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2. September 2004, 20.25 Uhr: Feueralarm in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Der größte Bibliotheksbrand in der deutschen Nachkriegsgeschichte, ausgelöst durch eine defekte Kabelverbindung im dritten Obergeschoß, nimmt seinen Lauf. 35 Kunstwerke und 50.000 Bände vor allem des 17. und 18. Jahrhunderts werden vernichtet, weitere 62.000 Bücher zum Teil stark beschädigt. Das Bibliotheksgebäude, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, ist schwer in Mitleidenschaft gezogen. Nur wenige Wochen später hätte das Haus für die geplante Totalsanierung geräumt werden sollen: Das Unglück platzte mitten in…mehr

Produktbeschreibung
2. September 2004, 20.25 Uhr: Feueralarm in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Der größte Bibliotheksbrand in der deutschen Nachkriegsgeschichte, ausgelöst durch eine defekte Kabelverbindung im dritten Obergeschoß, nimmt seinen Lauf.
35 Kunstwerke und 50.000 Bände vor allem des 17. und 18. Jahrhunderts werden vernichtet, weitere 62.000 Bücher zum Teil stark beschädigt. Das Bibliotheksgebäude, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, ist schwer in Mitleidenschaft gezogen. Nur wenige Wochen später hätte das Haus für die geplante Totalsanierung geräumt werden sollen: Das Unglück platzte mitten in die Vorbereitungen für den Umzug in das neue Studienzentrum. Was folgte, war eine beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft: In den folgenden Wochen gingen mehr als 10 Millionen Euro allein an privaten Spenden ein.
Michael Knoche schildert die Ereignisse aus seiner Sicht als Bibliotheksdirektor chronologisch vom Tag des Brandes bis zur Eröffnung des neuen Studienzentrums am 4. Februar2005. Exkurse geben Hintergrundinformationen zur Geschichte der Bibliothek und zur Arbeitsweise der Weimarer Forschungsbibliothek.
Autorenporträt
Dr. Michael Knoche ist Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek der Stiftung Weimarer Klassik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2006

Warum mussten die Bücher brennen?
Michael Knoche, Direktor der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek, hat eine Reportage über die Brandtage von Weimar geschrieben
Flammen, die sich in Bibliotheken ausbreiten, entfalten nicht ausschließlich zerstörerische Energien. Gewiss machen sie aus den dort aufbewahrten kulturellen Werten Tabula rasa; gegenüber der Institution hingegen wirken sie wie ein unauslöschliches Fanal. Wahrscheinlich wäre die Bibliothek von Alexandria längst vergessen, wenn ihr Ende nicht mit einem verheerenden Brand kolportiert worden wäre. Auch die Feuersbrunst in der Herzogin-Anna-AmaliaBibliothek von Weimar hat sich dem deutschen Bildungsgedächtnis mächtig eingraviert; so, als ob es darum gegangen wäre, den flammengeschürten Vergessenssog durch Erinnerungsarbeit wettzumachen. Immerhin sind mit dieser unfreiwilligen Public-Relations-Explosion auch Staubschichten der Verdrängung und Ignoranz versengt worden.
Ein defektes Kabel hatte am Abend des 2. September 2004 ein Feuer ausgelöst, das sich zum größten Bibliotheksbrand in der deutschen Nachkriegsgeschichte entfachen sollte. Die gesamte dritte Etage mit der zweiten Galerie des fragilen Rokokosaals sowie der darüber liegende Spitzboden waren am Morgen nicht mehr da. Statt des Deckengemäldes „Genius des Ruhmes” leuchtete nun der blaue Himmel eines strahlenden Spätsommertages in das Haus hinein.
In den Stunden zuvor hatte eine dramatische Aktion zur Rettung alter Bücher stattgefunden. 35 Kunstwerke und 50 000 Bände verwandelten sich zu Staub und Asche; mehr als 60 000 Bücher wurden durch Löschwasser beschädigt, die unverzüglich auf Lastern – insgesamt 40 Tonnen schwer – zum Institut für Bestandserhaltung nach Leipzig rollten. Trotz großzügiger Schenkungen von Partnereinrichtungen wie der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel sowie einer engagierten Erwerbspolitik auf dem Antiquariatsmarkt war der Verlust historischer Bücher nur begrenzt zu kompensieren. Die vernichtete Sammlung des Rhetorikprofessors Konrad Samuel Schurzfleisch aus dem 17. Jahrhundert etwa stellte als Corpus ein Unikat dar. Überhaupt sind Bücher der frühen Neuzeit allein wegen ihrer individuellen Bindung als Bestandteile bestimmter Sammelwerke kaum zu ersetzen. Der Genius loci in Weimar potenziert die Originalität noch: Goethe oder Schiller können das Exemplar in Händen gehabt haben.
Michael Knoche, der Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, erzählt diese aufwühlenden Ereignisse im Stile einer fesselnden Chronik. Kaum ein geschwätziges Wort trübt seine bisweilen von einer geradezu provozierenden Sachlichkeit geprägte Sprache. Nur einmal nimmt die Berichterstattung heroische Züge an, als der Autor sich als selbstvergessener Retter einer Luther-Bibel in Lebensgefahr begibt. Komisch wird das Buch immer dann, wenn die unscheinbare Menschennatur eines Bibliothekars auf die Ansprüche der modernen Medienwelt zwischen Frühstücksfernsehen, spätabendlicher Talkshow und kommerziellen Großspendern zu reagieren hat.
Knoches Abhandlung ist vor allem eine Dankschrift an jene, die geholfen haben. Die Welle gesellschaftsübergreifender Solidarität war bemerkenswert und erinnerte frappant an die Reaktion auf das Elbhochwasser im Jahre 2002. Am Ende konnte bei den Privatspenden die Grenze von 10 Millionen Euro überstiegen werden. Knoche begnügt sich nicht mit der Schilderung eines Katastrophenszenarios und Medienhypes. Exkurse aus Literatur-, Architektur- und Bibliotheksgeschichte unterbrechen immer wieder seinen Augenzeugenbericht. Komprimiert erfährt der Leser Wissenswertes zum Rokokosaal, zur Baugeschichte des Grünen Schlösschens, zu Geschichte und Bestand der Bibliothek, einschließlich der Frage, wie die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek zu ihrem Namen kam.
Neben Dank steckt in dem Buch auch eine Prise Rechtfertigung. Dass die Bewahrung von Kulturgut in Weimar eher einem Vabanquespiel geglichen hat, war kein Geheimnis. Schon Goethe, der seit 1797 bis zu seinem Tod auch für die Bibliothek verantwortlich zeichnete, soll vergeblich um besseren Brandschutz gekämpft haben. Sein derzeitiger Nachfolger ist objektiv genug, Selbstkritik zu üben und nennt Mängel wie zu hohe Luftfeuchtigkeit, die Nichtklimatisierbarkeit des Zentralraums, fehlende Diebstahlsicherung für die Bücher, desolate Elektroinstallationen, mangelhaften Brandschutz und so weiter beim Namen. Das Unglück war also vorhersehbar. Beinahe wäre das offiziell abgesegnete fahrlässige Verhalten ungestraft geblieben. Der rettende Ausweg war zum Greifen nahe, fünf Wochen vor der geplanten Translozierung der Buchbestände in einen neues, hochmodernes Tiefmagazin. Jetzt bleibt die Frage im Raum stehen, warum sich Knoche mit seinen Sanierungswünschen nicht hat frühzeitig durchsetzen können.
Würde man sie vertiefen, stünde man mitten im Sumpf der Prioritätensetzung und Strukturen der von externen Gutachtern seit längerem kritisch beäugten Stiftung Weimarer Klassik. Im toten Winkel sich überschneidender Institutionen und Kompetenzen scheinen hier sinnvolle Initiativen schneller als anderswo zu versanden. Insofern hätte man das Bibliotheksgebäude vielleicht so ramponiert lassen können, wie es am 3. September aus den Rauchschwaden zum Vorschein kam – als ein Mahnmal gegen eine hastige Eventkultur beziehungsweise für eine nachhaltige Konservierungsstrategie. Interne Kommunikationsstörungen des Klassiktankers sind nicht Thema von Knoches Buch. Das Krisenmanagement mit seiner Dramaturgie nüchterner Plötzlichkeit ist geradezu prädestiniert, ihn transparent und flexibel erscheinen zu lassen.
STEFAN LAUBE
MICHAEL KNOCHE: Die Bibliothek brennt. Ein Bericht aus Weimar. Wallstein, Göttingen 2006. 144 S., 16 Euro.
Hier soll schon Goethe für besseren Brandschutz gekämpft haben.
Foto: AP
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.09.2006

Weimarer Weltbrand
Feuer und Solidarität: Michael Knoches Bericht

Heute vor zwei Jahren brannte in Weimar die Anna Amalia Bibliothek. Niemand, der dabei war, wird die Nacht je vergessen, und selbst wer nur die ersten Bilder spätabends in den Nachrichten sah, spürt noch heute die Gänsehaut. Flammen schlugen aus dem Dach des historischen "Grünen Schlosses", der zerbrechliche Rokokosaal, das Herz des Büchertempelchens, wurde stark beschädigt, und fast fünfzigtausend Bände gingen im Feuer verloren. Es war nicht nur der schwerste Bibliotheksbrand der deutschen Nachkriegszeit, es war, wie der Dichter Durs Grünbein später bemerkte, "ein Weltenbrand, wenn auch im Kleinen nur".

Das Unglück, das vollends tragische Züge erhielt, weil es sich kaum fünf Wochen vor dem geplanten Umzug der Bibliothek in nagelneue Depots ereignete, löste aber auch eine beispiellose Hilfsbereitschaft aus. Was Politiker und Kommentatoren gleich nach der Katastrophe nur zu hoffen gewagt hatten, trat tatsächlich ein: Die Nation eilte herbei, sammelte, spendete und vergaß im Eifer der Solidarität für eine Weile alle Verspannungen zwischen Ost und West. "Es konnte einen", hat der Schriftsteller Martin Mosebach geschrieben, "in dieser Bibliothek unversehens eine heftige Liebe zu Deutschland überkommen." Nun überkam ganz Deutschland eine praktische Liebe zu Weimar.

Von beidem, vom Schrecken der Brandnacht und der Solidarität der Monate danach, erzählt Michael Knoche, der Direktor der Anna Amalia, in seinem Buch "Die Bibliothek brennt". Es ist eine detaillierte Chronologie der Ereignisse, mit gelegentlichen Einschüben zur Baugeschichte des Hauses, zu den Schätzen der Bibliothek und einer Bilanz der Schäden. Emotionen verbietet sich Knoche dabei so streng wie jedes Pathos. Sein Text ist von einer geradezu eisernen Sachlichkeit. Was ihm durch den Kopf gegangen ist angesichts der schmierigen Klumpen, die einmal Bücher gewesen waren, oder angesichts der Gerüchte, er selbst habe den Brand gelegt, das erfährt der Leser allenfalls in Andeutungen. Es geht nicht um ihn, den Bibliotheksdirektor, es geht um die Bibliothek und mehr noch um das Bewußtsein für den Wert des bedrohten Kulturerbes. Selten flicht Knoche einen persönlichen Satz ein, im ersten Kapitel etwa, wenn er bekennt, beim Anblick der Flammen den Impuls verspürt zu haben, "umzukehren und in die Dämmerung des Parks einzutauchen, um nicht wahrhaben zu müssen, was ich sah". Tatsächlich hat Knoche sich für das Gegenteil entschieden und minutiös aufgezeichnet, was er gesehen, getan und erlebt hat in der Zeit zwischen der Brandnacht und dem 5. Februar 2005, dem lang ersehnten Tag der Eröffnung des neuen Studienzentrums der Anna Amalia Bibliothek.

