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Demokratie, Pluralismus, Integration - Thesen der Politikwissenschaft prägen die Kultur der Bundesrepublik Deutschland. Dahinter stehen Namen wie Karl Dietrich Bracher, Ernst Fraenkel oder Helga Haftendorn. Dieser Band bietet eine vergleichende Würdigung von Werk und akademischer wie öffentlicher Wirkung von 50 wichtigen deutschen Politologen. Er versteht sich als Nachschlagewerk, Studienbuch und Essayband mit fundierten und kritischen Beiträgen von 50 ausgewiesenen Politologen über ihre Fachkollegen.In den alphabetisch geordneten Beiträgen werden diese Fragen behandelt: Mit welchen Ideen und…mehr

Produktbeschreibung
Demokratie, Pluralismus, Integration - Thesen der Politikwissenschaft prägen die Kultur der Bundesrepublik Deutschland. Dahinter stehen Namen wie Karl Dietrich Bracher, Ernst Fraenkel oder Helga Haftendorn. Dieser Band bietet eine vergleichende Würdigung von Werk und akademischer wie öffentlicher Wirkung von 50 wichtigen deutschen Politologen. Er versteht sich als Nachschlagewerk, Studienbuch und Essayband mit fundierten und kritischen Beiträgen von 50 ausgewiesenen Politologen über ihre Fachkollegen.In den alphabetisch geordneten Beiträgen werden diese Fragen behandelt: Mit welchen Ideen und Erkenntnissen sind deutsche Politikwissenschaftler bekannt geworden? Welche Stationen prägten ihre Karriere? Konnten die Wissenschaftler eine eigene akademische "Schule" begründen? Haben ihre Hauptwerke eine kontinuierliche Rezeption erfahren?Die beiden Herausgeber, Prof. Dr. Eckhard Jesse und Dr. Sebastian Liebold, sind Politologen an der Technischen Universität Chemnitz.
Autorenporträt
Eckhard Jesse: Jahrgang 1948, Dr. phil. habil., seit 1993 Professor für Politikwissenschaft an der Technischen Universität Chemnitz (Lehrstuhl für "Politische Systeme, politische Institutionen"); seit 1989 Herausgeber des Jahrbuchs Extremismus und Demokratie (mit Uwe Backes); zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. zur Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, zu Totalitarismus im 20. Jahrhundert und Extremismus in der Bundesrepublik
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Den von Eckard Jesse und Sebastian Liebold herausgegebenen voluminösen Band liest Rolf Lamprecht mit Gewinn. Die Entstehung des Studienfachs Politikwissenschaft sieht er darin widergespiegelt, die 50 Porträts bedeutender Repräsentanten des Fachs scheinen ihm eine gelungene Auswahl (nach Fachkompetenz, Sichtbarkeit) darzustellen. Interessant erscheint Lamprecht, wie sich in der Würdigung der Älteren durch die Jüngeren die Wechselbeziehung zwischen den Gelehrtengenerationen offenbart. Dass die teils lexikalischen, teils essayistischen Texte dem Spannungsverhältnis zwischen Information und Wertung meist gerecht werden, findet der Rezensent bemerkenswert. Immerhin scheut der Band auch die Benennung von Versäumnissen nicht (Stichwort: deutsche Wende), meint er, oder brisante Themen, wie RAF oder Nato-Doppelbeschluss.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.12.2014

Im Namen der
jungen Demokratie
Ein kühnes Unterfangen: Wie nach dem Zweiten
Weltkrieg die Politologie in der BRD eingeführt wurde
VON ROLF LAMPRECHT
Die Deutsche Hochschule für Politik in Berlin öffnete 1949 ihre Pforten – auf drei Büroetagen in einer Seitenstraße des Kurfürstendamms. Politologie war noch kein anerkanntes Studienfach. Die Studenten, Pioniere und Versuchskaninchen der neuen Disziplin, akzeptierten den ungedeckten Wechsel auf die Zukunft. Wie das Experiment enden würde, war unklar. Doch das Vorbild machte Schule: Auf Berlin folgten Marburg (1950), Hamburg (1951) und Tübingen (1952), bald gab es an allen Universitäten Lehrstühle, inzwischen sind es rund 280. Die Hochschulen der Sowjetischen Besatzungszone gingen eigene Wege. Als erste gründete 1946 die Uni Jena ein Institut für „Dialektischen Materialismus“.
