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Adolf Endler hat ältere an entlegenem Ort publizierte und neue unveröffentlichte Gedichte chronologisch zusammengestellt zu einer »Dokumentation der zuweilen recht krummen Wege meines Lebens: Frühes und Spätes kommentieren sich gegenseitig«.»Eines ist bei allem Tohuwabohu sicher: Ich wollte im Grunde immer ein Lyriker sein - und sonst gar nichts«, sagte Adolf Endler in seiner »Selbstvorstellung« zur Aufnahme in die Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung in dem ihm eigenen Ton des augenzwinkernden Understatements. Das ist für einen, der nicht wenige Prosabücher aus seinem…mehr

Produktbeschreibung
Adolf Endler hat ältere an entlegenem Ort publizierte und neue unveröffentlichte Gedichte chronologisch zusammengestellt zu einer »Dokumentation der zuweilen recht krummen Wege meines Lebens: Frühes und Spätes kommentieren sich gegenseitig«.»Eines ist bei allem Tohuwabohu sicher: Ich wollte im Grunde immer ein Lyriker sein - und sonst gar nichts«, sagte Adolf Endler in seiner »Selbstvorstellung« zur Aufnahme in die Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung in dem ihm eigenen Ton des augenzwinkernden Understatements. Das ist für einen, der nicht wenige Prosabücher aus seinem geheimnisumwitterten »sechsunddreißigbändigen Romanwerk« veröffentlichte, so bemerkenswert wie einleuchtend. Endler hat in den fünfziger Jahren als Lyriker begonnen, und er hat zeit seines Lebens Gedichte geschrieben und veröffentlicht. Seine Leichtigkeit und seine spielerische Gestik - »Wer nicht zaubern kann, der ist verloren.« (Ludwig Hohl) - wird seit langem geschätzt, aber erst relativ spät wurde in Endlers einzigartigem Ton auch das außerordentliche Formbewusstsein erkannt. Seinen letzten Gedichtband nannte Jens Jessen »den in Wahrheit bedeutendsten vom Ende des zwanzigsten Jahrhunderts«.
Autorenporträt
Adolf Endler (1930-2009), Lyriker, Prosaautor, Essayist; geboren in Düsseldorf, 1955 Übersiedlung in die DDR. Er erhielt bedeutende Literaturpreise, darunter: Bremer Literaturpreis, Peter-Huchel-Preis, Hans Erich Nossack-Preis, Kritikerpreis der SWR-Bestenliste, Brüder-Grimm-Preis der Stadt Hanau, Ehrengabe der Schiller-Stiftung, Rainer-Malkowski-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.01.2008

Gold- und Haifisch

Der geborene Düsseldorfer Adolf Endler, der im Jahr 1955 von der Bundesrepublik in die DDR wechselte, war nirgendwo ein Jasager, und so sahen die Genossen in dem Überläufer bald einen Irrläufer. 1979 wurde er aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen. Aber als Mitglied und Namensgeber der "Sächsischen Dichterschule" und der "Plensberger-Berg-Connection" war er nicht so einfach zum Schweigen zu bringen, weder von der Partei noch von den "Gouvernanten" der linientreuen Literaturwissenschaft. Er war in der Literatur der DDR ein Gold- und ein Haifisch zugleich, ein Sprachspieler mit scharfem Biss gegen die Gängelung der Schriftsteller, im Kalten Krieg ein Liebhaber des sprachlichen Capriccios und ein Fechter mit der Waffe der satirischen Collage. Von dieser Zungenfertigkeit gibt die Sammlung von neunundsiebzig Gedichten aus einem halben Jahrhundert aber leider keine rechte Vorstellung. Der ironische "Aufruf an die Kunstakademie", die Entlarvung von Johannes R. Bechers geschwollenem Lob des Jahrhunderts, die zornige Reaktion auf das "Störmanöver" und die "Zwischenrufe" bei einer Lesung in Perleberg und einige der Kurz- und Kürzestgedichte mit epigrammatischer Pfeilspitze zählen zu den Ausnahmen. Keine Ernte, sondern eine Nachlese hält Endler hier. Ein Verlegenheitsband? In seiner Nachbemerkung erklärt er viele der "Gelegenheitsgedichte" als ein "mehr oder weniger zufälliges Nebenher". Seiner Aufrichtigkeit bleibt Endler also auch hier treu. (Adolf Endler: "Krähenüberkrächzte Rolltreppe". Neunundsiebzig kurze Gedichte aus einem halben Jahrhundert. Wallstein Verlag, Göttingen 2007. 94 S., geb., 16,- [Euro].) WHi.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.01.2020

