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Eine skandalöse Liebe zu Zeiten des Krieges: aus Gleichgültigkeit wird brennende Liebe zum Juden Herman im Kellerversteck. Mit der Stimme eines namenlosen Menschen berichtet uns Gilles Rozier von der Liebe zu den Büchern in der Sprache von Goethe und Goebbels, von der Liebe zum jüdischen Schneider aus Warschau im Kellerversteck und von der Liebe zwischen der Schwester und einem SS-Mann im Obergeschoss. 'Eine Liebe ohne Widerstand' erzählt - aus einer ostfranzösischen Provinzstadt während der deutschen Besatzung. Dem Juden Herman wird für zwei Jahre, drei Monate und zwanzig Tage die Haut…mehr

Produktbeschreibung
Eine skandalöse Liebe zu Zeiten des Krieges: aus Gleichgültigkeit wird brennende Liebe zum Juden Herman im Kellerversteck. Mit der Stimme eines namenlosen Menschen berichtet uns Gilles Rozier von der Liebe zu den Büchern in der Sprache von Goethe und Goebbels, von der Liebe zum jüdischen Schneider aus Warschau im Kellerversteck und von der Liebe zwischen der Schwester und einem SS-Mann im Obergeschoss. 'Eine Liebe ohne Widerstand' erzählt
- aus einer ostfranzösischen Provinzstadt während der deutschen Besatzung. Dem Juden Herman wird für zwei Jahre, drei Monate und zwanzig Tage die Haut gerettet, versteckt in einem Keller hinter der verborgenen Bibliothek mit den verbotenen deutschen Schriftstellern
- wie zwei Menschen sich von ihrer Leidenschaft im Zeichen von Heinrich Heine und Thomas Mann nähren
- von zwei Menschen, die alles teilen, die sich liebenden Körper, die Worte und die Sprache - das Deutsche und das Jiddische, das der polnische Jude seinem Retter als Gegenleistung beibringt
- mit beißender Schnörkellosigkeit von gewohnheitsblinden Antihelden, die zu überleben suchen, und wirft dabei Licht in die geheimsten Schlupfwinkel des Verlangens und in die Risse der menschlichen Seele.
Autorenporträt
Gilles Rozier, geboren 1963 in Grenoble. Er lernte Hebräisch und Jiddisch, Tätigkeit zunächst in einer Pariser Kaufhauskette. Die Begeisterung für die jiddische Sprache führte ihn zur Promotion in jiddischer Literatur. Er ist Direktor des Hauses für jiddische Kultur in Paris.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.03.2004

