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Über die Entstehung und Nutzung botanischer Verteilungskarten im 19. Jahrhundert.Angesiedelt an der Schnittstelle von Wissenschafts-, Umwelt- und Mediengeschichte zieht »Das Kosmoskop« eine weite Linie von den ersten pflanzengeographischen Karten, die im späten 18. Jahrhundert im Umkreis Alexander von Humboldts entstanden, bis hin zu einem Kartierungsboom, der die Botanik rund hundert Jahre später erfasste. Ab wann wurden Karten für Botaniker unverzichtbar? Was musste passieren, damit sie in Karten andere Zusammenhänge beobachten konnten als in Texten? Wie veränderte das Medium Theorien über…mehr

Produktbeschreibung
Über die Entstehung und Nutzung botanischer Verteilungskarten im 19. Jahrhundert.Angesiedelt an der Schnittstelle von Wissenschafts-, Umwelt- und Mediengeschichte zieht »Das Kosmoskop« eine weite Linie von den ersten pflanzengeographischen Karten, die im späten 18. Jahrhundert im Umkreis Alexander von Humboldts entstanden, bis hin zu einem Kartierungsboom, der die Botanik rund hundert Jahre später erfasste. Ab wann wurden Karten für Botaniker unverzichtbar? Was musste passieren, damit sie in Karten andere Zusammenhänge beobachten konnten als in Texten? Wie veränderte das Medium Theorien über die Geographie der Pflanzen und ihre Ökologie? Mit seinem Fokus auf die Kartenbenutzer kommt Nils Güttler zu einem erstaunlichen Ergebnis: Erst spät begannen Botaniker damit, Pflanzenverbreitung auf dem Papier zu studieren. Der Trend zur kartographischen Beobachtung wurde von Institutionen an der vermeintlichen wissenschaftlichen Peripherie forciert, etwa von kartographischen Verlagshäusern und naturforschenden Gesellschaften. Im Wechselspiel populärer und akademischer Wissenskulturen entstand so ein lebendiger graphischer Diskurs über die Geographie von Pflanzen, der unsere visuelle Kultur bis heute prägt.Ausgezeichnet mit dem Georg Uschmann-Preis für Wissenschaftsgeschichte (2015) und dem Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für die Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik (2013)
Autorenporträt
Nils Güttler, geb. 1980, ist Assistenzprofessor für Geschichte der Naturwissenschaften an der Universität Wien. Seine Forschungen verbinden Umwelt- und Wissenschaftsgeschichte.Veröffentlichungen: Im Wallstein Verlag erschien bisher »Das Kosmoskop: Karten und ihre Benutzer in der Pflanzengeographie des 19. Jahrhunderts« (2014).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nils Güttlers Studie über die Kartierung von Pflanzen befasst sich nicht nur mit den Anfängen der modernen Ökologie, aus der Karten heute nicht mehr wegzudenken wären, sie greift auch einige wesentliche Thesen über die Eigenlogik von Bildern an, die seit dem "visual turn" im Umlauf sind, berichtet Thomas Weber. Die Rückbindung visueller Werke an konkrete historische Praktiken, um ihre jeweilige Wirkung zu bestimmen, findet der Rezensent sehr gelungen, einzig das Abschlusskapitel, in dem Güttler über das Verhältnis von Kartografie und Macht schreibt, erscheint Weber fehlerhaft, wenn er an die Beschreibung der Effekte der unterstellten "epistemischen Überlegenheit" denkt, die etwa der Historiker Thongchai Winichakul in seiner Studie "Siam Mapped" vorgelegt hat.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.01.2015