  Ein Mammutwerk spiegelt das Heranwachsen dieses Studienfachs wider, das von hochrenommierten Wissenschaftlern geprägt wurde. Die Entwicklung gab Stoff her für fünfzig respektable Porträts: „Deutsche Politikwissenschaftler – Werk und Wirkung“. Es versteht sich, dass die Zahl derer, die das Fach fördern und gefördert haben, um ein Vielfaches größer ist.
  Die Herausgeber, Eckard Jesse und Sebastian Liebold (Institut für Politische Systeme, TU Chemnitz), mussten für ihre Ahnengalerie eine Auswahl treffen. Die Kriterien: fachliche Kompetenz, erfolgreiches Wissenschaftsmanagement, öffentliche Sichtbarkeit. Ein Katalog, bei dem die Gründerväter des neuen Fachs Pate gestanden haben, allen voran Ernst Fraenkel, ein jüdischer Emigrant, der aus den USA zurückgekehrt war, damals schon mit einer beeindruckenden Vita.
  1898 geboren, hatte Fraenkel seit 1927 in Berlin seine ersten Meriten gesammelt: als Syndikus des Metallarbeiterverbands und als Rechtsvertreter des SPD-Parteivorstandes. Fraenkel floh 1938 vor der Gestapo über England in die USA. Anders als die meisten emigrierten Juristen wechselte er nicht den Beruf, sondern absolvierte noch einmal ein juristisches Studium; 1941 erwarb er seinen zweiten Doktortitel. Er arbeitete an Plänen zum demokratischen Wiederaufbau Deutschlands. Und nach Kriegsende überzeugte er seine amerikanischen Gewährsleute, dass unter einem Besatzungsregime unbedingt „die Prinzipien des Rechtsstaates“ eingehalten werden müssten. 1951 übernahm er die Professur in Berlin. „Die Rückkehr Fraenkels“, heißt es in seinem Porträt, „war ein Glücksfall“ für das Fach. Er sei „prädestiniert“ gewesen, „der neuen Politikwissenschaft, die sich dezidiert als demokratischen Neubeginn begriff, Profil und Legitimation zu geben“.
  „Er hatte das Format dazu“, schreibt der Politologe Gerhard Göhler – auch nicht mehr jung (Jahrgang 1941), aber eine Generation jünger als der verehrte Fraenkel. Göhler, heute selbst emeritiert, repräsentiert die Wechselbeziehung zwischen den Autoren der Porträts und den Porträtierten. Namhafte Vertreter des Fachs würdigen fünfzig Vorbilder; die sollten nach dem Willen der Herausgeber schon auf ein Lebenswerk zurückblicken und älter als
70 Jahre sein. Die Texte – lexikalisch und essayistisch – versuchen dem „Spannungsverhältnis von Information und Wertung“ gerecht zu werden.
  Ein leichtes Unterfangen ist das nicht. Denn die Biografien und Intentionen der Porträtierten waren verschlungen und facettenreich. Unter den Altvorderen stand jeder mehr oder weniger für eine Botschaft. Wolfgang Abendroth (1906 bis 1985), von der Gestapo gefoltert, wegen Hochverrats verurteilt, ins berüchtigte Strafbataillon 999 abgeschoben, kam nach dem Krieg auf Umwegen nach Marburg, wo er 1950 einen der ersten Lehrstühle für Politikwissenschaft übernahm. Der „Partisanenprofessor im Lande der Mitläufer“, wie ihn Jürgen Habermas nannte, wurde als Vertreter eines kritischen Neo-Marxismus bewundert und angefeindet.
  Siegfried Landshut (1897 bis 1968) übernahm 1951 einen Lehrstuhl in Hamburg und kam damit an den Ort zurück, an dem ihm eine herbe Enttäuschung zugefügt worden war: 1928 hatte er sich für das „Fach Politik“ habilitieren wollen, doch er scheiterte am Veto des damals einzigen Nazis in der Fakultät. Nach einem zweiten vergeblichen Versuch verlor er als Jude 1933 seine Assistentenstelle. Auch er musste emigrieren – nach England. Wieder in Hamburg, widmete er sich der politischen Ideengeschichte. „Sein ganzes Wissenschaftsleben kennzeichnet“, so heißt es über ihn, „das programmatische Bemühen, die alte klassische, auf Aristoteles’ praktische Philosophie zurückgehende Politik wieder zu beleben.“
  Arnold Bergstraesser (1896 bis 1964) hatte sich 1928 bei Alfred Weber in Heidelberg habilitiert und eine Stiftungsprofessur für „Staatswissenschaft und Auslandskunde“ übernommen. Unter Hitler endete seine Karriere, weil er – seine Mutter war „Halbjüdin“ – als „Nichtarier“ galt. Er emigrierte nach Amerika und begründete, nach Deutschland zurückgekehrt, die „Freiburger Schule“. Die Herausgeber schreiben: „Er gilt als einer der wichtigsten Promotoren der politischen Bildung in Wissenschaft und Schule.“ So gehen die Gründung der Politischen Akademie in Tutzing und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik auf ihn zurück.
  Die Ahnherren, zu denen die genannten vier gehören, hinterließen eine Schar namhafter Schüler – die zweite Generation. Heute wirkt eine vierte. Kein Wunder bei dem Metier, dass viele – Professoren wie Studenten – an gewichtigen politischen Ereignissen nicht nur passiv, sondern auch aktiv Anteil nahmen. Bei brisanten Themen – wie etwa dem RAF-Terror, den Berufsverboten, dem Nato-Doppelbeschluss – ging es auch an den Unis hoch her. Aufmüpfige Studenten zielten mehr auf „scheißliberale“ Professoren denn gegen die konservativen.
  An der Person Richard Löwenthals (1908 bis 1991) wurde der Konflikt deutlich. Der Berliner Politologe, dessen Dissertation (1931) von der „Marxschen Theorie des Krisenzyklus“ handelte, erwarb als Publizist hohes Ansehen und „empfahl“ sich, so das Porträt, „als distanziert-kritischer (...)Kommunismusexperte“. Ihn empörte, wie die 68er Hörsäle blockierten. Deshalb schloss sich der Sozialdemokrat, für viele unverständlich, dem konservativen „Bund Freiheit der Wissenschaft“ an. Im Vorgespräch zu einem Interview erzählte er mir einmal, wie es dazu gekommen war: Er habe 1933 miterlebt, wie braune Studenten ihre Professoren niederbrüllten und am Reden hinderten. Die „Sit ins“ waren für ihn ein schockierendes Déjà-vu.
  In den 70er-Jahren kehrte die Normalität zurück. Aktuelle Politik gab den Anstoß und lieferte Stichworte: Westbindung und Ostpolitik, Wohlfahrtsstaat und Verteilungsgerechtigkeit, deutsche Einheit und internationale Abrüstung. Für diese und andere Bereiche wuchsen Spezialisten heran – aber keine Hellseher. Die Herausgeber registrieren mit einer Spur von Wehmut, dass „die Politikwissenschaft den Umsturz der Jahre 1989/1990 nicht voraussah“ – der renommierte Heidelberger Professor Klaus von Beyme sprach von einem „schwarzen Freitag“ für das Fach.
  Auch mit Bezug auf andere Dinge übte Beyme souveräne Selbstkritik: „Die Politikwissenschaft wird in aller Bescheidenheit damit leben müssen, dass Nichtpolitologen wie Habermas und Luhmann die herausragenden Ausnahmen von international rezipierter ‚grand theory‘ aus Deutschland geblieben sind.“
Eckard Jesse, Sebastian Liebold (Hrsg.): Deutsche Politikwissenschaftler – Werk und Wirkung. Nomos-Verlag, 2014. 850 Seiten, 98 Euro.
Rolf Lamprecht , Mitbegründer und Ehrenvorsitzender der „Justizpressekonferenz Karlsruhe“, schreibt über Rechtspolitik. Er war 1949 in Berlin einer der ersten deutschen Politikstudenten (Matrikelnummer 452).
Heimgekehrte Emigranten
und NS-Verfolgte prägten
das neue Fach Politologie
Von Anfang an erklärten die
Politologen die Verhältnisse nicht
nur, sie mischten sich ein
Bis 1949 gab es die Politologie als Studienfach in Deutschland nicht. Das Fach
wurde völlig neu gegründet. Merke: Ein guter Politikwissenschaftler findet überall seinen Stoff, auch in einer Buchstabensuppe.
Zeichnung: Gerhard Glück
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