Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 4,98 €
  • Gebundenes Buch

Yi Yun-Gis Erzählungen lassen häufig zwei Welten aufeinanderprallen. Da will beispielsweise jemand, der gerade einen schweren Schicksalsschlag erlitten hat, für eine Zeitung eine Reportage über Leuchtturmwärter schreiben. Aber in Wahrheit geht es ihm mehr noch um die Flucht aus der gewohnten Umgebung. Seine Reise zu verschiedenen Inseln der koreanischen Südküste führt in eine geheimnisvolle Welt, in der andere Gesetze voller Bedrohlichkeit und düsterer Erotik zu gelten scheinen. Oder in der Titelerzählung: Ein aus Korea stammender Intellektueller, der zwischen seiner Heimat und den USA hin und…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Yi Yun-Gis Erzählungen lassen häufig zwei Welten aufeinanderprallen. Da will beispielsweise jemand, der gerade einen schweren Schicksalsschlag erlitten hat, für eine Zeitung eine Reportage über Leuchtturmwärter schreiben. Aber in Wahrheit geht es ihm mehr noch um die Flucht aus der gewohnten Umgebung. Seine Reise zu verschiedenen Inseln der koreanischen Südküste führt in eine geheimnisvolle Welt, in der andere Gesetze voller Bedrohlichkeit und düsterer Erotik zu gelten scheinen. Oder in der Titelerzählung: Ein aus Korea stammender Intellektueller, der zwischen seiner Heimat und den USA hin und her pendelt, besucht immer wieder seinen alten Lehrer Il-Mo und bekommt schließlich ganz unverhofft eine Lehre erteilt, durch die er sich selbst in ganz neuem Licht sehen muß. Yi Yun-Gi erzählt von Menschen, die sich moralisch vor Fragen gestellt sehen, die sie mit ihren überlieferten Wertbegriffen nicht leicht lösen können. Geschult an Erzähltraditionen des Westens wie gleichermaßen beeinflußt vom Buddhismus, entwirft er in lakonischer Verknappung Geschichten, die auf Selbsterkenntnis zielen, bei ihren Figuren und den Lesern.
Autorenporträt
Der AutorYi Yun-Gi, geboren 1947 in der südkoreanischen Kleinstadt Kunwi; nach dem Tod des Vaters in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen; Studium in Seoul abgebrochen. Seit Anfang der siebziger Jahre Kurzgeschichten, Erzählungen und Romane, außerdem Essays und Übersetzungen, u.a. von Hemingway, C.G. Jung, Nietzsche, Eco, griech. und röm. Sagen. Gastprofessuren in den USA und Japan.Die ÜbersetzerKyunghee Park, geboren 1969 in Seoul, lebt in Frankfurt am Main. Übersetzungen ins Koreanische und Deutsche. Matthias Augustin, geboren 1968, lebt in Frankfurt am Main. Übersetzungen von Romanen, Kurzgeschichten, Gedichten aus dem Koreanischen ins Deutsche.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.06.2008