Die Macht der Karten
Eine Studie zur Frühgeschichte der modernen Ökologie

Verbreitungskarten sind aus der modernen Ökologie nicht mehr wegzudenken. Insbesondere die satellitengestützte Fernerkundung hat ihnen zu neuer Bedeutung verholfen. Darstellungen von Vegetationszonen oder der räumlichen Verteilung von Pflanzen standen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert am Beginn dieser Praxis. Die Wissenschaftsgeschichte und -philosophie hat sich lange mit den visuellen Elementen der Wissenschaft schwergetan und ihnen eine nur dienende Rolle eingeräumt. Dann sprach der "visual turn" den Bildern eine ausgeprägte Eigengesetzlichkeit zu. Die eindrucksvolle Studie von Nils Güttler zur Entstehung von Pflanzenverteilungskarten stellt nun diese Eigengesetzlichkeit in Frage: Karten erhielten ihren Stellenwert nur im Kontext konkreter materieller und sozialer Entwicklungen. Güttler analysiert diese Entwicklungen am Beispiel der Kartierung von Pflanzen vom späten 18. bis zum späten 19. Jahrhundert. Anhand der "Carte botanique de France" von Augustin de Candolle beschreibt er zunächst, wie sehr sich die kartographische Perspektive auf eine kollektive Empirie gründete. Von Amateurbeobachtern durchgeführte Lokalstudien schufen erst ihre Voraussetzungen. Die Zusammenführung mehrerer Untersuchungen schlug sich auch in Humboldts berühmten Panoramen nieder. Aber diese Naturgemälde hatten nur eine geringe Wirkung auf die Fachwissenschaft.

Bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts blieben Karten zudem eine teure Angelegenheit. Erst dann etablierte sich für sie ein lukrativer Markt, und sie wurden normaler Bestandteil botanischer Werke. Die damit einhergehende Professionalisierung und Standardisierung der kartographischen Techniken sicherten den Karten ihren Stellenwert. Sie wurden mehr und mehr im Feld benutzt, regionale Betrachtungsweisen gewannen gegenüber globalen Darstellungen an Bedeutung. Dieses "Einzoomen" ist für Güttler der Beginn der botanischen Ökologie.

Er beschließt seine Studie mit einer Betrachtung über Kartographie und Macht. In Arbeiten zur Geschichte des Kolonialismus ist es zum Allgemeinplatz geworden, Karten per se als Machtinstrumente zu betrachten. Güttler macht dagegen geltend, dass sie diese Rolle zuallererst erwerben mussten. Dabei übersieht er jedoch, dass die politische Macht von Karten oft nur sekundär von ihrer Verbreitung abhing und oft nur wenig mit ihrer Exaktheit oder tatsächlichen Nutzbarkeit zu tun hatte.

Der Historiker Thongchai Winichakul erzählt in seiner klassischen Studie "Siam Mapped" vom Konflikt zwischen indigenen und westlichen Raumvorstellungen und wie dieser Konflikt die Staatsbildung Siams beeinflusste. Im vorkolonialen Südostasien war politische Macht hierarchisch organisiert, nicht territorial. Kleinere regionale Mächte waren einem oder mehreren größeren Machtzentren tributpflichtig. Die Region war überzogen von einem Netz dynamischer Abhängigkeitsbeziehungen, kein Herrscher konnte tatsächlich direkte Macht über ein größeres Territorium ausüben. Dieses indigene Machtkonzept war in einer buddhistischen Kosmologie verankert, die sich schließlich nicht gegen die angebliche objektive Wahrheit der Karten zu behaupten vermochte, die die Kolonialmächte England und Frankreich ins Spiel brachten. Allein die Behauptung ihrer epistemischen Überlegenheit hatte tiefen Einfluss auf die politische Geschichte der Region.

Dieser Einwand ändert freilich nichts daran, dass Nils Güttler eine überaus lesenswerte Studie zur Vor- und Frühgeschichte der modernen Ökologie gelungen ist.

THOMAS WEBER.

Nils Güttler: "Das Kosmoskop". Karten und ihre Benutzer in der Pflanzengeographie des 19. Jahrhundert. Wallstein Verlag, Göttingen 2014. 545 S., Abb., geb., 65,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»eine überaus lesenswerte Studie zur Vor- und Frühgeschichte der modernen Ökologie« (Thomas Weber, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.01.2015) »a brilliant study« (Deborah R. Coen, Science and Business, 23.02.2016) »Vor allem die Akribie, mit der Güttler komplexe Produktionsabläufe unter Wahrung sprachlicher Eleganz beschreibt, ist schlicht bewundernswert.« (Staffan Müller-Wille, Berichte zur Wissenschaftsgeschichte, 40 (2017))