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Bilder waren nie zuvor so präsent wie heute. Neben die künstlerischen Bilder sind gleichrangig technische, naturwissenschaftliche und mediale Bilder getreten. Die Allgegenwart der Bilder im Fernsehen, die zunehmenden Visualisierungen in den Naturwissenschaften und die bildgebenden Verfahren in der Medizin haben Bildern eine nie gekannte Präsenz und Bedeutung gegeben, der sich niemand entziehen kann. Iconic Turn antwortet auf die Forderung nach einem interdisziplinären Blick auf die neue vielfältige Bilderwelt. Noch gibt es sie nicht, die fächerübergreifende Bildwissenschaft, die die…mehr

Produktbeschreibung
Bilder waren nie zuvor so präsent wie heute. Neben die künstlerischen Bilder sind gleichrangig technische, naturwissenschaftliche und mediale Bilder getreten. Die Allgegenwart der Bilder im Fernsehen, die zunehmenden Visualisierungen in den Naturwissenschaften und die bildgebenden Verfahren in der Medizin haben Bildern eine nie gekannte Präsenz und Bedeutung gegeben, der sich niemand entziehen kann. Iconic Turn antwortet auf die Forderung nach einem interdisziplinären Blick auf die neue vielfältige Bilderwelt. Noch gibt es sie nicht, die fächerübergreifende Bildwissenschaft, die die spezifischen Blickwinkel von Geistes- und Naturwissenschaften zusammenführt. Doch ist innerhalb der Geisteswissenschaften, insbesondere unter Kunst- und Medienhistorikern, eine rege Debatte darüber entstanden, wie sie aussehen könnte und welche Themen sie vorrangig behandeln sollte. Iconic Turn ist der erste Versuch, das komplexe Thema Bild in seiner Vielfalt zu erfassen. Prominente Vertreter aus Geistes- und Naturwissenschaften, aber auch bekannte Bilder-Macher kommen zu Wort. Das thematisch breit gefächerte Spektrum berührt philosophische, kunst- und kulturwissenschaftliche Fragen ebenso wie Fragen der Naturwissenschaften nach dem Erkenntnisgewinn von Computervisualisierungen. Iconic Turn. Die neue Macht des Bildes versammelt eigens für dieses Buch verfasste Originaltexte.

Autoren: Jan Assmann, Hans Belting, Gottfried Boehm, Reinhard Brandt, Stephan Braunfels, Horst Bredekamp, Bazon Brock, Norman Foster, Wolfgang Heckl, Stefan Heidenreich, Martin Kemp, Friedrich Kittler, Heinz-Otto Peitgen, Rolf Pfeifer, Willibald Sauerländer, Wolf Singer, Peter Sloterdijk, Barbara Stafford, Bill Viola, Peter Weibel, Wim Wenders, Anton Zeilinger und Semir Zeki.

Die Herausgeber: Christa Maar ist Präsidentin der Burda-Akademie zum Dritten Jahrtausend und Vorstand der Hubert Burda Stiftung. Die promovierte Kunsthistorikerin arbeitete zunächst als Drehbuchautorin und Regisseurin von Fernsehfilmen. Von 1988 bis 1992 war sie Chefredakteurin der Kunstzeitschrift PAN. Zuletzt erschienen die von ihr herausgegebenen Bücher Die Technik auf dem Weg zur Seele (1996), Virtual Cities (1997), Internet & Politik (1998), Gesundheit aus dem Darm (2003) und bei DuMont Weltwissen Wissenswelt (2000).

Hubert Burda ist Verleger und Vorstandsvorsitzender der Hubert Burda Media. Der promovierte Kunsthistoriker initiierte zusammen mit Christa Maar die Vorlesungsreihe ICONIC TURN an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Als Leiter eines modernen Medienunternehmens und als Vorsitzender des Hochschulrates der LMU setzt sich Hubert Burda für die verstärkte Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft ein.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.06.2004

Bilder an die Macht
Wissenschaftler aller Disziplinen feiern den „Iconic Turn”
Wir leben im Zeitalter der Bilder und des Sichtbaren. Nichts soll unseren Augen verborgen bleiben, alles wollen wir sehen oder, da unsere Augen zu schwach sind, mit optischen Instrumenten sichtbarmachen: Entferntes und Mikroskopisches, den Mars genauso wie die Viren, die uns bedrohen. Das Potenzial der Bilder erschütterte soeben die ganze Welt. Was niemand für möglich hielt, zeigen die Bilder aus Abu Ghraib, Spiegel, die der Macht die Masken wegreißt und ihre Arroganz als montröse Fratze sichtbar werden lässt.
