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"'Kult', das sind die kleinen Kerzen, die man jedes Mal ansteckt, wenn etwas passiert ist. Doch das Leben bläst sie aus ..."
Zu wahr um schön zu sein erzählt eine Epoche, ist Generationsroman und Hommage an die Kultur von Rock und Punk der 70er und 80er Jahre. Philippe heißt die Hauptfigur dieser Nach-68er-Geschichte. Im Hin und Her zwischen verklärter Vergangenheit und leerer Gegenwart erinnert er sich nostalgisch an die Zeit des Heranwachsens mit den Freunden, die ihre Rollen im kulturellen oder politischen Leben längst gefunden haben. Er selbst ist ein Ex-Rockkritiker und besichtigt sein…mehr

Produktbeschreibung
"'Kult', das sind die kleinen Kerzen, die man jedes Mal ansteckt, wenn etwas passiert ist. Doch das Leben bläst sie aus ..."

Zu wahr um schön zu sein erzählt eine Epoche, ist Generationsroman und Hommage an die Kultur von Rock und Punk der 70er und 80er Jahre. Philippe heißt die Hauptfigur dieser Nach-68er-Geschichte. Im Hin und Her zwischen verklärter Vergangenheit und leerer Gegenwart erinnert er sich nostalgisch an die Zeit des Heranwachsens mit den Freunden, die ihre Rollen im kulturellen oder politischen Leben längst gefunden haben. Er selbst ist ein Ex-Rockkritiker und besichtigt sein Leben: Die Zeit, in der er noch glaubte, die Welt neu erfinden zu können - aus dem rebellischen Geist von Rock und Punk. Die Spaßgesellschaft blickt längst zurück in die Abgründe ihrer Belanglosigkeiten. Philippe schlägt sich durch mit dem kleinen Erbe der böhmischen Großmutter, die Eltern sind ihm Phantome geblieben, und aus dem Leben mit Frau und Kind flieht er in den Sex, auf dem Bildschirm und in der Latexversion. "Sich selbst hatte er schon längst verloren, er wusste nur, dass es vorbei war. Was, wusste er nicht, aber irgendwas war vorbei."

Michka Assayas, Herausgeber eines großen Rocklexikons und Darsteller in der Verfilmung von Michel Houellebecqs Ausweitung der Kampfzone ist wie sein Freund Michel Houellebecq ein Erzähler der verlorenen Illusionen - im eigenen Tonfall: komisch und sarkastisch.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.2004

Die Weichteilchen
Kampfzonis: Michka Assayas folgt den Bahnen Houellebecqs

Zu jung, um noch zu den "Achtundsechzigern" zu gehören, zu alt, um den Neid auf sie schon als Abrechnung mit den Eltern tarnen zu können, fühlen sich viele Mitte der fünfziger bis Anfang der sechziger Jahre Geborene als Angehörige einer Zwischengeneration. In Deutschland hat sich der Schriftsteller Matthias Politicky als Sprecher dieser "Achtundsiebziger" versucht. In der französischen Literatur ist ihr bekanntester Vertreter der 1958 geborene Michel Houellebecq. Sein Jahrgangskollege Michka Assayas, dessen Roman "Exhibition" nun in Brigitte Großes deutscher Übersetzung unter dem Titel "Zu wahr, um schön zu sein" vorliegt, ist, wie der deutsche Verlag beider Autoren mitteilt, mit Houellebecq befreundet und hat in der Verfilmung von dessen "Ausweitung der Kampfzone" mitgespielt.