„Neigt zu
Alleingängen“
Adolf Endler war „die verwachsenste Gurke
der neuen Poesie“, der Mentor der „Prenzlauer
Berg Connection“ und ein grimmiger Realist:
Ein Band vereint seine sämtlichen Gedichte
VON JÖRG MAGENAU
Laut Selbstaussage war der 2009 im Alter von 79 Jahren gestorbene Dichter Adolf Endler „die verwachsenste Gurke der neuen Poesie“. Manchmal trat er auch als der „irre Fürst“ auf, dessen Notizen am Rande des Wahnsinns anzusiedeln sind. Seine mit sehr viel schwarzem Humor gespeisten Gedichte ergeben eine Art Höllengelächter, mit dem er auf die Miseren des Daseins im Allgemeinen, unauflösliche historische Widersprüche im Besonderen und ganz konkret auf die Paradoxien der DDR- beziehungsweise der gesamtdeutschen Nachwendewirklichkeit reagierte.
„Das Blut entflammt im Kopf sich zum Gedicht“, hatte Endler einst bemerkt, als er an seinem vierzigsten Geburtstag enthusiastisch durchs regennasse Gras den Berg hinunterrollte, bis sich sein Barthaar im Dorn verfing. An diesem biologischen Grundgesetz der Lyrikproduktion änderte sich auch für den älteren Herren, der nicht mehr zu rollen pflegt, nichts. Die DDR war für ihn so etwas wie eine Nussschale, die die Absurdität der ganzen Welt enthielt. Da fand er den Stoff, den er brauchte und das Material, an dem er seinen Sarkasmus erprobte. Doch als die Nussschale zerbrach, blieb die Absurdität der Welt bestehen und Endler begriff, dass „meine ganze Existenz nicht so sehr auf DDR und Sozialismus zu beziehen ist, sondern auf die Frage, ob das Leben absurd ist, oder nicht.“ Aber das war auch bloß eine rhetorische Frage. Das Knorrige, Knollige, Grotesk-Verdrehte seiner Texte sieht nur so lange komisch aus, bis man begriffen hat, dass Endler weniger als Humorist oder Dadaist, denn als grimmiger Realist verstanden werden muss. Oder eben als die verwachsenste Gurke der neuen Poesie.
All die interessanten Beulen und verwegenen Krümmungen dieser Gurke lassen sich nun überblicken. Mit „Die Gedichte“ liegen erstmals alle von Endler publizierten lyrischen Werke in einem Band gesammelt vor, jedenfalls soweit sie auffindbar sind, wie die Herausgeber Robert Gilett und Astrid Köhler vorsichtig einschränken. Denn die Publikationslage ist durchaus unübersichtlich. Fünf der insgesamt zwölf Gedichtbände Endlers erschienen in der DDR, zwei in der Bundesrepublik und fünf nach der Wiedervereinigung. Darunter sind jedoch auch Sammelbände, in denen er Früheres sichtete, neu zusammenstellte und einzelne Gedichte in überarbeiteter Form präsentierte oder in einer Version, die in der DDR nicht an der Zensur vorbeigekommen wäre. Endlers Lyrik ist das Musterbeispiel eines Work in Progress, er selbst ein Autor, der auch seine gedruckten Texte verbesserbar fand.
Für die Herausgeber ergibt sich dadurch die Schwierigkeit, welcher Fassung sie folgen sollen und wie man all die Veränderungen sichtbar macht. Sie haben sich entschieden, die späten Sammelbände „Der Pudding der Apokalypse“ und „Krähenüberkrächzte Rolltreppe“ als Basis zu nehmen und alles, was Endler da weggelassen hat, in den anschließenden Kapiteln nachzureichen und frühere Versionen in den Anmerkungsapparat zu verbannen. Sie folgen damit dem Blick und den Einschätzungen des alten Dichters, vor dessen Augen vor allem das Frühwerk wenig Gnade fand. Damit verzichten sie bedauerlicherweise jedoch auf die chronologische Abbildung der Werke. Wer nun also die künstlerische Entwicklung Endlers, die auch eine ideologische Befreiung gewesen ist, nachvollziehen will, muss sehr viel herumblättern, sich durch die Anmerkungen arbeiten, um dort dann auch wieder auf durchaus selbständige Gedichte zu stoßen. Das schmälert ein wenig den Genuss und die Brauchbarkeit dieser imponierenden Herausgeberarbeit.
