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Ein Blick hinter die Kulissen der bedeutendsten literarischen Zeitschrift der Bundesrepublik.Die literarische Zeitschrift »Akzente«, seit 1954 im Carl Hanser Verlag, verstand sich von Gründung an als Zeitschrift ohne Programm und als Plattform für die Förderung junger Talente: Hans Magnus Enzensberger debütierte in den »Akzenten«, Günter Grass als junger Autor publizierte dort und wurde in der Folge wesentlich von Herausgeber Walter Höllerer gefördert, Ingeborg Bachmann war von der ersten Ausgabe an »Akzente«-Autorin. Die Zeitschrift wurde zum Seismograph literarischer Strömungen - von den…mehr

Produktbeschreibung
Ein Blick hinter die Kulissen der bedeutendsten literarischen Zeitschrift der Bundesrepublik.Die literarische Zeitschrift »Akzente«, seit 1954 im Carl Hanser Verlag, verstand sich von Gründung an als Zeitschrift ohne Programm und als Plattform für die Förderung junger Talente: Hans Magnus Enzensberger debütierte in den »Akzenten«, Günter Grass als junger Autor publizierte dort und wurde in der Folge wesentlich von Herausgeber Walter Höllerer gefördert, Ingeborg Bachmann war von der ersten Ausgabe an »Akzente«-Autorin. Die Zeitschrift wurde zum Seismograph literarischer Strömungen - von den Emigranten ebenso wie von Vertretern einer »inneren Emigration« über die Gruppe 47 bis zu den Verfechtern radikaler ästhetischer und literaturtheoretischer Positionen. Auch für die Vermittlung ausländischer Literatur in der Bundesrepublik spielte sie eine zentrale Rolle. Die umfassende Studie von Susanne Krones basiert auf den »Akzente«-Korrespondenzen der Herausgeber Walter Höllerer, Hans Bender und Michael Krüger, insgesamt annähernd 100.000 Briefen, Strategiepapieren und Protokollen, die zwischen dem Carl Hanser Verlag, der »Akzente«-Redaktion und vielen hundert Autorinnen und Autoren der deutschsprachigen und internationalen Literatur gewechselt wurden.
Autorenporträt
Susanne Krones, geb. 1979, studierte Literatur- und Politikwissenschaften in Berlin, Buchwissenschaften in München und promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie arbeitet als Verlagslektorin in München und lehrt angewandte Literaturwissenschaften an der Universität Regensburg. Ausgezeichnet mit dem Münchner Hochschulpreis 2008 und dem Humboldt-Preis 2003. Zuletzt veröffentlicht: Literatur der Jahrtausendwende. Themen, Schreibverfahren und Buchmarkt um 2000 (2008).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.05.2010

Gefäß des Enthusiasmus

Kosmopolitisch, urban, deutsch: Susanne Krones erzählt mit der Geschichte der Literaturzeitschrift "Akzente" ein exemplarisches Kapitel unserer Nachkriegsliteratur.

Wer als literarischer Debütant in die "Akzente" aufgenommen werden wollte, musste durch das Nadelöhr sehr kritischer Prüfung. Wer hindurch war, dem öffnete sich ein weites Tor. Er besaß ein Entreebillet für den Kreis derer, die in der Literatur zählen. Endlich hat die meistgerühmte deutsche Literaturzeitschrift in Susanne Krones ihre Chronistin gefunden. Als Doktorarbeit wurde diese Chronik ausgezeichnet mit dem Münchner Hochschulpreis 2008. Nun liegt das - im doppelten Sinne - schwergewichtige Buch zu Geschichte und Funktionswandel der "Akzente" im Druck vor.