"Ein Bericht aus Weimar" heißt sein Buch schlicht im Untertitel, aber es ist viel mehr als das. Es ist auch eine Einführung in das Innenleben einer Bibliothek, ein Schnellkurs in Brandkunde und Nachbarwissenschaften, und, nicht zum wenigsten, eine Danksagung an die vielen, die mitgeholfen haben, zu retten, was eben zu retten war. Knoche preist die Freiwilligen, die sich in der Brandnacht an der Bibliothek einfanden und anpackten, wo Hilfe benötigt wurde; die Spedition, die auf eigene Faust Hunderte Umzugskisten lieferte und damit die Evakuierung der Bücher aus dem brennenden Haus wesentlich erleichterte; den Radiosender, der mitten in der Nacht, als sich die Menschenkette zwischen Bibliothek und Depot lichtete und vielen Helfern die Kräfte ausgingen, neue Freiwillige herbeitrommelte; auch die vielen einzelnen vergißt Knoche nicht, den stellvertretenden Einsatzleiter der Feuerwehr etwa, der den Bibliotheksdirektor ohne Zögern in den einsturzgefährdeten, längst gesperrten Büchersaal begleitete, um eines der wertvollsten Stücke, eine Luther-Bibel, herauszuholen. Oder die Gattin des Bundespräsidenten, Eva Luise Köhler, die gemeinsam mit ihrem Ehemann den sonst stets freigehaltenen Abend ihres Hochzeitstages "opferte" für ein Benefizkonzert zugunsten der Anna Amalia am Berliner Gendarmenmarkt.

Es sind solche fast beiläufig, jedenfalls ganz unspektakulär notierten Begebenheiten, die dem Bericht trotz aller Nüchternheit etwas Fesselndes und Bewegendes geben. Und mitunter riskiert Knoche gar ein wenig Ironie, zumal, wenn er aus jener fremden Welt der Medien und des Marketing erzählt, in die er sich nur zögerlich begeben hat, um Geld für seine Bibliothek aufzutreiben. Über einen Auftritt im ZDF-"Morgenmagazin" etwa heißt es wunderbar lakonisch, "in der Sendung kam das Thema ,Bibliotheksbrand' unmittelbar nach der Berichterstattung über einen Riesenbaumkuchen aus dem Odenwald an die Reihe. Das Medium Fernsehen verleiht jedem Ereignis die gleiche Außergewöhnlichkeit." Und von einem Mittagessen mit Vertretern der Firma Vodafone hat Knoche die aufmunternden Worte seines Tischnachbarn in Erinnerung behalten: "Wir haben die Netze, ihr habt die Contents. Das paßt." Man kann nur ahnen, mit welcher Miene Knoche diese Mitteilung zur Kenntnis genommen hat. Immerhin ging sie mit einer Spende von fünf Millionen Euro einher.

Michael Knoche: "Die Bibliothek brennt". Ein Bericht aus Weimar. Wallstein Verlag, Göttingen 2006. 144 S., geb., 16,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Beeindruckt zeigt sich der Rezensent Heinrich Wefing von diesem Bericht Michael Knoches, des Leiters der Anna Amalia Bibliothek in Weimar, über deren Brand vor zwei Jahren. Wefing vergegenwärtigt sich und dem Leser noch einmal das ganze Ausmaß der Katastrophe - und staunt umso mehr über die Zurückhaltung, die sich Knoche selbst auferlegt. Weder "Emotionen" noch "Pathos" bestimmen die Erinnerung an den Abend des Brandes - mit der spontanen Hilfe, die in ungeheurem Ausmaß sofort eintraf - sowie die Folgemonate. Nüchtern skizziert Knoche, wird kaum je persönlich. Umso lehrreicher ist das Buch, stellt Wefing fest, man lernt nicht nur etwas über Bibliotheken, sondern auch über "Brandkunde und Nachbarwissenschaften". Ein beträchtliches Vergnügen hat dem Rezensenten aber auch der befremdete Bericht des Autors über das Innenleben von Massenmedien und Wirtschaftslenkern bereitet, mit dem er sich im Zuge seiner Werbung um Spendengelder konfrontiert sah.

© Perlentaucher Medien GmbH