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Leopardis Operette morali gelten in Italien seit ihrem ersten Erscheinen 1827 als Musterbeispiel einer satirisch-philosophischen Prosakunst mit poetischer Grundierung: originelle Fabeln, Szenen über das Schicksal des Menschengeschlechts in seinen "Irrungen und Wirrungen" - eine erzählende Philosophie, die Nietzsches Also sprach Zarathustra vergleichbar ist: anregende, von Geist und Witz nur so sprühende und melancholisch-heitere, meist dialogische Stücke in einer leichten und melodischen Prosa. Den Titel Operette morali (wörtlich: Moralische Werkchen) hat der Übersetzer latinisiert, da…mehr

Produktbeschreibung
Leopardis Operette morali gelten in Italien seit ihrem ersten Erscheinen 1827 als Musterbeispiel einer satirisch-philosophischen Prosakunst mit poetischer Grundierung: originelle Fabeln, Szenen über das Schicksal des Menschengeschlechts in seinen "Irrungen und Wirrungen" - eine erzählende Philosophie, die Nietzsches Also sprach Zarathustra vergleichbar ist: anregende, von Geist und Witz nur so sprühende und melancholisch-heitere, meist dialogische Stücke in einer leichten und melodischen Prosa. Den Titel Operette morali (wörtlich: Moralische Werkchen) hat der Übersetzer latinisiert, da Leopardi an Plutarchs Moralia gedacht hat, Kroeber auch an Adornos Minima Moralia. Die Übersetzung ist mit erläuternden Anmerkungen und einem Nachwort von Burkhart Kroeber versehen. Ergänzt wird sie durch einen Essay von Paul Heyse über Leopardis Weltanschauung.
Autorenporträt
Giacomo Graf Leopardi, nach Dante und Petrarca der berühmteste Dichter Italiens, wurde 1798 in einer kleinen Ortschaft unweit von Ancona geboren. Sein unglückliches Leben endete 1837 in Neapel. Seine »Operette morali« erschien 1834, die »Canti« 1831, der »Zibaldone«, von dem es keine vollständige deutsche Übersetzung gibt, erst 1898 bis 1900, lange nach seinem Tod. Burkhart Kroeber, 1940 geboren in Potsdam, gehört zu den namhaftesten Übersetzern in die deutsche Sprache, sein Renommee erwarb er sich nicht zuletzt durch seine kanonischen Übersetzungen der Werke Umberto Ecos.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.08.2017