Der Carl Hanser Verlag, der nach dem Krieg mit einem eher dürftigen Programm dastand, brauchte ein Prestigeobjekt, also eine literarische Zeitschrift und einen tatenfreudigen Herausgeber. Dafür angeboten hatte sich schon ein Schriftsteller und Literaturexperte, ein Pulverfass neuer Ideen: Walter Höllerer. Man suchte einen Namen für diese Zeitschrift, und Höllerer schlug, in dieser Sache weniger glücklich, Titel wie "Urbana" oder "Alluvium", "Stationen" und "Die deutsche Revue" vor. Erst der Mitherausgeber Hans Bender, der schon als Student in Heidelberg eine literarische Zeitschrift mit Namen "Konturen" gegründet hatte, brachte den Titel ins Spiel, der zu einem Markenzeichen werden sollte: "Akzente".

Der ursprüngliche Zweck des Buches von Susanne Krones könnte Leser ungeduldig werden lassen, die nicht unbedingt interessiert sind an einer Parade von Begriffsdefinitionen und theoretischen Auseinandersetzungen, wie sie bei einer Doktorarbeit nun einmal erwartet werden. Aber was anfangs vielleicht wie eine akademische Fleißarbeit aussieht, enthüllt sich rasch als ein Füllhorn exakter und umfassender Informationen zur Entstehung, Wandlung und Wirkung einer Zeitschrift, deren Weg durch die Jahrzehnte zugleich die Veränderungen der Buchproduktion und des Buchmarkts während der Nachkriegsjahrzehnte anzeigt.

Anfang Februar 1954 hatten die "Akzente" ihr Debüt. Hans Bender hat später dieses Heft 1/1954 das schlechteste genannt. Man muss dieser Selbstkritik nicht folgen, und Michael Krüger hat sie im Rückblick auf die vierzigjährige Geschichte der Zeitschrift mit Recht ignoriert. Wer waren die Hauptbeiträger zum ersten Heft? Eröffnet wurde es mit einem Gedicht von Oskar Loerke, dem Lektor bei S. Fischer und dem Sekretär der Abteilung für Dichtung in der Preußischen Akademie der Künste, den das Naziregime kaltgestellt hatte und der, vereinsamt, 1941 gestorben war. Ein Zeichen der Reverenz galt auch der jüdischen Lyrikerin Gertrud Kolmar, die in einem Vernichtungslager umgekommen war. Erzählungen und Dialoge von Günter Eich oder Gedichte Rainer Brambachs, Beiträge von Ingeborg Bachmann, Karl Markus Michel und Walter Boehlich zur Diskussion über Musils "Mann ohne Eigenschaften" ehrten das erste Heft.

Überflieger Walter Höllerer

Dass Martin Heidegger, dessen regimefreundliche Freiburger Rektoratsrede noch nicht ganz vergessen war, mit seinem Hölderlin-Vortrag in der Nähe von Tagebuchaufzeichnungen des von ebendiesem Regime hingerichteten Studenten Hans Scholl stand, scheint das Gros der Leser nicht befremdet zu haben. Doch sei nicht vergessen, dass um diese Zeit längst Philosophiestudenten und -professoren aus dem Ausland zu Heidegger pilgerten. Als peinlich erwies es sich später, der Mimikry-Poesie eines Karl Emrich, der unter dem Pseudonym George Forestier die Gedichte eines angeblich verschollenen Fremdenlegionärs herausgegeben hatte, auf den Leim gegangen zu sein. Aber auch wir Studenten von damals, die das erste Heft der "Akzente" lasen, waren nach der Enttarnung des Fälschers klüger; uns hatten seine Verse fasziniert. Und was heißt überhaupt Fälschung dort, wo ohnehin die Gesetze der Fiktion gelten?