Die Teekanne bin ich
Mann, Frau, Jude, Goi: Gilles Rozier redet Tacheles
An verruchten Geschichten, die die Erregungspotentiale des politisch Inkorrekten munter hinauf- und herunterdeklinieren, herrscht kein Mangel. Desgleichen nicht an Familienromanen, deren Erzähler die vergilbten Fotos ihrer Vorfahren vor dem Leser ausbreiten und im unergründlichen Gesicht des verblichenen Großvaters eine Antwort auf die Frage suchen, was dieser denn im Krieg getan habe. Ein solches Familienfoto, zum geschmackvoll arrangierten Stillleben neben einer Teekanne – Erbstück, Baujahr 1889 – platziert, steht am Anfang des kleinen Romans „Eine Liebe ohne Widerstand” aus der Feder des Franzosen Gilles Rogier. Bei grünem Tee und gedämpftem Licht, musikalisch untermalt durch die Vertonung eines Gedichts von Heinrich Heine durch Robert Schumann, ruft das Foto die Erinnerungen wach: „Da bin ich”, heißt es mit Fingerzeig auf das Bild.
Dieses Ich, das von nun an ununterbrochen erzählt, war zum Zeitpunkt der Aufnahme noch jung und lebte, nach einem Studium der Germanistik mit längerem Gastaufenthalt in Heidelberg, irgendwo in der französischen Provinz unter deutscher Besatzung. Das Foto, erfahren wir, sei von einem SS-Mann aufgenommen worden, der im Hause ein- und ausging, weil er die Schwester „bumste”, wie es ohne Umschweife, aber mit der Bitte um Pardon für den saloppen Ausdruck heißt. „Sie glich ihrem Land: leicht zu haben.”
Von Kollaboration und Fraternisierung, von alltäglicher Gleichgültigkeit und Anpassung sowie von unfreiwilligem Heldentum handelt Roziers dicht gestrickter Roman: Im Mittelpunkt steht die verbotene Liebe zweier Menschen. Der eine ist Jude, der andere leistet der Gestapo germanistische Übersetzerdienste. In einem elenden Kellerloch, das ihnen als Schlupfwinkel und Bibliothek verbotener Bücher dient, teilen sie für die Dauer von mehr als zwei Jahren ihre Körper und noch eine weitere Leidenschaft miteinander: die Liebe zur Literatur, der deutschen und der jiddischen.
Die Geschichte endet tödlich: Der Retter (die Retterin) des polnischen Juden erträgt die Anwesenheit des SS-Mannes im Hause nicht mehr und tötet ihn. Das Liebespaar verscharrt ihn unter dem Boden des Refugiums, wo dem Juden die Gegenwart der Leiche bald unerträglich wird. Er legt sich dessen Uniform an, um unauffällig an einen anderen Ort zu entkommen. Auf dem Weg dahin wird er von Angehörigen der Résistance erschossen.
Soweit wäre diese Geschichte als eine bloß ruchlose und auch ein wenig verworrene zu verbuchen, zumal das erzählende Ich selbst den Verdacht nährt, dass es den polnischen Juden Herman nur seiner schönen Augen wegen aus den Händen seiner Verfolger gerettet hat. Auf den Fluren des Gestapogebäudes war es indessen lange Zeit ein teilnahmsloser Zeuge des Schicksals drangsalierter und zur Deportation bestimmter Juden.
Was dieses Buch zu einem kleinen Meisterwerk macht, ist die geniale Konstruktion einer namenlosen, hybriden Erzählerfigur von rätselhafter Geschlechtszugehörigkeit. Dies bis zuletzt und auch über leidenschaftliche Liebesszenen hinweg durchzuhalten, erfordert von einem Roman, in dem auch viel von Sexualität die Rede ist, großes Raffinement. Von der deutschen Übersetzerin, die der Unbestimmtheit des Geschlechts selbst an den heikelsten Stellen die Treue hält, wurde die Kunstfertigkeit des Autors kongenial flankiert. Der Leser muss höllisch aufpassen und sehr genau lesen, will er nicht in eine der Fallen gehen, in die einige voreilige Kritiker gestürzt sind, die es partout zum Schwulenroman erklärt haben.
Tatsächlich wird die Erzählerfigur zunächst als potentieller Mann mit unerfüllten homophilen Neigungen aufgebaut, bis sie unleserlich wird, um danach als potentielle Frau neu lesbar zu werden. Wer nach dem Sinn solcher Kunstgriffe fragt, dem werden alle zugehörigen Leseanweisungen vom Roman selbst gegeben. Die Frage nach Mann oder Frau entpuppt sich als ganz so banal und zum Verwechseln ähnlich wie jene nach Jude oder Goi oder – wenn es um die im Kellerloch gelesene Literatur geht – nach Deutsch oder Jiddisch.
Das naive Erzähler-Ich, das anfangs bekennt, gar nicht so genau zu wissen, was es mit den Juden überhaupt auf sich habe, stellt, als es zum ersten Mal eine in jiddischer Sprache und im hebräischen Alphabet gedruckte Ausgabe der Gedichte Heinrich Heines in der Hand hält, mit Erschrecken fest, dass die Juden „ihre Bücher verkehrt herum” öffnen: Es erscheint ihm dies „wie ein Anschlag” auf seine Erziehung, „auf die großen Männer, die die Kultur Europas ausmachten”. So ist in diesem Roman alles ein klein wenig verdreht, und selten wurde man als Leser mit so viel Wahrheit an der Nase herumgeführt: Am Ende dürfte nämlich nur der Teufel noch wissen, was das eigentlich ist, eine Frau, ein Mann, ein Jude oder ein Goi, und an welch seltsamen Merkmalen sie angeblich zu erkennen sein sollen. „Der Rest ist Liebe”, heißt es an einer Stelle – und Literatur, ergo Kunst.
VOLKER BREIDECKER
GILLES ROZIER: Eine Liebe ohne Widerstand. Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Claudia Steinitz. DuMont Verlag, Köln 2004. 167 Seiten, 16,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2004

Versteck mit Nachtigallenchor
Gilles Rozier kämpft bewegend gegen das tödliche Reinheitsgebot

Wer hierzulande darüber spricht, daß sich das Verhältnis zur Geschichte allmählich "normalisiere", gerät noch immer leicht in den Verdacht, die deutsche Schuld verharmlosen oder gar "relativieren" zu wollen. Daß die Guten immer die Guten und die Bösen böse, daß Täter und Opfer jederzeit präzise auseinanderzuhalten sind - dieser Glaube hat den Blick auf die Geschichte lange Zeit geprägt. Etwa seit Mitte der neunziger Jahre geht es jedoch verstärkt darum, die moralischen Grauzonen zu erforschen. Das ist das Spezialgebiet der Literatur, die als Sensorium und Orientierungsmittel notwendig wird, wenn Gut und Böse ihre Eindeutigkeit verlieren.

Das Interesse richtet sich seither auf Menschen, deren Handlungen im Koordinatensystem der Moral nur schwer zu verankern sind. Das "Schicksal" ist als Kategorie ins Spiel gekommen, seit Deutsche von Flucht, Vertreibung und Bombenkrieg in den Städten erzählen - mithin sich daran erinnern, daß sie nicht nur Gewalt ausgeübt, sondern auch erlitten haben. Selbst Täter werden nun eher von ihrer Motivation und Herkunft aus bestimmt als durch ihre Taten. Sie werden als schwache Menschen gezeigt und nicht als Unmenschen - so etwa der ältere Bruder in Uwe Timms eindrucksvoller Familienrecherche, der in der Totenkopf-SS an der Ostfront operierte.

Bei dieser "Normalisierung" handelt es sich um keinen deutschen Sonderweg, sondern um eine europaweite Tendenz. Aus Frankreich kommt nun ein Buch zu uns, das in die Auseinandersetzung um Résistance und Kollaboration eingegriffen hat. Die heroische Verklärung des Widerstands in Frankreich war gewissermaßen die Kehrseite der Dämonisierung der Nazis in Deutschland. Gilles Rozier entwirft in seinem Roman "Eine Liebe ohne Widerstand" einen Fall, der mit moralischen Maßstäben nicht zu fassen ist. Die - geschlechtlich unbestimmte - Hauptperson seiner Geschichte, zugleich der Ich-Erzähler, unterrichtet Deutsch in der französischen Provinz und arbeitet ohne Skrupel mit den deutschen Besatzern zusammen. Sie liebt "die Sprache von Goebbels und Goethe" und hat nichts dagegen einzuwenden, Übersetzungsdienste für Judendeporteure zu leisten. Aus ihrer Gleichgültigkeit wird sie erst herausgerissen, als sie aus erotischem Begehren in einem Impuls des Augenblicks einen Juden vor der Deportation rettet. Sie hält ihn in einem verborgenen Verschlag im Keller mit verbotenen deutschen Büchern versteckt. In dieser Geheimbibliothek ist alles versammelt, was die Hauptperson an der deutschen Literatur liebt: Heine und Horváth, Thomas und Heinrich Mann, Wassermann, Werfel, Zweig und Schnitzler.

Von zentraler Bedeutung ist eine jiddische Ausgabe der Gedichte Heinrich Heines. Mit der Beschaffung dieses Buches und der Entzifferung der hebräischen Schrift beginnt die leidenschaftliche Liebe zwischen der Hauptfigur und dem versteckten Juden mit dem deutschen Namen Herman. Das Irritierende daran ist, daß es Rozier immer im ungewissen läßt, ob sein Erzähler ein Mann oder eine Frau ist. Das ganze Buch ist so kunstvoll in der Schwebe gehalten, daß sich auch die Liebesgeschichte und die sexuelle Verschmelzung im Kellerversteck homo- oder heterosexuell interpretieren lassen. Für beide Lesarten gibt es Indizien, so daß eine flirrende, andauernde Verunsicherung entsteht. Man liest zwei Bücher gleichzeitig. Die Wirklichkeit steht nicht fest. Es kommt auf die Perspektive an, unter der man sie betrachtet.