Mit dem letzten Satz ist keine dieser Geschichten zu Ende
„Kurve und Gerade”: Erstmals ist auf Deutsch der meisterliche Erzähler Yi Yun-Gi aus Korea zu entdecken
Vielleicht zeigen sich dem Leser die Themen, die den südkoreanischen Schriftsteller Yi Yun-Gi in seiner Literatur umtreiben, am deutlichsten in einer Skizze über einen alten türkischen Brauch. „Nekropolis” heißt sie und beschreibt den Niedergang eines ungewöhnlichen Rituals islamischer Eheanbahnung.
Familien mit einer Tochter, die man verheiraten wollte, postierten einen Tonkrug auf dem Hausdach. Wollte nun ein Junggeselle das Mädchen zur Frau nehmen, dann musste er den Krug mit einem einzigen Steinwurf zum Zersplittern bringen. War er erfolgreich, so deuteten die Familien das als Zeichen Gottes, und die Hochzeit konnte stattfinden. Warf er jedoch daneben, musste er von dannen ziehen. Der Anfang vom Ende des Brauches begann in jenem Moment, in dem die Junggesellen anhand der Größe des Gefäßes auf die Schönheit der Umworbenen zu schließen begannen. Denn die Eltern von weniger hübschen Töchtern stellten große Krüge auf, die kaum zu verfehlen waren. Eltern schöner Töchter jedoch nahmen kleine. So kam es, dass stolze Eltern um die kleinsten Krüge wetteiferten, bis diese im wahrsten Sinne verschwanden.
In allen Geschichten von Yi Yun-Gi geht es um den steten Wandel – von Menschen, Ländern und Kulturen und damit auch um Zeit; und mit ihr natürlich um den Tod. Er ist stets präsent in dem Erzählungsband „Kurve und Gerade”, der dem deutschsprachigen Publikum zum ersten Mal die Begegnung mit dem südkoreanischen Autor, Jahrgang 1947, ermöglicht. Es ist eine fulminante. Obwohl Yi Yun-Gis Protagonisten auf die eine oder andere Weise mit dem Sterben konfrontiert werden, ist den Erzählungen nichts Larmoyantes eigen. Ja, der Schmerz über das Ende des Lebens ist vorhanden; doch er erdrückt die Geschichten nicht. Diese seufzen, stöhnen jedoch nicht. „Nekropolis” endet schlicht mit den Worten „Mensch, ach, Mensch”. Wer hinter diesen drei Wörtern dröhnendes Pathos wittert, der missversteht sie. Diese Worte sind leise, und in ihnen steckt viel Trauer über die Vergänglichkeit allen Lebens.
Natürlich ist viel buddhistisches Gedankengut in den insgesamt sieben Geschichten, doch es ist nicht westlich weichgespült. Immer besitzen sie ein undurchdringliches Geheimnis, das Yi Yun-Gi sich hütet zu lüften. Der Koreaner unterläuft konsequent unser Bedürfnis nach Aufklärung, und dadurch bekommen seine Geschichten etwas Beunruhigendes. Mit dem letzten Satz ist keine von ihnen zu Ende. Dass Yi Yun-Gi diesen erzählerischen Kniff anwendet, hat sicherlich auch mit seiner regen Übersetzertätigkeit zu tun. Nietzsche, Hemingway, Eco gehören zu den Autoren, die er ins Koreanische übertragen hat.
Was muss noch unbedingt über Yi Yun-Gi gesagt werden? Zweierlei. Zum einen notiert er seismographisch die Veränderungen im Leben der Koreaner, den Zerfall der Traditionen, die Orientierung am westlichen Lebensstil. Viele seiner Protagonisten leben in Amerika. Die Rückkehr in die Heimat führt zu Konflikten. Zum anderen führt er uns die Brutalität des Lebens vor. Wie er in „Enten und Menschen” die Tötung einer Ente durch Artgenossen akribisch schildert und diese in Beziehung setzt zur unnachgiebigen Härte des koreanischen Militärs, ist schmerzhaft zu lesen. Yi Yun-Gis Literatur stellt den Leser immer wieder vor die Frage, der sich der Ich-Erzähler in der Titelgeschichte „Kurve und Gerade” gegenübersieht: „Was wir als eine gerade Linie sehen, ist das wirklich eine Gerade? Ist diese Linie nicht vielleicht ein Stück einer Kurve, das wir aus unserem Bambusrohrblick betrachten und eine ,Gerade‘ nennen?” FLORIAN WELLE
YI YUN-GI: Kurve und Gerade. Erzählungen. Aus dem Koreanischen von Matthias Augustin und Kyunghee Park. Wallstein Verlag, Göttingen 2008. 224 Seiten, 22 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.06.2008

Kurve nicht gekriegt
Yi Yun-Gi moralisiert, dass sich der Bambus biegt

Der im Jahre 1947 geborene koreanische Schriftsteller und Übersetzer Yi Yun-Gi, der unter anderem C.G. Jung, Eco und Nietzsche ins Koreanische übertragen hat, vereinigt in seinem schriftstellerischen Werk westliche und östliche Mythologie. Obsessionen, Außenseitertum und Andersartigkeit stehen im Fokus seiner auf Erkenntnismomente zulaufenden Geschichten. Den Autor interessieren in erster Linie psychische, innere Vorgänge, nicht historische Entwicklungen oder politische Konflikte.