Mitte der sechziger Jahre öffneten sich die "Akzente" programmatisch auch der fremdsprachigen Literatur. Höllerer, seit 1959 Professor an der Berliner Technischen Universität, war im Herausgeberpaar der Mann mit weltweiten Kontakten und einem Kopf voller Anregungen, aber auch - trotz seiner berühmten "Thesen zum langen Gedicht", also zur Poesie mit langem Atem - ein "Überflieger". Der, kaum gelandet, schon wieder unterwegs war. Hans Bender blieb, auch als Herausgeber der "Akzente", an andere Redaktionsarbeit gebunden, als Leiter des Feuilletons der "Deutschen Zeitung", dann als Chef des Magazins "Magnum". Beide Herausgeber der "Akzente" waren, Höllerer schon früh, auch "Agenten" des Hanser Verlags, Bender eine Zeitlang als Lektor.

Aber der Verdacht einer Komplizenschaft von Verlag und Herausgebern der "Akzente", also der Begünstigung von Autoren des Verlags, war nicht überzeugend zu begründen. Dennoch hat der Lobbyist gelegentlich wohl doch mit am Redaktionstisch gesessen. Realitätsblind wäre es, darüber sich aufzuregen. Immerhin steckte der Verleger Carl Hanser in sein Prestigeobjekt, nach Auskunft Michael Krügers, in den ersten zwanzig Jahren einen Zuschuss von nahezu sechshunderttausend Mark. Erst ab 1970 konnten sich zumindest die "Themenhefte" selbst tragen.

Einen Einschnitt bringt das Ausscheiden Walter Höllerers. Höllerer war längst zum Ersten Literaturmanager West-Berlins avanciert. Am Grundsatz, den professoralen Literaturwissenschaftler aus den "Akzenten" fernzuhalten, hielt Bender, seit 1968 Alleinherausgeber, fest. Aber den Wechsel markieren zwei Änderungen. Die bisherige "Zeitschrift für Dichtung" wird als "Zeitschrift für Literatur" weitergeführt, womit Bender wohl auf die Diskussion über einen erweiterten Literaturbegriff reagiert; die erste Seite wird durch Farbe belebt. Eine stärkere Angleichung zwischen Verlags- und Herausgeber-interessen kündigte sich mit dem Eintritt Michael Krügers in die Redaktion an. Krüger, Lektor des Verlags, aber - wie Höllerer und Bender - auch Schriftsteller, empfand bei der Dreifachbelastung vor allem den Verlag als "eine Krake, die nicht nur Zeit frisst".

Melancholie und Gesellschaft

Mehr als es ohnehin üblich geworden war, verstärkte Krüger das Gewicht der fremdsprachigen, der Weltliteratur, und wenn einer der Titelvorschläge Höllerers bei der Gründung: der "Akzente", "Urbana", jemals berechtigt gewesen wäre, dann jetzt. Dass zwischen den beiden Herausgebern das offene Wort die Regel war, mag Benders Kritik an Krügers Plan zum Frankreich-Heft zeigen: "Alle vier Beiträge sind keine ,Zeitschriften'-Beiträge. Wenn schon Gedichte von Miguel Torres, warum dann aus den Jahren 1950, 1958 und nur eins aus dem Jahr 1972? Ich meine, es müssten neue Gedichte sein. (...) Das Stück von Pinget ist zu lang: Ausschnitte sind nicht möglich. Und warum auch? Michel Butor - ja das ist immer mehr Studienrats-Poesie. Und warum ihn jetzt noch bringen? Unser französisches Heft müsste aktueller sein, meine ich."

In seinem Brief aus dem September 1980 schrieb Bender einen Satz, der eine gewisse Müdigkeit verrät: "Es hat sich viel verändert." Da stand der Abschied aus der Redaktion bereits fest. Melancholie liegt über einem Bericht aus den Vereinigten Staaten. Im Herbst 1979 lehrte er, wie schon zuvor 1968/69, als Gastdozent an der University of Texas in Austin. In einem Brief aus dem Oktober 1979 heißt es: "Die Studenten und Studentinnen sind sympathisch, aber so gut wie mit denen damals werde ich mich mit ihnen wohl nicht verstehen. Die Zeit der ,Blumenkinder' ist vorbei." Melancholie statt Selbstfeier und auftrumpfenden Optimismus!