Der Titel "Eine Liebe ohne Widerstand" führt absichtlich in die Irre. "Widerstand ohne Résistance" würde es genauer treffen, zumal die Résistance im Verlauf des Geschehens eine eher verhängnisvolle Rolle ausübt. Doch Rozier scheut auch hier konsequent jede Eindeutigkeit. Mit Anne stellt er der Hauptperson eine Schwester zur Seite, die sich lustvoll einem deutschen SS-Mann mit dem Namen Volker hingibt. Fast täglich kommt Volker mit Stiefeln, Helm und Uniform ins Haus, um in die Schwester "einzudringen wie in Butter", während im Keller der Jude verborgen ist. Da wackeln die Wände, wenn die Lustschreie aus den weitgeöffneten Fenstern dringen. "Sie glich ihrem Land: leicht zu haben", kommentiert die Hauptperson in ihrer nüchternen, mitleidlosen Art das Verhalten der Schwester. Auch als Anne nach dem Abzug der Besatzer von Nachbarn geschoren und auf offener Straße vergewaltigt wird, bleibt sie (oder er) ein kühler Beobachter.

Gilles Rozier, 1963 in Grenoble geboren, wollte zunächst nur ein Buch über die deutsche und die jiddische Sprache schreiben. Das ist sein Metier: Er hat in jiddischer Literatur promoviert und arbeitet als Direktor des Hauses für jiddische Kultur in Paris. Jiddisch ist aber auch die Sprache seines Großvaters, der in Auschwitz ermordet wurde. Die Vorliebe für das Deutsche kam vom anderen Großvater auf ihn, der Deutschlehrer gewesen ist. Mag sein, daß diese Familiengeschichte Rozier dazu brachte, eine linguistische Version des Holocaust zu entwickeln. In einem Interview sagte er: "Ich glaube, es ist kein Zufall, daß die Deutschen, die Nazis auf die Jiddisch sprechenden Juden gestoßen sind. Denn wenn die Juden in Europa nicht Jiddisch gesprochen hätten, eine zur Hälfte germanische Sprache, wäre vielleicht die Geschichte anders verlaufen. Ich verstehe den Völkermord deshalb folgendermaßen: Die Deutschen wollten die Juden aus Gründen eines linguistischen Reinheitsgebots eliminieren, aus Angst, die Juden könnten ihre unsterbliche, ihre bedeutende deutsche Sprache verunreinigen."

In seinem Roman geht Rozier über diese Theorie noch hinaus. Systematisch schreibt er gegen die Grenzziehungen zwischen den Sprachen, den Völkern und den Geschlechtern an. Systematisch unterläuft er die starren Fronten von Gut und Böse, Heroismus und Anpassertum, Liebe und Egoismus. Reinheitsgebote aller Art haben demnach immer eine Neigung zum Totalitären. Machtausübung besteht darin, Grenzen zu ziehen. Alles, was dem entgegenarbeitet, wäre dann Widerstand. Liebe zum Beispiel. Oder die Fremdheit jiddischer Heine-Verse: "Os mane trern waksn / Fil blijende blimen afir, / Zi nachtigal-gesangen / wert jeder safz fin mir." ("Aus meinen Tränen sprießen / Viel blühende Blumen hervor / Und meine Seufzer werden / Ein Nachtigallenchor.") Wer diese Arbeit "Relativierung" nennt, hat nichts begriffen.

JÖRG MAGENAU

Gilles Rozier: "Eine Liebe ohne Widerstand". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Claudia Steinitz. DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2004. 168 S., geb., 16,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nicht die leicht "ruchlose und auch ein wenig verworrene" Geschichte ist es, die den Rezensenten Volker Breidecker an Gilles Roziers Roman um ein heimliches deutsch-jüdisches Liebespaar unter der Nazi-Herrschaft fasziniert hat, sondern die "geniale Konstruktion einer namenlosen, hybriden Erzählerfigur von rätselhafter Geschlechtszugehörigkeit", die von der Übersetzerin "kongenial" ins Deutsche gerettet worden ist. In der Tat sei man als Leser zunächst geneigt, von einem männlichen Erzähler auszugehen, bis diese Lesart von der voranschreitenden Erzählung unmöglich gemacht werde, und sich erst durch die weibliche Lesart wieder ein stimmiges Bild ergebe. Doch was manch einer als zum Selbstzweck erhobenen "Kunstgriff" betrachten wird, eröffnet für den Rezensenten eine andere Sinnhaftigkeit: "Die Frage nach Mann oder Frau entpuppt sich als ganz so banal und zum Verwechseln ähnlich wie jene nach Jude oder Goi." Alles, so der beeindruckte Rezensent, ist "ein klein wenig verdreht" in dieser Geschichte, die es schafft, den Leser mit erstaunlich viel Wahrheit "an der Nase herumzuführen".

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