So geht die Erzählung "Enten und Menschen" in raffinierten Zeitblenden Affinitäten zwischen der Tierwelt und dem Militär nach. Im Zentrum der Parabel "Der Fliegenträger" steht, wie so oft in Yis Geschichten, ein beruflich in Amerika tätiger Koreaner. Erzählt wird die Wandlung vom stotternden Stubenhocker Nosu Park zum elegant westlich gekleideten Dr. North Park. Tragikomisch wirkt die Schilderung von Nosus "Selbststärkungsprogramm" zur Aufarbeitung biographischer Traumata, etwa der vom Vater gegen seinen Willen arrangierten Heirat.

Oft arbeitet der Autor mit Gegensatzpaaren: Konfuzianismus versus Kapitalismus, Pietät gegenüber den Älteren versus Individualismus respektive Hedonismus im Westen. Die Charaktere oszillieren zwischen Freiheitsdrang, Fatalismus und Fremdbestimmung. So ist "Jemand sieht zu" die metaphorische Geschichte eines in ausweglose amouröse Begierden verstrickten Menschen: Der tragische Held glaubt, am Bahnübergang, dessen Schranken immer genau dann schließen, wenn sich sein Auto nähert, von einem Wesen wie "Gott oder Buddha" beobachtet zu werden.

Yis symbolbeladene Erzählungen sind Welterklärungsversuche von der Peripherie her: Randständige Orte und Charaktere spielen eine wichtige Rolle. In "Ein Haus ohne Zaun und Mauern" fährt ein Zerstreuung suchender Journalist, dessen Mutter gestorben ist, an die Südküste Koreas, um eine Reportage über die Leuchtturminseln zu schreiben. Die Figur Keomis, der begehrenswerten Tochter eines Leuchtturmwärters, evoziert die "Große Mutter" ebenso wie "Laotses Sinnbild vom ,Tiefgründigen Weib'". Als der Erzähler Keomi nachts beim Einsammeln der bei Ebbe in einer Fangvorrichtung zurückgebliebenen Fische hilft, wird ihm in einer Art Erleuchtung das Wesen des Lebens und der Liebe bewusst.

Metaphernreich illustrieren Yi Yun-Gis buddhistisch angehauchte, auf zwei in den Jahren 1998 und 2000 in Korea publizierten Bänden beruhende Texte die Illusionsbehaftetheit des Seins. In der Titelgeschichte "Kurve und Gerade" führt ein alter Weiser einem an einer amerikanischen Universität forschenden Koreaner, der im Urlaub die Heimat besucht, die weltliche Karriere als Ansammlung von nichts als sekundärem Wissen vor Augen. Was dabei entsteht, ist ein Vexierbild der Moderne: "Was wir als eine gerade Linie sehen, ist das wirklich eine Gerade? Ist diese Linie nicht vielleicht ein Stück einer Kurve, das wir aus unserem ... Bambusrohrblick betrachten und eine ,Gerade' nennen? Hast du nicht vielleicht eine große Kurve mit einer kleinen Geraden verwechselt?"

STEFFEN GNAM

Yi Yun-Gi: "Kurve und Gerade". Erzählungen.

Aus dem Koreanischen übersetzt von Matthias

Augustin und Kyunghee Park. Wallstein Verlag,

Göttingen 2008. 223 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Steffen Gnam kann hier etwas lernen -  über Täuschungsmanöver der Moderne etwa oder Erkenntnismöglichkeiten durch die Vereinigung von westlicher und östlicher Mythologie. Dass es bei Yi Yun-Gi nicht um große historische oder politische Umwälzungen geht, sondern um innere Vorgänge ist ihm beim Lesen rasch klar geworden und so beobachtet er das "randständige" Personal und die abseitigen Orte in diesen Texten mit gesteigertem Interesse, entdeckt ein reiches Arsenal an Symbolen und Metaphern, buddhistische Weisheiten und immer wieder (scheinbare) Gegensätze zwischen denen die Figuren hin- und hergerissen sind.

© Perlentaucher Medien GmbH
'Yi Yun-Gi ist ein veritabler Erzähler, der das Suggestive und - zumal in seiner Leuchtturmerzählung 'Ein Haus ohne Zaun und Mauern', dem besten Stück der Sammlung - auch das Spannende nicht verschmäht.'(Ludger Lütkehaus, Neue Zürcher Zeitung,