Es ist die Zeit des „Pictorial” oder „Iconic Turn”, die der amerikanische Literaturwissenschaftler William Mitchell und der deutsche Kunsthistoriker Gottfried Boehm vor zehn Jahren prophezeiten, die Zeit der global zirkulierenden Bilder, die unser Selbstverständnis nicht mehr länger nur illustrieren, sondern bedrohen, die uns Angst einjagen, uns verwirren und deren Schönheit uns immer auch wieder betören. Allerorten sind jetzt Bilder Gegenstand wissenschaftlicher Reflexion, nicht nur in den Geisteswissenschaften. Die Biowissenschaften bedienen sich ihrer, etwa, um den Bereich der Nanometerskala zu bebildern oder um den menschlichen Wahrnehmungsapparat, die „Bilder im Kopf”, anatomisch zu lokalisieren und biochemisch zu verstehen. Dem Iconic Turn in allen Bereichen der Wissenschaft ist nun der gleichnamige Band von Christa Maar und Hubert Burda gewidmet, Ergebnis der 2003 in München veranstalteten Vortragsreihe.
Bilder haben eine eigene Logik; sie erzeugen „Sinn aus genuin bildnerischen Mitteln”, lautet die These von Gottfried Boehm, die insofern zentral für die Bilderdebatte ist, als sie diese von der Sprache kategorisch trennt. Erst jetzt, wo die Bilder ihre politische Macht offenbaren, merken wir, dass wir einen naiven Umgang mit ihnen pflegen. Niemand hat uns gelehrt, wie die Bilder gemacht sind, wozu sie gemacht sind und was sie mit uns machen, wenn wir sie betrachten. Boehm sieht dies als die intellektuelle Herausforderung der Gegenwart an. Bilder sind ein blinder Fleck im Gebrauch unseres rationalen Systems, das immer im Dienst der Sprache stand – obgleich wir dazu befähigt sind, ein Bild zu sehen, mithin das wahrzunehmen, was Boehm mit „ikonischer Differenz” bezeichnet. Was das Ikonische sei und wie es funktioniert, war schon immer Gegenstand künstlerischen Schaffens und ist das Projekt der Bildwissenschaften, die sich allerorten formieren.
Auch der Neurobiologe Wolf Singer beginnt seinen Beitrag mit der ikonischen Differenz: Bilder der eigenen Wahrnehmung seien überzeugender als jedes sprachlich vorgetragene Argument. Der Visus ist aus neuronaler Sicht der bestausgestatteste Sinn und dominiert die anderen Sinne. Unsere Wahrnehmungen sind aber nicht als Abbilder einer „Wirklichkeit” zu verstehen, sondern stützen sich auch auf ein im Verlauf der Evolution genetisch gespeichertes Vorwissen. Bei der Wahrnehmung und Vorstellung von Objekten werden die gleichen Hirnareale aktiviert, so dass im Fall einer Halluzination „wirkliche” und selbst erzeugte Bilder nicht voneinander unterschieden werden können.
Seit die Hirnforschung erkannt hat, dass das Gehirn kein Konvergenzzentrum aufweist, in dem alle Sinneseindrücke gebündelt verarbeitet werden, stellt sich die Frage, wie wir mit der netzartig strukturierten Organisation unserer Gehirne kohärente Bilder von der Welt entwerfen. Dabei spielt die Ensemblebildung von Neuronen eine ebenso große Rolle wie die Zeitstruktur neuronaler Entladungen. Noch ist es nicht bekannt, wie unser Gehirn Konsistenzbeweise generiert. Das größte Rätsel allerdings, wie es kommt, dass jeder Mensch sich trotz gleichablaufender biochemischer Hirnprozesse ein anderes Bild von der Welt macht, wird hiermit freilich nicht berührt.
