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Poesie und Punk, Catull und die Toten Hosen - zwischen diesen nur auf den ersten Blick widersprüchlichen Polen eröffnet Christoph W. Bauer das Feld für seinen neuen Lyrikzyklus. In 37 Gedichten lässt er ein lyrisches Ich alle Phasen einer bezaubernd schönen und traurigen Liebe erleben: Die erste Begegnung, neugieriges Erkunden, Lust und Überschwang, Routine und Brüche, die sich vertiefen zum Trennungshass - das sind die Stationen, die bereits der römische Dichter Catull in einem Stück Weltliteratur erzählt hat: "odi et amo", "ich hasse und ich liebe". Bauer stellt sich der Tradition,…mehr

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Produktbeschreibung
Poesie und Punk, Catull und die Toten Hosen - zwischen diesen nur auf den ersten Blick widersprüchlichen Polen eröffnet Christoph W. Bauer das Feld für seinen neuen Lyrikzyklus. In 37 Gedichten lässt er ein lyrisches Ich alle Phasen einer bezaubernd schönen und traurigen Liebe erleben: Die erste Begegnung, neugieriges Erkunden, Lust und Überschwang, Routine und Brüche, die sich vertiefen zum Trennungshass - das sind die Stationen, die bereits der römische Dichter Catull in einem Stück Weltliteratur erzählt hat: "odi et amo", "ich hasse und ich liebe". Bauer stellt sich der Tradition, unterläuft sie, betreibt ein Spiel mit literarischen Masken. Mühelos setzt er Welten in Verbindung, knüpft an die Überlieferung antiker Poesie ebenso an wie an den legeren Tonfall moderner Popkultur und wechselt ungezwungen die Stimmungen und Tonlagen: Frisch und unkonventionell, ehrlich und voller Selbstironie erzählt er eine Liebesgeschichte - in Gedichten, die sich im besten Sinn zeitgemäß und zugleich quer zum Zeitgeist präsentieren.
Autorenporträt
Christoph W. Bauer, geboren 1968 in Kärnten, lebt derzeit als Autor in Innsbruck. Lyrik, Prosa, Essay, Hörspiel, Übersetzungen. Mehrere Auszeichnungen, u.a. Reinhard-Priessnitz-Preis (2001) und Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (2002). Bei Haymon erschienen u.a. die Gedichtbände die mobilität des wassers müsste man mieten können (2001) und fontanalia.fragmente. Gedichte und Prosa (2003) sowie die Romane Im Alphabet der Häuser (2007) und Graubart Boulevard (2008). www.cewebe.com
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.2011

Wie Dichter klüger werden
Christoph W. Bauer besingt eine verlorene Liebe

Stürmische Verliebtheit, zärtliche Liebe, klägliches Scheitern - die uralte Geschichte. Der fünfte Lyrikband des 1968 in Kärnten geborenen Wahltirolers Christoph W. Bauer zeichnet anhand von siebenunddreißig Gedichten in chronologischer Folge den Verlauf einer Liebesbeziehung von heute nach. Begegnung bei einem Konzert der Toten Hosen, gemeinsame Tage, Nächte, Reisen. Eifersucht, Zermürbung. Zerwürfnis, Bruch. Nachspiel ein zufälliges Wiedersehen im Supermarkt, "so circa fünf frauen nach dir".

"mein lieben mein hassen mein mittendrin du": Dieser in seiner Eingängigkeit so wehmütige wie zornige Titel lässt keinen Zweifel daran, dass hier Gedichte einen Auftrag haben: Poetisches Bild und sprachlich-musikalische Struktur sollen das Verlorene zum Leben erwecken. Noch einmal soll in Worte gebannt werden, worüber doch nichts Neues zu sagen ist. Man findet zueinander, lebt miteinander, geht auseinander.

Um das Verhältnis von Liebe und Zeit kreisen Bauers Gedichte in mehrerlei Hinsicht. Nur vorderhand aktualisieren sie das bekannte Thema. Denn diese love story in Versen wird anders erzählt, unzeitgemäß, zeitübergreifend oder genauer: hindurchgreifend durch alle Zeit. Bauer stellt Sonett neben Epigramm, freie Verse neben komplexe Reimgefüge. Er verwebt Hexameter mit Slang und Dialekt, Alexandriner mit Songzeilen. So virtuos das klingt, so wenig werden hier bloß Register gezogen.

Temporeich, ohne Punkt und Komma, treibt die Gedichte eine lebenssatte Wehmut an, in der nicht der Effekt, sondern der Affekt zählt, nicht Kalkül, sondern Gefühl. Schon frühere Bände, etwa "die mobilität des wassers müsste man mieten können" (2001) und "supersonic" (2005), zeigen Bauer als Anachronisten im wahren Wortsinn: Das wache Gemüt von heute spiegelt sich für ihn in den unbeirrbaren Geistern vergangener Tage. Überlieferung hat so verstanden nichts mit Altem gemein. Vielmehr hält das Gedicht das stets Augenblickliche lebendig und in Bewegung.

Zwei Jahrtausende greift Bauer zurück, wenn er sich für sein Liebesduell einen antiken Sekundanten sucht. Catull, der Veroneser und Wahlrömer Gaius Valerius Catullus, der im ersten vorchristlichen Jahrhundert lebte und dichtete, ist Gewährsmann und Sachkundiger der leidenschaftlich, ja wütend unglücklichen Verliebtheit. Ob inhaltlich, formal oder biographisch, Bauer reflektiert in vielfältiger Weise Catulls berühmte Liebe zu jener schattengleichen Unbekannten, die einem aus vielen der 116 erhaltenen "Catulli Carmina" entgegentritt. Ist sie Realität, Traumbild, literarische Fiktion? Catull verrät es nicht.

Nach Sapphos Heimatinsel gibt er der Angebeteten den Namen Lesbia. Und auch Christoph W. Bauer lässt zwar die Identität seiner Geliebten im Dunkeln, doch er scheut sich nicht - welcher Liebende täte es? -, sie mit der Delia aus Ovids "Amores" und Catulls Lesbia zu vergleichen. So rühmt er ihre Art, sich zu bewegen: "ein hüftschwung um den dich die bräute / der dichter beneiden lesbia delia und wie sie / nur alle hießen vorlagen zum prosodischen / fick." Eines der bekanntesten erotischen Gedichte Catulls, das "Vivamus, mea Lesbia, atque amemus" ("Leben, Lesbia, wollen wir und lieben") nimmt Bauer zum Vorbild, um seinerseits vom Küssen zu schreiben. "Gib der Küsse mir tausend und dann hundert, / Dann noch tausend und noch ein zweites Hundert, / Und so immerzu tausend und noch hundert", heißt es bei Catull. Bauers lyrisches Ich reist mit der Freundin nach Florenz. Unterwegs klingt der Lieblingsdichter in ihm nach: "am aeroporto di verona / fange ich an dich zu küssen als / hättest du gesagt da mi basia / deinde centum dein basia altera / (...) in santa maria novella sind alle / meine lippen ziemlich wund."

Eine solche Dreiecksbeziehung mit antikem Dichter kann nicht folgenlos bleiben. Selbstentlarvend heißt es einmal: "du bohrst mir den blick / zweitausend jahre tief in die augen", und bitterböse mahnt Bauer sein Alter Ego: "catullchen armer freund werd endlich klüger." Spätestens da geht dem Leser auf, dass diese Gedichte über den unabwendbaren Verlust einer Liebe noch eine weitere, mindestens ebenso traurige Geschichte nachzeichnen: Das Dilemma des Dichters besteht von jeher darin, sich nie ganz auf die Liebe einlassen zu können. Er kann nicht "abschalten", wie man so sagt, muss vielmehr die leidenschaftliche Anverwandlung von Lektüren und Eindrücken beständig wachhalten. Das Geliebte in Verse zu bannen heißt aber auch, dessen Entkörperlichung und Mumifizierung zu betreiben.

Das Gefühl, mit dem der Verlassene zurückbleibt, schildert schon Catulls Epigramm "Odi et amo". Raoul Schrott übersetzt das "Carmen 85" so: "Ich hasse und ich liebe - warum, fragst du vielleicht. / Ich weiß es nicht. Ich fühl's - es kreuzigt mich." Bauer liefert eine freiere Nachdichtung in seinem Titelgedicht: "mein lieben mein hassen mein mittendrin du / (...) nie gingen mir catulls verse näher als / heute warum fragst du vielleicht ich weiß / es nicht und fühl tiefer den nagel kruzifix." Anders als der Lyriker bleibt der Leser nicht sich selbst überlassen. Denn beigefügt ist dem Band ein erhellendes Nachwort des Latinisten Niklas Holzberg, der Bauers Zitate erläutert und en passant schon die römischen Dichter der spätrepublikanischen und augusteischen Epoche als versierte literarische Spieler charakterisiert. Tibull, Properz und Catull zu lesen lohnt mit Sicherheit ebenso wie die Lektüre von Christoph W. Bauers schönen Hymnen auf ein zeitloses Thema.

MIRKO BONNÈ.

Christoph W. Bauer: "mein lieben mein hassen mein mittendrin du". Gedichte.

Nachwort von Niklas Holzberg. Haymon Verlag, Innsbruck 2011. 92 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Christoph W. Bauers Hymnen auf ein, wie Rezensent Mirko Bonne findet, zeitloses Thema, das der Liebe nämlich und ihres Vergehens, sind für den Rezensenten ebenso lohnend wie Catull, den der Dichter in diesem Band ausgiebig zitiert und sich sozusagen aneignet und zum Nebenbuhler macht. Zum Glück findet Bonne im Anhang des Bändchens ein erläuterndes Nachwort zu den vielen lateinischen Textstellen. Aber auch so sind ihm Bauers frei durch die Zeiten und Formen wandernde Verse ein Gewinn. Als virtuose affektvolle (nicht effektvolle) Wehmut in Worten: "catullchen armer freund wird endlich klüger".

© Perlentaucher Medien GmbH