Auch literarisch folgt er den Spuren seines Freundes. So dient auch Assayas die episodisch auf wechselnden Zeitebenen - stilistisch eher behäbig - erzählte Lebensgeschichte seines Protagonisten vor allem als Vehikel für zeit- und kulturkritische Betrachtungen. Diese weisen allerdings keine mit Houellebecq vergleichbare Exzentrik und Radikalität auf, sondern verlaufen in den konventionellen Bahnen der Klage über die Spaßgesellschaft, deren Sprache "vollständig von der Ironie besetzt, um nicht zu sagen zersetzt" sei. Sexualität wird nur als ein Phänomen unter anderen behandelt; aber gerade in den damit befaßten Passagen erscheint Assayas als Epigone seines berühmteren Kollegen. Immerhin ist es ein hübscher Einfall, aus einem Rockmusikkritiker einen Vinylfetischisten zu machen.

Zentrales Thema des Buches sind die Medien. Philippe, Jahrgang 1960, Hauptperson und über weite Strecken auch Erzähler des Romans, lebt vom Erbe seiner Großmutter, schreibt nur noch selten über Rockmusik und trauert der "ernsthaften Vision der Welt" aus seiner Jugendzeit in den siebziger Jahren nach. Eher zufällig gerät er als "Consultant" in das schließlich scheiternde Projekt der Gründung einer neuen Musikzeitschrift. Die Schilderung wichtigtuerischer Konferenzen mit ihren Präsentationen samt Marktanalysen, die nur Banalitäten zutage fördern ("Disco präsentiert sich somit als ein Phänomen, das besonders das Segment der 15- bis 19jährigen charakterisiert"), zählt zu den raren Höhepunkten des Romans. Hier verdichtet sich zur Satire, was sonst in der Ausbreitung von Philippes Selbstmitleid steckenbleibt.

Die Lektüre als Generationsroman - nach dem Motto "Weißt du noch? Wie furchtbar!" - wird für hiesige Leser durch die vielen Bezüge auf Frankreichs Politik-, Kultur- und Medienszene erschwert. Es war also durchaus sinnvoll, die deutsche Ausgabe mit einem Glossar zu versehen. Dieses führt aber vorwiegend auch hierzulande recht bekannte Namen wie Michel Foucault oder Jean-Michel Jarre auf, während etwa zu dem mehrfach erwähnten Journalisten Jean Daniel jegliche Erläuterung unterbleibt. Zudem sind die Angaben nicht frei von Fehlern und Fragwürdigkeiten: So wird die Ernennung von Michel Rocard zum Premierminister um sieben Jahre vorverlegt, und zu Patrice Chéreau gilt ausgerechnet seine kurzzeitige, von ihm als peinvoll empfundene Zusammenarbeit mit Ariane Mnouchkines "Théâtre du Soleil" als erwähnenswert.

Überhaupt muß man dem DuMont Verlag einen eklatanten Mangel an editorischer Sorgfalt attestieren: Zu etlichen Druck- und Grammatikfehlern (zum Beispiel muß jemand "eine gewisse Zeit in die Psychiatrie verbringen") kommt noch eine offenkundige Textlücke zwischen Seite 21 und 22. Der verlorene Textteil findet sich dann als Seite 122 wieder. So richtig scheint der Verlag an sein Buch wohl selbst nicht zu glauben.

HARDY REICH

Michka Assayas: "Zu wahr, um schön zu sein". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Brigitte Große. DuMont Buchverlag, Köln 2004. 280 S., geb., 21,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kaum überzeugt zeigt sich Rezensent Hardy Reich von Michka Assayas' Roman "Zu wahr um schön zu sein". Literarisch verlaufe der Roman in den Bahnen von Assayas' Freund Michel Houellebecq. So diene die "stilistisch eher behäbig" erzählte Lebensgeschichte seines Protagonisten vor allem als "Vehikel für zeit- und kulturkritische Betrachtungen". Allerdings sieht Reich keine Houellebecq "vergleichbare Exzentrik und Radikalität" am Werk, sondern eine konventionelle Klage über die Spaßgesellschaft. Als zentrales Thema des Buches nennt Reich die Medien. Zu den "raren Höhepunkten" des Romans zählt er dabei die Schilderung wichtigtuerischer Konferenzen einer Musikzeitschrift mit ihren Präsentationen samt Marktanalysen, die nur Banalitäten zutage fördern. Hier verdichte sich zur Satire, was sonst in der Ausbreitung des Selbstmitleids des Protagonisten stecken bleibe. Generell moniert Reich einen "eklatanten Mangel an editorischer Sorgfalt". Neben etlichen Druck- und Grammatikfehlern geselle sich eine Textlücke zwischen Seite 21 und 22. "So richtig", resümiert der Rezensent, "scheint der Verlag an sein Buch wohl selbst nicht zu glauben."