Neues Leben aus dem Computer
Vor diesem Hintergrund spitzt sich die These des Neurobiologen Semir Zeki, dass Kunst den Gesetzen des Gehirns unterliegt und Ausdruck der neuronalen Fähigkeit des Gehirns sei, auf einen eklatanten Reduktionismus zu. Wenn Zeki angesichts Michelangelos non-finito-Skulpturen zu der Erkenntnis kommt, dass ein „unvollendetes oder mit Mehrdeutigkeit behaftetes Kunstwerk das Gehirn intensiver beschäftigt als ein vollendetes”, so ist dies nicht unbedingt neu zu nennen, sondern begründet überhaupt die Tätigkeit der Kunstwissenschaften. Wenn es aber wenig später vom gleichen Autor heißt, dass „das Geheimnis der Abfolge der Tristan-Akkorde, über die soviel geschrieben worden ist, sich wahrscheinlich nur ergründen lässt, wenn wir die musikalische Wahrnehmung der dahinter stehenden neuronalen Mechanismen verstehen”, dann heißt das wohl, dass mit zunehmendem Wissen über das Gehirn eine steigende Anzahl gelungener Kunstwerke produziert werden. Dies ist aber nicht zu erwarten.
Bei der Sichtbarmachung unsichtbarer Welten mit Hilfe des Rastertunnelmikroskops erforschen Biowissenschaftler die Emergenz lebender Systeme aus toter Materie. Mit zunehmender Erkenntnis sehen sich die Wissenschaftler befähigt, die Grenzen von Künstlichem und Natürlichem zu verwischen, wie der Experimentalphysiker Wolfgang Heckl ausführt. Wie sehr nun die Bildgebungsverfahren der Nanoskopie auf eine Konvention beruht, deren Ergebnis mitnichten ein „Abbild” der Natur darstellt, legt Heckl offen. Die Bildgebung ist hochgradig von der verwendeten Technik abhängig und auch die Bilder derselben Versuchsanordnung weisen Differenzen auf, die nicht immer erklärbar sind. Die Frage nach dem „tatsächlichen Aussehen” der Teilchen ist von der Interpretation des einzelnen Wissenschaftlers abhängig, der sich auch für das „schönste” Bild entscheiden kann. Es sind gerade die Bilder der modernsten Technologien, die je nach Vorwissen, Geschmack und wissenschaftlicher Tradition, also kulturell kodiert werden.
Die heutigen Bio- und Computerwissenschaften scheinen den uralten Traum der Wissenschaft, die Natur mit Hilfe der Kunst bzw. der Technik zu simulieren, wahr werden zu lassen. Roboter gehen zukünftig nicht mehr im zackigen Staccato, sondern bekommen einen „natürlichen look and feel” und werden nach der „Ästhetik des Engineering” konstruiert. Der menschliche Bewegungsapparat dient den Humanoiden als Vorbild, die mit naturähnlichen Materialien und der Technik der sensomotorischen Koordination ausgestattet sind, damit sich der Roboter mit seiner Umwelt interaktiv austauschen kann. Die neuen Konzepte der Artificial Intelligence folgen ontogenetischen Prozessen, die in Genregulatornetzen errechnet werden, um Evolution nach dem Prinzip des „survival of the fittest” selbsttätig zu simulieren. Auf diese Weise können nicht nur unendlich viele Typen von Kreaturen entwickelt werden, deren Entwicklungsgeschichte digital aufgezeichnet und analysiert wird. Überdies sollen nach dem Prinzip des „life as it could be” neue Lebensformen erzeugt werden. Die KI-Forschung bedient sich dabei einer ganzen Reihe von Visualisierungstechniken, um die simulierte Evolution sichtbar zu machen.
Befreiung vom Körper
Eine Leitfrage des Iconic Turn betrifft den Brückenschlag von Bio- und Kulturwissenschaften, inwiefern sich beide Wissenskulturen miteinander vernetzen und voneinander profitieren können. Friedrich Kittler zeichnet die Geschichte der errechneten Bilder nach, die 1836 mit der Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge der Gebrüder Weber begann. Nebenbei verkündeten die Weber-Brüder das Ende der Kunst, die an den neuen der Physik obliegenden Aufgaben scheitern werde. Wie der Ruf aus einer nicht allzufernen Zeit, dessen Echo in den naturwissenschaftlichen Beiträgen des vorliegenden Bandes erklingt, kommt die Botschaft des Medienhistorikers, der die wechselseitige, oft paradoxe Befruchtung von Naturwissenschaft und Kunst in der Technikgeschichte des bewegten Bildes von der Chronofotografie, über das Kinos bis zum Computer nachzeichnet. Die Frage, wer uns was zu sehen lehrte, empfiehlt Kittler der Kunstwissenschaft, die rezente Bildgebungsverfahren in der Geschichte der Kunst verankert sähe. Die Zukunft der von Computern errechneten und berechneten Welt sieht für Kittler düster aus: Es gibt darin kein Weltbild mehr, kein Subjekt, der den Wissenschaften ihre Gegenstände vorgibt, weil all diese Leistungen die sich selbst programmierenden Computer übernehmen.
Sind die Grenzen von wirklicher Welt und ihrer Simulation erst einmal bis zur Unkenntlichkeit verwischt, was alle erwarten, dann ist die Frage nach den Bildern ohnehin obsolet. Bei aller Emphase, mit der der Band dem Iconic Turn huldigt, wird ebenso deutlich, dass sich die Bilder in einem kritischen Zustand ihres Seins befinden, ja dass es „das Bild” ohnehin nicht mehr gibt. Dies allein legitimiert die Begründung einer Wissenschaft von den Bildern, die sich transdiziplinär allen Phänomenen der Bildlichkeit widmet.
Wie verwirrend vielfältig das Bilder-Thema ist, spiegelt der Band eindrucksvoll wider, ebenso die Chance, die vor allem die Kunstwissenschaft darin sieht, ihr Fach mit dem Zugriff auf alle Bilder zu erneuern. Doch ist hier zuweilen mehr von den Medien, die Bilder transportieren, die Rede, als von den Bildern selbst, wie etwa im Beitrag von Horst Bredekamp, der zusammen mit Franziska Brons über die Funktion der Fotografie als Medium der Bakteriologie am Ende des 19. Jahrhunderts schreibt. Robert Koch begrüßte das neue Medium und verbannte die bis dato zur Darstellung von Krankheitserregern gebräuchliche Zeichnung ins Reich der Lügen.
Den Kern der Bilder-Frage sieht Hans Belting an die Frage nach ihrer Referenz auf Körper gebunden – Körper, die künftig gentechnisch oder maschinentechnisch produziert werden. Belting sieht im Bilddiskurs, der den Wert der Bilder nach ihrer Information bemisst, eben jenen Reduktionismus, der den Menschen auf die in seinem Körper kodierte DNS zurückführt. Die Bildgeschichte zeige nur zu deutlich, dass der Wunsch nach Befreiung vom Körper ein uralter Wunsch ist, der den Bilderreichtum der Kulturen überhaupt provozierte: alle Versuche, die Natur zu überwinden, mündeten in der Bildproduktion, seien es virtuelle Bilder oder Roboter. Dabei ging es „selten um die Reproduktion von Körpern, sondern in der Regel um die Produktion von Menschenbildern”.
Erst wenn die Differenz von Körper und Bild aufgehoben ist – was schon jetzt der Fall ist, da Körper und Bilder miteinander verwechselt werden –, betreten wir die neue, post-ikonische Ära, in der der Dualismus von Körper und Bild und auch die Rede vom Iconic Turn zu einem Ende kommen wird.
CHRISTIANE KRUSE
CHRISTA MAAR, HUBERT BURDA (Hrsg.): Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder. DuMont Verlag, Köln 2004. 452 Seiten, 24,90 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Sehr angetan zeigt sich Jochen Hörisch von diesem Band über den "iconic turn". Um die Bedeutung dieses "iconic turn" zu verdeutlichen erinnert Hörisch zunächst an den "linguistic turn", die Orientierung des Denkens auf die Sprache hin, die Richard Rorty als eine Gemeinsamkeit ganz unterschiedlicher Philosophen des 20. Jahrhunderts ausgemacht hatte. Wie er berichtet, suchen die Beiträge des Bandes im Wesentlichen den "Imperativ der neueren Mediengesellschaft" zu analysieren, den Hörisch mit den Worten "Alles soll sichtbar, alles soll transparent werden, alles muss ans Licht kommen" umschreibt. Neben den Beiträgen von Bazon Brock und Peter Sloterdijk, die über die Bilderschwemme in der Postmoderne schreiben, hebt er Friedrich Kittlers Nachzeichnung der Geschichte errechneter Bilder hervor. Wolf Singer stelle eindringlich heraus, dass Wahrnehmung und Kommunikation nie kongruent seien, während Barbara Stafford, Heinz-Otto Pleitgen, Rolf Pfeifer und Britta Glatzeder die Angewiesenheit von Bildern auf Körper verdeutlichten. Auch der Aspekt der Konstruiertheit von Bildern komme zur Sprache. Den "spezifischen Reiz" des Bandes sieht Hörisch in dem Umstand, "dass er so beredt davon handelt, wie schwer es ist, angemessen von Bildern zu reden und die Macht der Bilder sprachlich zu bändigen."

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