Der 1930 geborenen Adolf Endler übersiedelte 1955 in den Osten. In seiner Heimatstadt Düsseldorf drohte dem jungen Antifaschisten eine Anklage wegen „Staatgefährdung“, weil er für die Weltfestspiele der Jugend geworben hatte. So war das im Kalten Krieg. Im Osten aber, da war er sich sicher, wäre bald das Paradies in Sichtweite. Also studierte er am neu gegründeten Literaturinstitut in Leipzig und versuchte sich als kommunistischer Agitator und poetischer Prediger des Aufbaus. Auf dem Bitterfelder Weg marschierte er singend in die Wische bei Magdeburg, wo ein sumpfiges Gebiet erschlossen wurde und der Dichter zum Spaten griff: „Von Strahlennetzen umgittert / Sonnenpfeile Geschwader spritzen / Wir graben von Dürsten erschüttert / In wogenden weißen Hitzen.“ Lobgesänge auf die FDJ und die Industrialisierung der Landwirtschaft in den LPGs folgten, oberlehrerhafte Gedichte, in denen sich „jugendliche Tat“ auf „Arbeiter- und Bauernrat“ reimte.
Dass Endler derlei Agit-Prop später peinlich war und er die Produkte dieser hymnischen Phase lieber verbarg, ist verständlich. Dass sie nun aber auch in der Gesamtausgabe nach hinten rutschen, ist schade, eben weil sich die Verirrungen und Verwachsungen der Gurke so nur schwer nachvollziehen lassen. Man muss, um Endler zu würdigen, auch nicht so weit gehen wie die Herausgeber, die ihn zu „einem der bedeutendsten deutschsprachigen Lyriker des 20. Jahrhunderts“ erklären und behaupten, dass „dessen Haltbarkeit über Grenzen und Zeitenwenden hinweg“ erwiesen sei. Aber: Gehört er nicht eher zu denen, die fast schon vergessen oder vielmehr zu denen, die immer noch zu entdecken sind und zeitlebens am Rande der Öffentlichkeit standen?
Sein jugendlicher Enthusiasmus hielt nicht lange vor und war wohl nicht viel mehr als die begreifliche Reaktion eines Neuankömmlings, der ganz dazugehören will. Es folgten Phasen der mutigen Differenzierung und lebenslange Lust an der Destruktion. Eine Lyrikanthologie, die Endler 1966 zusammen mit Karl Mickel herausgab, hieß listig-optimistisch „In diesem besseren Land“. Das ist zwar grammatikalisch die Steigerung von gut, tatsächlich aber viel weniger. Doch selbst das „besser“, das erst in der Relation zum Westen seinen Sinn erhielt, war ironisch gebrochen und hatte nicht mehr lange Bestand. Seit den Siebzigerjahren war die DDR für Endler nur noch der Lieferant verrückter Stoffe, die er mit spitzen Worten aufspießte und ausstellte wie ein Schmetterlingsforscher seine Beute. Er veröffentlichte da nur noch in Untergrund-Zeitschriften, die in kleinsten Auflagen zirkulierten.
Im Mai 1989 beschrieb „A.E.“ seine Lage so: „Der Nacken im Joch der Privilegien / Wie der eine der Füße im Giftschrank.“ Von den Privilegien hatte Endler in der DDR allerdings weniger abbekommen als vom Giftschrank, seit er 1976 gegen die Biermann-Ausbürgerung protestiert und 1979 aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen worden war. Im eigenen „Ländchen“ hatte man ihn daraufhin kaum noch gedruckt, und falls doch mal ein Buch erschien, wurde es nicht besprochen. Niemals. Blieb also das Joch. Im Westen kannten ihn nur wenige, denn erstens war es ihm irgendwie peinlich, als Held der antikommunistischen Propaganda zu fungieren, zweitens zog er es vor, unauffällig zu bleiben und begnügte sich mit Auflagen von 300 Exemplaren, die in einer Berliner Handpresse hergestellt wurden, und drittens: Wer außer den Beteiligten selbst wollte damals die unzugänglichen Sprachspiele der Prenzlauer Berg-Connection lesen?