LITERATUR
Erheiterung einer Mumie
Ein gelehrter Mann, ein freier Geist, ein bewundernswerter Dichter:
Giacomo Leopardi in einer Neuausgabe seiner „Opuscula Moralia“
VON MAIKE ALBATH
Giacomo Leopardi war ein buckliger kleiner Mann mit blassem Gesicht, der unter einer Fülle von Krankheiten litt und schließlich noch vor seinem vierzigsten Geburtstag 1837 starb, vermutlich an Wassersucht. Leopardis schwache Konstitution stand in einem verblüffenden Gegensatz zu seiner intellektuellen Schärfe und seiner literarischen Sprengkraft. Seine Gedichte gelten heute als Höhepunkte der italienischen Lyrik. Sie weisen auf die Moderne voraus, denn das Ich ist bindungslos und alles Göttliche aus der Landschaft gewichen. Aber Leopardi war nicht nur Dichter, er entwarf mit einer Mischung aus sarkastischer Leichtigkeit, Ironie und Wagemut eine Philosophie, die inmitten der Restauration nach dem Wiener Kongress neue Denkfiguren prägte. Mit emphatisch beschworenen Begriffen wie Freiheit und Fortschritt konnte er wenig anfangen, dazu war er der skeptischen Tradition der Antike zu sehr verpflichtet.
Wie zukunftsweisend sein Ansatz war, erkannte man in Italien erst nach seinem Tod. Im Ausland zählten Charles Augustin de Saint-Beuve und Friedrich Nietzsche zu seinen Verehrern; Gramsci nannte ihn später einen „Dichter der Verzweiflung“. Die Quintessenz seiner brillant und witzig formulierten Erkenntnisse steckt in den erstmals 1827 erschienenen „Kleinen moralischen Werken“, den „Operette morali“, die jetzt in einer vorzüglich kommentierten Auswahl unter dem Titel „Opuscula Moralia“ in der Anderen Bibliothek vorliegen. Der Herausgeber und Übersetzer Burkhart Kroeber, der auf der Grundlage der Erstübersetzung Theodor Heyses von 1878 eine geschliffene Neufassung besorgt hat, bietet eine ebenso elegante wie packende Zusammenstellung der philosophischen Possen dieses ungewöhnlichen Gelehrten aus Mittelitalien.
Vielleicht war es die knechtende katholische Erziehung, die den 1798 als Sohn eines erzreaktionären Grafen in Recanati geborenen Leopardi zum Widerspruch anregte. Die Marken gehörten damals zum Kirchenstaat, jede Hoffnung auf politische Veränderungen war nach dem Ende der napoleonischen Kriege zerstoben. Als Wunderkind gefeiert, übersetzte Leopardi schon als Elfjähriger Horaz, mit fünfzehn gestattete ihm sein Vater den freien Zugang zu seiner umfangreichen Bibliothek von rund 20 000 Bänden, darunter auch solche, die auf dem päpstlichen Index standen. Für den heranwachsenden Giacomo begann nach eigenen Worten eine Phase des „wahnsinnigen und vollkommen verzweifelten Studiums“, die sieben Jahre dauerte. Er brachte sich Griechisch und Hebräisch selbst bei, verfasste Nachdichtungen einzelner Gesänge der „Odyssee“ und der „Äneis“, die in Zeitschriften erschienen und gewann die Sympathie eines Mailänder Verlegers. Der Briefwechsel mit dem väterlichen Freund und Dichter Pietro Giordani bewog den Einundzwanzigjährigen, sich vollständig der Literatur zu widmen. Er füllte stapelweise Tagebücher, die posthum unter dem Titel „Zibaldone“, „Sammelsurium“ erscheinen sollten, nebenher entstanden Essays und Gedichte. Viel mehr als unter seiner prekären Gesundheit litt Leopardi unter dem geistigen Klima seiner Heimatstadt Recanati. Seine Eltern unterbanden einen ersten Fluchtversuch. Schließlich kam er, gegen ihren Willen 1822, für ein halbes Jahr bei seinem Onkel in Rom unter. Aber der Pomp der Stadt, die losen Sitten und die korrupte Kurie entsetzten ihm. Nichts als Prasserei und Verlogenheit, befand er, nur mit dem preußischen Botschafter und Historiker B. G. Niebuhr freundete er sich an.
