailreichen Farbbildern ist sowohl die Kunstfertigkeit als auch die Phantasie dieses Kleidungsstils zu erkennen, und raffinierte Gegenüberstellungen lassen das Zeitlose sichtbar werden. Zwar gibt es (fast) keine Goldhauben stickenden Großmütter mehr, dafür werden Modeschöpfer wie Yves Saint Laurent, Karl Lagerfeld und Kenzo von Lederhosen, Walkjankern, Dirndlstrickjackerln und Miedergürteln zu Modellen à l'autrichienne inspiriert. Dieses Buch ist eine Genugtuung für alle Trachtenliebhaber. Es ist ihm aber auch zuzutrauen, in trachtenignoranten Menschen Interesse zu wecken.
rozy
"Tracht in Österreich - Geschichte und Gegenwart", herausgegeben von Franz C. Lipp, Elisabeth Längle, Gexi Tostmann und Franz Hubmann. Christian Brandstätter Verlag, Wien 2004. 272 Seiten, zahlreiche Fotos. Gebunden, 39,90 Euro. ISBN 3-85498-347-6.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Als Genugtuung für Trachtenliebhaber feiert Rezensent "rozy" diesen ambitionierten Bildband, der aus seiner Sicht schon wegen der mehr als vierhundert Abbildungen ein Augenschmauß ist. Insgesamt traut er dem Buch zu, auch bei bislang Trachtenignoraten Interesse für das Thema zu wecken. In dreißig Beiträgen von zwanzig Autoren sei alles zusammengetragen, was man bis jetzt über die bewegte Geschichte der österreichischen Trachten in Erfahrung gebracht habe. Insgesamt sieht "rozy" in diesem Buch daher eine erfrischende Vielfalt walten. Neben Pflichtkapiteln über die Trachten-Entwicklungen in jedem Bundesland reicht das Spektrum seinen Informationen zufolge über Historisches und Handwerkliches bis zu Prominenten im "Trachteng'wand". Aussagekräftige Schwarzweiß-Bilder versetzen ihn in vergangene Zeiten, Trachtenkreationen von Karl Lagerfeld bis Kenzo in die Gegenwart. Raffinierte Gegenüberstellungen lassen für ihn gar das Zeitlose und die Fantasie dieses Kleidungsstils sichtbar werden.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH