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Aus dem Nachlass: ein unbekannter Roman des Dichters und Erzählers.Als großen poetischen Erzähler und Dichter, als Erfinder phantastischer Geschichten kennen wir Johannes Schenk. Zwei bisher unbekannte, umfangreiche Romane aus dem Nachlass zeigen, dass er auch die große erzählerische Form beherrschte. Den ersten von ihnen, zu Ende geschrieben 1995, präsentiert dieser Band. Schenk stellt uns den Vagabunden Jo Schattig vor, den »Zähen«, dessen erzwungene Aufenthalte in ummauerten Räumen seine Sehnsucht nach den Erlebnissen in der Wirklichkeit und der Phantasie umso mehr befeuern. Er durchmisst…mehr

Produktbeschreibung
Aus dem Nachlass: ein unbekannter Roman des Dichters und Erzählers.Als großen poetischen Erzähler und Dichter, als Erfinder phantastischer Geschichten kennen wir Johannes Schenk. Zwei bisher unbekannte, umfangreiche Romane aus dem Nachlass zeigen, dass er auch die große erzählerische Form beherrschte. Den ersten von ihnen, zu Ende geschrieben 1995, präsentiert dieser Band. Schenk stellt uns den Vagabunden Jo Schattig vor, den »Zähen«, dessen erzwungene Aufenthalte in ummauerten Räumen seine Sehnsucht nach den Erlebnissen in der Wirklichkeit und der Phantasie umso mehr befeuern. Er durchmisst Land und Wasser, dörfliche Idylle und großstädtisches Bohème-Leben, Liebe und Traurigkeit mit nimmermüder Neugier, trifft auf Flora und Stanislaw, Lupka und Raphael, sitzt ruhelos in Bistros und Hafencafés und schaut im Zirkus den Tänzerinnen und Messerwerfern zu. Johannes Schenk erzählt davon kraftvoll und sinnlich ausladend. In seinem Denken und Schreiben vereinen sich das kindliche Staunenund die Weisheit des in der Welt Herumgekommenen auf eine wunderbare, die Wahrnehmungsfähigkeit seiner Leser schärfende Weise
Autorenporträt
Johannes Schenk (1941-2006), aufgewachsen in Worpswede, mit vierzehn Schiffsjunge, Matrose, sechs Jahre später mit eigenem Schiff (einem umgebauten Rettungsboot) unterwegs in die Südsee, Tellerwäscher, Gärtner, Buchhändler, Stauer, Straßenarbeiter, Bühnentechniker an der Schaubühne, Schriftsteller. Schrieb Gedichte, Romane, Geschichten, Stücke. Lebte seit den 1960er Jahren in Berlin und in einem Zirkuswagen in Worpswede.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2011

Meerwasser unterm Tisch
Ein Roman aus dem Nachlass von Johannes Schenk

Es ist eine dieser abenteuerlichen Geschichten, die wir schon als Kinder gern gelesen haben: Der Seefahrer Jo Schattig gerät mit seinem Fischkutter in einen Sturm, erleidet Schiffbruch und wird an die Küste eines fremden Landes gespült. Dort wirft man ihn kurzerhand ins Gefängnis, weil er sich nicht ausweisen kann. Drei Jahre harrt er in der Zelle aus, dann gelingt ihm die Flucht. Bei einem Freigang überrumpelt er einen seiner Wärter und macht sich auf die Suche nach seiner Geliebten. Sie ist ihm nachgereist, doch als er ihr schließlich wiederbegegnet, muss er erfahren, dass sie mittlerweile - und das ist jetzt nicht mehr ganz so kindgerecht - ein Verhältnis mit dem Besitzer eines Kaffeehauses eingegangen ist. Der Seefahrer schwört Rache, getrieben von einem "erotischen Fieber" und dem "süßen Gift" der Eifersucht.

"Jo Schattig" heißt dieser Roman nach seinem ungestümen Helden. Der Text stammt aus dem Nachlass des im Jahre 2006 verstorbenen Schriftstellers Johannes Schenk und erscheint jetzt zum ersten Mal im Rahmen einer Werkausgabe im Wallstein Verlag. Das Manuskript war bereits 1995 zur Veröffentlichung vorbereitet worden, die ersten Entwürfe stammen allerdings bereits aus den frühen achtziger Jahren. Und so hängt dann auch ein Hauch dieser vergangenen Epoche über der eigentlich zeitlosen Geschichte eines Seemanns und seiner "gefährlichen Liebe" zum Meer. Unter anderem hat Schenk das Geschehen in eine geheimnisvolle "Inselstadt" verlegt. Hier leben Außenseiter und verlorene Seelen, die es auf dem "Festland" aufgrund der dort herrschenden politischen Verhältnisse nicht mehr ausgehalten haben: Man braucht nicht viel Phantasie, um in diesem stillen, verschlafenen Rückzugsort das alte West-Berlin zu entdecken, in dem Johannes Schenk den größten Teil seines Leben verbracht hat.

Es ist nicht die einzige autobiographische Spur in diesem Roman. An einer Stelle wechselt sogar die Erzählperspektive etwas unvermutet von der dritten in die erste Person. Plötzlich spricht ein "Ich", das den Namen Jo Schattig trägt, und allmählich tritt hinter der Figur des Seefahrers tatsächlich der Dichter Johannes Schenk hervor, den es sein Leben lang hinaus aufs Meer gezogen hat. Im Jahre 1955, damals war er gerade 14, heuerte er in Bremerhaven zum ersten Mal als Schiffsjunge an. 1962 erwarb er den Matrosenbrief, um anschließend mit einem umgebauten Rettungsboot auf eigene Faust in See zu stechen. Im Ärmelkanal erlitt er zum erstem Mal Schiffbruch - und strandete anschließend ähnlich wie sein späterer Romanheld immer wieder an fernen Küsten. Casablanca war die Endstation seiner Reise. Von hier aus kehrte Johannes Schenk zurück nach Deutschland. Er schlug sich in West-Berlin als Gärtner, Tellerwäscher und Buchhändler durch, bevor er Ende der sechziger Jahre das "Kreuzberger Straßentheater" gründete und Dramen über die prekäre Situation der Arbeiter im Industriekapitalismus verfasste.

Eine kurze Zeit lang kam das gar nicht schlecht an. Einen Namen machte sich Johannes Schenk allerdings nicht als Verfasser von agitatorischen Theatertexten wie seinem legendären "Transportarbeiter Jakob Kuhn" (1971), sondern als Lyriker. In Gedichtbänden wie "Fisch aus Holz" (1967), "Für die Freunde an den Wasserstellen" (1980) oder "Bis zur Abfahrt des Postdampfers" (1988) knüpfte er aus den Eindrücken, die er als junger Mann auf hoher See gesammelt hatte, ein zartes Netz von maritimen Sehnsuchtsmetaphern, in denen sich immer auch die ganz konkrete Hoffnung auf die nächste "große Fahrt" verbarg: "Die Segelgaffen knarren am Mast. / Es knarren auch meine Träume", schrieb er wehmütig 1985 in dem Band "Café Americain", wenige Jahre bevor er mit einem russischen Fischtrawler noch einmal den Versuch machte, "festen Schiffsboden" unter die Füße zu bekommen.

Es sollte nicht gelingen. Wieder einmal musste Johannes Schenk nach kurzer Zeit beidrehen. Dafür hatte er neues Material für seine Gedichte mitgebracht - und für die Prosa. Alles muss romantisiert werden: So schippert Jo Schattig in diesem nachgelassenen Roman wie einst sein Autor auf einem "in Archangelsk, im Eismeer" gebauten Schleppnetzfischer seinem Schicksal entgegen. Und auch er wird scheitern. Der Ozean will ihn nicht zurück, seine Geliebte ist verloren: "Ich trug's in die Stirn gekratzt, dass ich Flüchtling war und bin und bleibe." Am Ende sitzt der liebeskranke Seefahrer in einem durchnässten Mantel im Kaffeehaus seines Nebenbuhlers, und unter dem Tisch sammelt sich ein dünnes Rinnsal Meerwasser. Das ist der Stoff, aus dem die Literatur von Johannes Schenk gemacht ist: "Da wo es trocknete, glitzerten die Salzkristalle."

KOLJA MENSING

Johannes Schenk: "Jo Schattig". Roman.

Wallstein Verlag, Göttingen 2010. 220 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dieser Roman ist aus dem Nachlass des 2006 verstorbenen Autors Johannes Schenk veröffentlicht worden. Erste Entwürfe lagen schon in den achtziger Jahren vor, erzählt Kolja Mensing. Und das merkt man dem Buch offenbar an. Schenk erzählt die abenteuerliche Geschichte eines Seemanns, der seine Geliebte an einen Kaffeehausbesitzer verliert. Für Mensing zeigen sich da starke autobiografische Bezüge. Nicht nur ist Schenk ebenfalls eine Zeitlang zur See gefahren. Die "Inselstadt", in der die Geschichte spielt, erinnert ihn auch an das Westberlin der achtziger Jahre, in dem Außenseiter gut leben konnten. Wie gut ihm der Roman wirklich gefallen hat, bleibt unklar, aber dass Mensing große Sympathie für den Autor hat, wird deutlich.

© Perlentaucher Medien GmbH