Lag für Einsendungen junger Autoren die Messlatte hoch, so wollten die Herausgeber andererseits keine Propheten sein, die für eine glorreiche Zukunft einstanden. Und sie waren nicht unfehlbar. Hans Bender, der Entdecker so vieler Talente, hat gleichwohl eines verkannt. Mehrfach lehnte er Texte von W. G. Sebald ab. Der meistgedruckte Autor in den "Akzenten" blieb Günter Grass, wenn auch mit Beiträgen aus der frühen Zeit. Dass sich die Beziehungen zwischen Exilautoren und westdeutschen Literaturinstitutionen lange Zeit nicht recht erwärmen wollten, ist allgemein bekannt. Weniger wohl, dass Autoren des amerikanischen Exils wie Oskar Maria Graf und die Lyrikerin Mascha Kaléko auch bei den "Akzenten" erfahren mussten, wie sehr die Goebbelssche Kulturpolitik mit dem symbolischen Akt der Bücherverbrennung auch ein Erinnerungskontinuum unterbrochen hatte.

Michael Krüger brachte die "Akzente" in der Zeit seiner Alleinverantwortung bisher durch alle Turbulenzen der elektronischen Revolution. Alle Funktionen, die miteinander rivalisierten, fallen, dank eines konsequenten Aufstiegs im Hanser Verlag, dessen geschäftsführender Verleger er seit 1986 ist, in seiner Person zusammen. Wie bei seinen Vorgängern bleibt die Neugier auf Texte, die dem literarisch-ästhetischen Urteil standhalten, auf Innovatives (auch in der Vergangenheit) bestimmend; Krüger erweitert nur noch einmal das Suchfeld. Aber diese Übereinstimmung in den Maßstäben und Leitideen der Herausgeber sichert den "Akzenten" ihr besonderes Profil und eine einmalige Kontinuität.

Susanne Krones hat sich mit Beharrlichkeit durch die Archive gewühlt und dennoch keine Archivarssprache in ihre Darstellung übernommen. Sie ist auch nicht bei trockener Materialausbreitung stehengeblieben, sondern verstrebt das Gerüst der chronologischen Darstellung durch Querverweise, durch Exkursionen ins literarische Umfeld der "Akzente" und ins Biographische der Herausgeber, durch Analysen der literarischen Programme und der wirtschaftlichen und produktionstechnischen Zwänge. So entsteht am Beispiel der "Akzente" das Bild eines bewegten, von Enthusiasmus und Hoffnungen getragenen, auch von Rückschlägen gehemmten literarischen Lebens der Nachkriegsjahrzehnte.

WALTER HINCK

Susanne Krones: "Akzente" im Carl Hanser Verlag. Geschichte, Programm und Funktionswandel einer literarischen Zeitschrift 1954-2003. Wallstein Verlag, Göttingen 2009. 555 S., 33 Abb., geb., 49,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nicht nur als umfassende Chronik einer der einflussreichsten Literaturzeitschriften, sondern als erhellenden Einblick in ein Kapitel der Nachkriegsgeschichte preist Walter Hinck Susanne Krones Geschichte von "Akzente". Die Studie stellt die preisgekrönte Doktorarbeit Krones dar und auf keinen Fall sollte man sich von den darin unumgänglichen Begriffs- und Theorieklärungen irritieren lassen, betont der Rezensent. Denn Krones bietet ein weitgefasstes Panorama der Geschichte und Funktion der "Akzente", anhand derer sich Verlagsgeschichte, Literaturgeschichte und Geschichte der Bundesrepublik exemplarisch ablesen lasse, verspricht Hinck. Trotz akribischer Archivrecherche liest sich dieses Buch auch kein bisschen trocken, die Autorin weiß Querverbindungen zu ziehen und in Exkursen Relevantes aus dem literarischen Umfeld der Zeitschrift einzubinden, lobt der begeisterte Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH