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Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), die "Stasi", stand in der DDR für politische Verfolgung und behördliche Willkür. Die Stasi war zugleich die wichtigste Machtstütze der SED. Doch lange blieb im Dunkeln, was das Innenleben des Geheimdienstes bestimmt hat, was sich tagtäglich in seinen streng abgeschirmten Dienststellen und im Privatleben der hauptamtlichen Mitarbeiter abspielte. Bislang unveröffentlichte Dokumente legen dies erstmals offen. Vom feierlichen Aufnahmeritus in der elterlichen Wohnung über operative Maßnahmen gegen Andersdenkende bis hin zu Konflikten zwischen Kollegen und…mehr

Produktbeschreibung
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), die "Stasi", stand in der DDR für politische Verfolgung und behördliche Willkür. Die Stasi war zugleich die wichtigste Machtstütze der SED. Doch lange blieb im Dunkeln, was das Innenleben des Geheimdienstes bestimmt hat, was sich tagtäglich in seinen streng abgeschirmten Dienststellen und im Privatleben der hauptamtlichen Mitarbeiter abspielte. Bislang unveröffentlichte Dokumente legen dies erstmals offen. Vom feierlichen Aufnahmeritus in der elterlichen Wohnung über operative Maßnahmen gegen Andersdenkende bis hin zu Konflikten zwischen Kollegen und Vorgesetzten am "Arbeitsplatz Staatssicherheit". Auch das Familienleben hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter, Freizeitgestaltung, Disziplinarstrafen, Alkoholismus und Sexualität sowie das von der Partei gewünschte "gesellschaftliche Engagement" kommen hier zur Sprache. Trotz zahlreicher Privilegien haben MfS-Angehörige ihre Arbeit oft als frustrierend erlebt. Viele verrichteten ihren Job nur marionettenhaft und sind bereits vor dem Mauerfall am 9. November 1989 auf Distanz zum SED-Staat gegangen. Eine spannende Zeitreise durch eine bislang nur wenig erforschte Lebenswelt inmitten der DDR-Gesellschaft.
Autorenporträt
Jenny Krämer, M.A., geboren 1974, hat in Bonn und Potsdam Geschichte, Politik und Öffentliches Recht studiert und sich wissenschaftlich mit Phänomenen deutscher Alltagsgeschichte seit der Frühen Neuzeit beschäftigt. Sie lebt und arbeitet in Berlin.Benedikt Vallendar, Jahrgang 1969, Dr. phil., wuchs im Rheinland auf. Er studierte Romanistik, Jura und Neue Geschichte an der FU Berlin und hat als freier Journalist gearbeitet. Heute lebt Benedikt Vallendar in Braunschweig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.06.2015

Stasi im Getto
Vom Alltag und Privatleben der DDR-Tschekisten

In seiner Endzeit zählte der DDR-Staatssicherheitsdienst einschließlich des Wachregiments "F. E. Dzierzynski" 91 015 hauptamtliche Mitarbeiter. Acht von hundert davon waren Frauen. Die Zahlen sind dem Buch von Jenny Krämer und Benedikt Vallendar entnommen. Die beiden Historiker untersuchen darin den Stasi-Alltag, das heißt, sie thematisieren das triste Dasein der Unteroffiziere, Feldwebel, Offiziere und Generale sowie der Zivilangestellten, die einst in der Repressions- und Überwachungsbürokratie Erich Mielkes Tag für Tag Dienst getan haben.

Wie sah ihr Alltag im Dienst und nach Dienstschluss aus? Wie lebten sie, die sich als "sozialistische Persönlichkeiten" gerieren sollten, privat, zu Hause im Wohngebiet, gegebenenfalls in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis? Was haben sie verdient? Wie wurden sie versorgt? Welche Privilegien hatten sie? Diese und andere Fragen zum Alltag der DDR-Tschekisten - so nannten sie sich selbst nach der TscheKa, der Geheimpolizei Lenins - werden ausgeleuchtet.

Die Autoren haben Myriaden von Stasi-Akten durchforstet. Sie haben als Quellen speziell die Hinterlassenschaften der für die Bekämpfung von Kirchen, Widerstand und Opposition zuständigen Hauptabteilung XX im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) sowie der Hauptabteilung Kader und Schulung und der MfS-Bezirksverwaltung Magdeburg herangezogen, hauptsächlich Personal- und Disziplinarakten, ferner einschlägige Monographien, Memoiren und Dokumentationen. Zudem konnten sie ehemalige hohe Stasi-Offiziere interviewen. Mosaikartig, aufgeteilt in 39 einzelne Skizzen und Betrachtungen, zumeist kurz und knapp, manchmal salopp formuliert, wird die Thematik ausgelotet. "Zunehmende Professionalisierung" / Die Rekrutierung hauptamtlicher Mitarbeiter; "Das eigene Gehirn ausschalten" / Ausbildung bei der Stasi; "Stochern im Nebel" / Die Alltagsroutine; "Siamesische Zwillinge" / Stasi und SED; "Selbstbeschäftigung" / Die Bürokratie der Stasi; "Genossen unter sich" / Die Stasi im Urlaub; "Parallelwelten" / Stasi und Gesellschaft; "Dienstliches Fehlverhalten" / Konflikte am Arbeitsplatz; "Blau statt rot" / Alkoholismus bei der Stasi - exemplarische Überschriften zu den einzelnen Abschnitten, die reflektieren, welche alltagsgeschichtlichen Aspekte konkret behandelt werden.

In den Schlussabschnitten werden die zuletzt deutlich wahrnehmbaren Auflösungserscheinungen aufgezeigt, und es wird kommentiert, was ehemalige MfSler "Vergangenheitsbewältigung" nennen: Apologie, Mythen und Verklärung der SED-Geheimpolizei, die im Buch übrigens meist als "Geheimdienst" firmiert. Das ist sachlich falsch und ungewollt verharmlosend.

Und das Fazit? Nicht selten war er voller Frust, der Stasi-Alltag, "das Leben der Anderen" war nur im Film spannend. Unschöne Erfahrungen und persönliche Konflikte waren auszumachen, Missgunst und Misstrauen untereinander, Karrierismus, Kriminalität. Von Elite keine Spur. Da die Dienstgebäude und Unterkünfte des MfS und häufig auch Mitarbeiter-Wohnungen in Sperrgebieten lagen, durch Mauern abgeschirmt, kam das gut lesbare Buch zu seinem Titel: "Leben hinter Mauern". Mielkes Mannen führten ein Gettodasein. Aber sie wurden im Vergleich überdurchschnittlich gut bezahlt. "Ein Berufsanfänger mit Hochschulabschluss verdiente bei der Stasi 1986 rund 1600 Mark monatlich. Ein Abteilungsleiter kam auf knapp 3500 Mark, ein Hauptabteilungsleiter auf knapp viertausend Mark." Leider weist das Buch ein paar editorische Mängel auf: unpräzise Quellenangaben, kein Literaturverzeichnis, kein Personenregister. Schade.

KARL WILHELM FRICKE.

Jenny Krämer/Benedikt Vallendar: Leben hinter Mauern. Arbeitsalltag und Privatleben hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Klartext Verlag, Essen 2014. 251 S., 18,95 [Euro].

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