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Brunners Momentaufnahmen von Landschaften und ihren Menschen erzählen von Krieg auf dem Balkan, von dem Alltag in Sizilien, der Selbstgefälligkeit in den Alpen und der Wohlstandsdepression in der deutschen Provinz.

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Produktbeschreibung
Brunners Momentaufnahmen von Landschaften und ihren Menschen erzählen von Krieg auf dem Balkan, von dem Alltag in Sizilien, der Selbstgefälligkeit in den Alpen und der Wohlstandsdepression in der deutschen Provinz.
Autorenporträt
Maria E. Brunner, geboren in Pflersch (Südtirol), lehrte sieben Jahre in Sizilien und Kalabrien. Dozentin für italienische Sprache und Literatur an der Universität Stuttgart; seit 2000 Professorin für deutsche Literatur an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Übersetzungen aus dem Italienischen (u. a. Vincenzo Consolo, Bei Nacht von Haus zu Haus, Retablo, beide bei Folio). Zahlreiche wissenschaftliche und literarische Publikationen, zuletzt bei Folio.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.12.2006

Auf der Flucht
Heimat kann ihr gestohlen bleiben: Maria E. Brunners Reiseskizzen

Als Reiseschriftstellerin, die die Neugier der Daheimgebliebenen wecken will, versteht Maria E. Brunner sich bestimmt nicht. Den Leser zieht es kaum an die Orte, die sie in "Was wissen die Katzen von Pantelleria" beschreibt. Ihre Streifzüge führen durch die Landschaften des Balkans, Kalabriens und Siziliens, Südtirols und Deutschlands. Aber ob in der Heimat oder in der Fremde, in Bozen oder Palermo: Überall herrschen Fremdheit und Ungeborgenheit, verliert man sich in einem Gestrüpp undurchschaubarer Regeln.

In Sperlinga, einem sizilianischen Dorf, flieht eine Frau vor einem Verfolger - was der im Schilde führt, erfährt man nicht; in Catania verdingt sich ein Tiermensch als Bestattungsunternehmer und lauert unschuldigen jungen Bauernmädchen auf; in den "lavaschwarzen Städten" Siziliens ist man nicht vor Hunger, Wassermangel oder dem bösen Blick gefeit. Der Tod kommt nach dem ersten Espresso in der Bar, wenn man sich sicher fühlt. Die Ängste und Nöte sind elementar, Verstrickungen unlösbar, Rache ist unerbittlich, und jede Anmaßung, jedes Aufbegehren wird bestraft. Der Bauer in Kalabrien, der sich den Regeln der lokalen Eintreiber nicht beugen will, findet seine Büffel mit abgesägten Beinen, und wer etwas ändern will, bekommt einen Schweineschädel mit abgehackter Zunge vor die Tür gelegt.

Die in Südtirol geborene Autorin, heute Literaturprofessorin in Deutschland, hat sieben Jahre in Sizilien und Kalabrien gelebt. Der Süden, den sie in ihren kleinen Prosastücken von zwei oder drei Seiten heraufbeschwört, ist wild, archaisch, bedrohlich und todesbesessen, der Blick des Erzählers gefärbt von der Sehnsucht nach dem Fremden, der Verzauberung durch das Dunkle, Abwegige. Der Selbstsucher, der Einsame und Verlorene ist der heimliche Protagonist dieser Momentaufnahmen. Der Reporter, der sich als Nomade fühlt, darf nicht in Acitrezza bleiben, so wenig wie "der Dichter aus dem Norden" in Partinico eine "neue Ordnung der Dinge ins Leben" rufen kann. "Am Ende kamen doch immer die gleichen Lügen heraus, gefaßt in immer die gleichen Buchstaben." Dem Fremden, der in dem kalabrischen Fischerörtchen Scilla seine Impressionen festzuhalten sucht, bleibt nur Resignation - und die Flucht vor den Blicken der neugierigen Dorfbewohnerinnen.

Das Unbekannte ist die "erste Quelle von Staunen und Versteinerung", aber es beklemmt zugleich und läßt sich niemals in Besitz nehmen. Das Erledigte ist tot, das Unzugängliche bleibt ein Stachel. Sehnsucht ist ein rastloses Treiben. Deshalb findet man sein Glück auch nicht zu Hause, in Deutschland oder Südtirol, obwohl es dort nicht ganz so ungeordnet zugeht. Denn man leidet unter Ermattung, Ohnmacht und Sprachlosigkeit und sucht vergeblich nach einer "Waffe gegen alle, die unser Leben stehlen".

Maria E. Brunner erzählt, als dürfte sie nirgends verweilen. Knapp und abweisend, ohne ein überflüssiges Wort, skizziert sie ihre Szenarien, wirft mit wenigen Strichen Bilder hin. Zweifellos hat sie, die 2004 ihren Roman "Berge Meere Menschen" vorlegte, ihren eigenen Ton gefunden. Ihr gewissenhafter Ernst strengt jedoch manchmal an, streift das Verbissene und läßt gerade die feineren Beobachtungen in gleichförmiger Schwere versinken. Manche dieser Skizzen wirken in ihrer Kargheit wie Vorstufen eines größeren Textes, dem man mehr Leichtigkeit und Weltläufigkeit wünschten. Denn ein bißchen heitere Entdeckerfreude schadet auf Reisen nicht - auch wenn man am Ende in der Ferne noch nicht einmal sich selbst findet.

ANDREA NEUHAUS.

Maria E. Brunner: "Was wissen die Katzen von Pantelleria". Prosa. Folio Verlag, Wien 2006. 121 S., geb., 19,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Anerkennend äußert sich Andrea Neuhaus über die kurzen Prosastücke dieses Bands von Maria E. Brunner. Als "wild, archaisch, bedrohlich und todesbesessen" beschreibt sie den Süden, den Selbstsucher, Einsame und Verlorene Momentaufnahmen in Brunners Texten aufsuchen, nur um auch dort zu resignieren. Sie bescheinigt Brunner, in ihren Skizzen über Kalabrien, Sizilien, Südtirol und Deutschland einen "eigenen Ton" gefunden zu haben. Die reduzierte, lakonische Prosa der Autorin scheint Neuhaus bisweilen beklemmend, immer aber "knapp und abweisend". Brunners das Verbissene streifenden Ernst empfindet sie manchmal als anstrengend. Er lasse gerade die "feineren Beobachtungen in gleichförmiger Schwere versinken". Insgesamt wünscht sie sich von der Autorin deshalb etwas mehr "Leichtigkeit und Weltläufigkeit".

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