Nach seiner Rückkehr in sein Elternhaus schrieb Leopardi seine „Opuscula moralia“ und legte damit seine „Kodifikation des Weltschmerzes“ vor, wie Theodor Heyse das Werk charakterisierte. Ausgehend von den Philosophen der Antike nimmt Leopardi hier die Welt als Materialist in den Blick, richtet sich gegen die Romantiker und lässt d’Holbach, Condillac und Pietro Verri im Hintergrund mitschwingen. Der Überzeugung, dass die Geschichte ein Ziel habe, begegnet er mit beißendem Pessimismus. Dennoch ist sein Ton nie gellend oder bezichtigend, sondern abgeklärt, sanft und eigentümlich heiter. Im Wechsel präsentiert er Lehrbeispiele, Dialoge und Parabeln. Wie auf einer Theaterbühne tritt mal dieser, mal jener vor: Zeitgenossen, allegorische Figuren, mythische Gestalten, Wissenschaftler und Philosophen, alle getrieben von den großen Sinnfragen. Die Mode und der Tod führen ein Zwiegespräch, ebenso ein Physiker und ein Metaphysiker. Letzterer stellt lakonisch fest, dass der Mensch nur sein eigenes Glück liebe und begehre. Die Erde wendet sich an den Mond, der Arzt Friedrich Ruysch an seine Mumien, während ein Isländer die Natur zur Rede stellt. Der Mediziner Ruysch hatte einen Konservierungsstoff für Leichen erfunden und war damals eine europäische Berühmtheit: Er besaß ein anatomisches Kabinett, das von Zar Peter dem Großen erworben wurde. Leopardi lässt ihn um Mitternacht eine Viertelstunde lang mit seinen Mumien über die Erfahrung des Todes debattieren. Es müsse doch schmerzhaft sein, vom Leben zu lassen, meint Ruysch. Aber nein, entgegnen die einbalsamierten Körper, es sei ein stilles Erlöschen, das man kaum bemerke, der Tod vermittle sogar ein Lustgefühl. Im „Dialog der Natur mit einer Seele“ spricht die Natur vom zwangsläufigen Scheitern eines jeden Menschen, woran sie aber keine Schuld trage. In dem wenige Monate später entstandenen zentralen „Dialog der Natur mit einem Isländer“ spitzt Leopardi die Sache zu: Die Natur, die er hier in Gestalt einer grotesken Riesin auftreten lässt, wandelt sich zu einer alles zermalmenden negativen Kraft. In allen Ländern habe er nach einem ruhigen Ort gesucht, klagt der Isländer, aber er sei jedes Mal wieder von Erdbeben, Vulkanen, Wirbelwinden und schließlich Krankheiten gequält worden. Das Leiden sei also vorherbestimmt und die Natur eine Feindin der Menschen. Aber die Welt sei nicht für ihn geschaffen, erwidert das Weib, sondern ein Kreislauf von Schöpfung und Zerstörung.
Leopardi jedenfalls schlug die Warnungen seiner Ärzte in den Wind; er trank Unmengen von Kaffee, machte die Nacht zum Tag und aß zum Mittagessen auch mal anderthalb Kilo Konfekt. Mit seinen Dialogen, die den Stoff von Tragödien in Form kleiner Komödien darbieten sollten, war Leopardi äußerst zufrieden. „Ich habe sie lieber als meine Augen“, ließ er seinen Verleger Stella 1826 in Mailand wissen, was viel heißt, denn eine schwere Erkrankung hatte in seiner Jugend seine Sehkraft eingeschränkt und eine monatelange Lektüre- und Schreibpause erzwungen. Die „Opuscula“ – und das ist eine böse Pointe der Literaturgeschichte – erschienen nicht nur im selben Jahr wie Manzonis berühmter Roman „Die Brautleute“, sondern auch noch bei demselben Verleger. Während Manzoni mit seiner in der Tat sehr mitreißenden Liebesgeschichte und seinem erbaulichen Katholizismus große Triumphe feierte, stieß Leopardi auf Ablehnung, Unverständnis und kalte Verachtung. In der mächtigen Accademia Della Crusca, bei der Leopardi seine „Opuscula“ für einen hoch dotierten und dringend benötigten Preis von tausend Scudi eingereicht hatte, verlachte man ihn als düsteren Melancholiker und Misanthropen. Er sei ein Vernichter der Moral, nicht nur der christlichen, sondern ganz allgemein!
Ein einziges Mitglied lobte den sehr eignen, klaren Stil und die außergewöhnliche Gedankenführung. Aus seiner bitteren Bestandsaufnahme und dem Abstieg in die Eingeweide der Gegenwart schöpfte Leopardi am Ende aber doch neue Kraft. Er habe wieder gelernt zu weinen, schrieb er an seine Freunde.
Giacomo Leopardi: Opuscula Moralia. Oder vom Lernen, über unsere Leiden zu lachen. Hrsg. und übersetzt von Burkhart Kroeber. Die Andere Bibliothek, Berlin 2017. 360 Seiten, 42 Euro.
Wohin ein Isländer auch kommt,
überall stößt er auf
Vulkane und Wirbelstürme
Giacomo Leopardi, so wie er im Film Gestalt annimmt (Il giovane favoloso, 2014) Foto: Mario Spada
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2018

Ein Isländer in Afrika hat schlechte Karten
Was dem Menschen der Alkohol, ist der Natur der Vogelgesang: Die "Opuscula moralia" des Giacomo Leopardi in neuer Edition

Der aus dem Örtchen Recanati in den Marken stammende Giacomo Leopardi (1798 bis 1837) ist einer der entschiedensten Schwarzmaler, die je das düstere Licht dieser Welt erblickt haben. Auf eine erste Schaffensphase, in der Leopardi noch an die Möglichkeit einer Rückkehr zu Antike und Natur glaubte, folgte von 1819 an eine Reihe von Krisen, die in den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts im vorübergehenden Rückzug aus der Lyrik gipfelten. Der wichtigste italienische Poet seit Petrarca glaubte nicht mehr an das Gedicht; die Hinwendung zur philosophischen Reflexion ist die logische Folgerung aus krassen Desillusionierungen. Ihren perfekten Ausdruck und auch Ansätze ihrer Überwindung finden sie in den "Operette morali", den "moralistischen kleinen Werken", großteils 1824 geschrieben und 1827 erstmals veröffentlicht. Wie alle Werke des verarmten Grafen fanden sie zu Lebzeiten wenig Anklang.

In Deutschland wurden sie später bekannt, nämlich 1878, mittels einer vom Dichter und Schriftsteller Paul Heyse (1830 bis 1914) erstellten, übersetzten und eingeleiteten Werkauswahl In zwei Bänden. Heyse, ein heute vergessener Träger des Nobelpreises für Literatur (1910), hatte Romanistik an ihrer Ursprungsuniversität Bonn studiert und in Italien gelebt; er war ein sehr guter Übersetzer. Sein Leopardi dient bis heute als Basis, auch der aktuellen Übersetzung von Burkhart Kroeber, der ersten seit langem, die nun in der Anderen Bibliothek erschienen ist: "Opuscula moralia - Oder vom Lernen, über unsere Leiden zu lachen".

Wo das Lachen herrühren soll, ist zunächst schleierhaft. Wie es im "Dialog zwischen Torquato Tasso und seinem vertrauten Flaschengeist" heißt: "Wahrlich, ich möchte fast sagen, dass die Kenntnis der Welt und die Erfahrung des Leidens in jedem von uns den ursprünglichen Menschen, der er einst war, gleichsam niederdrücken und einschläfern." Das Vergnügen tritt nie ein - es ist "stets entweder vergangen oder zukünftig, aber nie gegenwärtig" -, darum ist die Existenz eine Qual: "Demnach ist unser Leben stets unvollkommen, da es ständig seinen Zweck verfehlt, und es zu leben ist folglich naturgemäß etwas Gewaltsames." Wie für alle modernen Melancholiker ist für Leopardis Tasso Langeweile das Konzentrat menschlicher Misere.

Woher rührt das Leid? In den früheren Texten gilt ein ominöses Schicksal als Verursacher ("Dialog zwischen der Natur und einer Seele"), später ist es die Natur selbst. Im grandiosen "Dialog zwischen der Natur und einem Isländer" stößt Letzterer in Afrika auf ein mysteriöses Wesen: "Doch als er näher kam, erkannte er, dass es eine ungeheure Frauengestalt war, die auf der Erde saß, den Oberkörper aufgerichtet, Rücken und Ellbogen an einen Berg gelehnt, nicht aus Stein gehauen, sondern lebendig, das Gesicht zugleich schön und furchtbar, mit tiefschwarzen Augen und Haaren." Der Isländer klagt ihr sein Leid, das in der Einsicht in die "Nichtigkeit des Lebens" und die "Torheit der Menschen" besteht, ja ganz fundamental in der Erfahrung, dass bereits lebensnotwendige Faktoren wie Luft und Sonne den Menschen ständig quälen. Der Dialog endet mit der Einsicht, "dass das Leben dieses Universums ein ewiger Kreislauf von Schöpfung und Zerstörung ist". Die ihn rahmende Szene jedoch treibt das Spiel auf die Spitze: Als Schluss bietet sie alternativ an, dass der Isländer von Löwen gefressen oder unter Sand erstickt wird. Mit kaustischem Humor illustriert Leopardi nicht nur eine Einsicht, sondern zeigt sowohl ihre Nutzlosigkeit als auch die Ohnmacht des Einsichtigen.

Leopardi vertritt als Materialist und Sensualist eine in Deutschland undenkbare Variante der Romantik - Letztere hat er vehement attackiert, er wollte nichts mit ihr zu tun haben. Stattdessen greift er Theorien und Formen der Aufklärung auf, um sie neu zu wenden. Die "Opuscula moralia" beerben nämlich nicht nur den platonischen Dialog, sie erinnern auch stark an die Unterhaltungen oder die "contes philosophiques" (die aufklärerischen Erzählungen) eines Voltaire oder eines Diderot, etwa durch die Integration anderer Gattungen wie der des Abenteuerromans. Die rhetorische Pointierung durch Gegensatz, Übertreibung, Steigerung und Umschlag ist vergleichbar, der Einsatz ätzender Satire ebenso. Freilich geht Leopardis Prosatexten jene Hoffnung ab, die der Kritik an Missständen zugrunde liegt. Man sieht das in "Die Wette des Prometheus", in welcher der Titan sein zivilisatorisches Geschenk bereuen muss: "Hättest du gedacht, als du unter so großer eigener Gefahr das Feuer vom Himmel holtest, um es den Menschen zu bringen, dass diese sich seiner bedienen würden, um sich gegenseitig in großen Töpfen zu kochen oder sich freiwillig verbrennen zu lassen?"

Zwei mögliche Einwände sucht Leopardi zu entkräften: Sein Pessimismus lasse sich nicht auf die eigene Benachteiligung durch die Natur (sprich: seine kränkliche, unattraktive Gestalt) zurückführen, und auch ein Misanthrop sei er nicht (so der Stellvertreter Eleander im "Dialog zwischen Timander und Eleander"). Dennoch lässt er am Menschengeschlecht kein gutes Haar. Tristan, eine weitere Maske des Autors, sagt: "Ich weiß nur, dass ich, ob krank oder gesund, die Feigheit der Menschen verachte, jeden kindischen Trost und Selbstbetrug verschmähe und den Mut habe, die vollständige Hoffnungslosigkeit zu ertragen, unerschrocken in die Wüste des Lebens zu blicken, mir das menschliche Unglück nicht im geringsten zu verschleiern und alle Konsequenzen einer traurigen, aber wahren Philosophie anzunehmen." Man ahnt, warum Nietzsche Leopardi bewundert hat. Dessen Minimalprogramm lautet: "Dass ich niemanden mehr liebe außer, weil die Natur es so will, mich selbst, und auch das nur so wenig wie möglich."

Als Trost bleibt das Lachen, es ist "der einzige Gewinn", den wir aus unseren Leiden ziehen können, "und das einzige Heilmittel, das wir gegen sie finden". In einem der spannungsreichsten Texte, dem "Lob der Vögel", skizziert Leopardi eine Genealogie des Lachens: Die Menschheit hat zwangsläufig Alkohol konsumiert, um ihr Leid zu vergessen, und das erste Lachen ist eines über die Trunkenheit gewesen. Die Natur bietet eine ähnliche Entlastung: Der Gesang der Vögel ist "eine Art Lachen", und "indem sie ununterbrochen Zeugnis ablegen, mag es auch falsch sein, von der Glückseligkeit aller Dinge", erfreuen sie den Menschen.

Ein Heilmittel allerdings fehlt in diesen Meisterwerken über die Qual des Lebens: die Literatur selbst. Es ist das Grundparadox der "Opuscula moralia", dass die abgrundtiefe Schwärze des Lebens in seiner literarischen Formung sublimiert und gelindert wird. Das gilt für Schreiben und Leben, Leopardi hat sich nach der Niederschrift wieder der Lyrik zugewandt, mit Biss, etwa im "Widerruf an den Marchese Gino Capponi", aber auch mit Milde, zumindest in den Naturschilderungen.

Es ist ein großer Genuss, nach Jahrzehnten wieder zu einer Übersetzung der "Opuscula moralia" greifen zu können, noch dazu in der graphisch anregenden Gestaltung der Anderen Bibliothek. Kroebers elegante Übertragung baut auf Heyses Pionierleistung auf; tatsächlich war Heyse, wie Kroeber im Einklang mit der jüngeren Forschung betont, ein großer Italien-Vermittler. Dennoch wäre mitunter (noch) größere Nähe zum Original wünschenswert gewesen, stilistisch etwa im Einsatz des Semikolons, das Teil der langatmigen, geschmeidigen Periode Leopardis ist. Und ob die Aufnahme von Heyses Einleitung "Leopardis Weltanschauung" unabdingbar war, sei dahingestellt, das Verhältnis von Leben und Werk diskutiert sie auf vorhersehbare Weise. Der Ehrenrettung des heute als bayrischer Hofdichter Verschrienen hingegen kann man sich nur anschließen.

NIKLAS BENDER

Giacomo Leopardi: "Opuscula moralia". Oder vom Lernen, über unsere Leiden zu lachen.

Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. Die Andere Bibliothek, Berlin 2017. 360 S., geb., 42,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Die Themen sind schwer, der Ton stets leicht, die Gedankenführung ebenso präzise wie entspannt. Leopardi erfindet in den «Operette» eine neue Gedankenprosa, die in ihrer Schlichtheit und Schnörkellosigkeit noch heute beeindruckt. (...) Du kannst Leopardi nicht lesen, ohne dich danach besser zu fühlen." René Scheu Neue Zürcher Zeitung 20170902