So hatte er sich 1990 damit abgefunden, als Lyriker außerhalb des Freundes- und Kollegenkreises unbemerkt zu bleiben und sich mit der Rolle des Mentors, ja „Vaters“ der sehr viel jüngeren Szene zu begnügen. Das stand ihm ja auch sehr gut, dem freundlichen, spöttischen Mann mit dem silbergrauen, struppigen Bart.
Die Szene wäre ohne ihn, den „Tarzan vom Prenzlauer Berg“, jedenfalls kaum vorstellbar gewesen. In seinen Gedichten haben all die Straßen, Hinterhöfe, Bars, Getränke und Trinker Platz, die das alte Berlin ausmachten. Und wenn Endler 1982 über den damaligen Jungpoeten und nach der Wende als Stasi-IM enttarnten Sascha Anderson kumpelhaft dichtete „Die Geistesfron, der Fron zum Hohn / Schlürft Schnaps selbst aus dem Mikrophon“, setzte er mit einer von heute aus gesehen geradezu unglaublich prophetischen Gabe fort: „Man sehe es kurz und bündig / Sascha wird überall fündig …“
Alles Moralisierende lag Endler – vom verwachsenen Gurkenfrühwerk mal abgesehen – fern. Noch zu DDR-Zeiten nannte er einen seiner Gedichtbände in ironischer Überbietung aller Staatssicherheitsbemühungen „Akte Endler“ und erstattete über sich selbst folgenden Bericht: „Wäscht sich oft nicht Zahnausfall Stinkt stark aus dem Rachen / Auch Schweißfuß Liest die Tageszeitungen auf dem Klo /Ausschließlich Hat niemals einen schwarzen Anzug besessen / Neigt zu Alleingängen einsamer Pilzsucher Säuft / Wäscht sich nur flüchtig wenn überhaupt (…) Zieht (wöchentlich bis zu sieben Mal) und volltrunken dann / Vor ganz hässlichen Worten über unseren Johannes R / Becher zurück und vor allem dessen Sonettkunst“.
Sicher ist, dass man als Leser lieber bei Endler einkehren und von ihm die Becher gereicht bekommen möchte. Denn seine Becher sind voller Überraschungen und noch nicht bis zur Neige getrunken.
Adolf Endler: Die Gedichte. Herausgegeben von Robert Gillet und Astrid Köhler unter Mitarbeit von Brigitte Schreier-Endler. Wallstein Verlag, Göttingen 2019, 894 Seiten, 39 Euro.
In seiner Heimatstadt
Düsseldorf drohte dem jungen
Antifaschisten eine Anklage
„Hat niemals einen
schwarzen Anzug besessen“,
schrieb er über sich
Adolf Endler, 1930 in Düsseldorf geboren, übersiedelte 1955 in die DDR, wo er 1979 aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen wurde. Er starb 2009. In seinem Werk ist noch viel zu entdecken.
Foto: imago
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Adolf Endler ist den Leserinnen und Lesern vor allem, so der Rezensent Michael Braun, als kauzig-sarkastischer Nachwendeschalk bekannt. Hier aber, in dieser Sammlung früher bis später Gedichte, sei er auch anders kennenzulernen, nämlich durchaus ernst bis "apokalyptisch". In Gedichten aus den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren, vor dem Bruch Endlers mit der DDR, in die er 1955 übergesiedelt war, finden sich "Reminiszenzen" an den russischen Lyriker Jessenin, der im Jahr 1925 durch Selbstmord endete. Im Spätwerk geht es lakonischer zu, Illusionen sind, so Braun, keine verblieben. Die Aussichten sind finster, die Zukunft ist "dunkel", die Verse sind "scharfkantig" - vom Klischeebild des Adolf Endler als Schalk vom Prenzlauer Berg ist da wenig zu spüren.

© Perlentaucher Medien GmbH