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.11.2004

Im fahlen Licht der Schreibtischlampe
Michka Assayas rechnet mit den Idealen von 1968 ab
Was wäre nicht alles über den begnadeten Beach Boy Brian Wilson zu sagen, ohne ins Schwärmen zu geraten. Dass er Kalifornien erfand, zum Beispiel, jenen Ort, für den die Popmusik überhaupt erst erschaffen wurde. So schrieb es immerhin einmal Nik Cohn. Ein anderer Popjournalist, der französische Schriftsteller Michka Assayas, hat dagegen folgendes über Brian Wilson zu berichten: „Dieser Musiker hatte Ende der sechziger Jahre, als die ,Free your mind‘-Bewegung aus zahlreichen Musikern der Westküste mittels Drogen und verschiedener esoterischer Ansätze mal harmlose, mal gefährliche Erleuchtete gemacht hatte, eine unerhörte Musik erfunden.” Das rückt ein unerhörtes Album wie „Pet Sounds” doch plötzlich in ein ganz neues Licht - von der ewigen Sonne über dem Pazifik direkt unter die fahle Schreibtischlampe.
„Zahlreich”, „mittels”, „verschiedene Ansätze” - so einen bleiernen Stil lässt man sich vielleicht noch vom Original gefallen, also von Michel Houellebecq, der unverkennbar Pate gestanden hat für den ersten Roman seines Freundes Michka Assayas. Doch erträgt man diese leitartikelnde Prosa auch nur dann, wenn jedenfalls ihr Gedanke einem den Atem raubt. Assayas aber hat lediglich ein weiteres Buch geschrieben, das mit den Idealen von 1968 und ihren Akteuren, den Zaungästen und den Nachgeborenen aufräumt: Die sexuelle Befreiung hat im Gegenteil nur Gefangene genommen. Das Engagement für die Dritte Welt ist modische Ersatzbefriedigung. Auch linke Politik greift nur nach Macht. Wie der Punk dann mit all dieser Selbstgefälligkeit und den Lügen aufräumte, flackert bei Michka Assayas leider zu kurz auf, um den ganzen Roman in Brand zu setzen. So schwelt er nur dahin, quälend langatmig und auf niedriger Flamme.
„Zu wahr um schön zu sein” ist in einer Welt angesiedelt, die Michka Assayas als Verfasser des „Dictionnaire du Rock” - so etwas wie das „Rocklexikon” von Siegfried Schmidt-Joos und Barry Graves - und Autor vorzüglicher Zeitschriften wie Les Inrockuptibles bestens vertraut ist: die Musikbranche. Philippe, von dem hier die Rede ist, ist Popjournalist. Gescheitert und driftend, ein Mann mit Plastiktüte aus der Vorstadt, der auf Latexsex steht und am Minitel klebt. Man stelle sich Michel Houellebecq auf dem Umschlagfoto seiner „Elementarteilchen” vor, dann hat man einen Eindruck von Philippe. „Er spürte selbst”, schreibt Assayas, „daß er ein Nichts war, aber das beeinträchtigte weder seinen Narzißmus noch seinen Größenwahn, im Gegenteil.” Auf der Heimfahrt von einer Beerdigung, unterwegs im Nieselregen auf dem Périphérique von Paris, beginnt Philippe, kaum 40 Jahre alt, sein Leben Revue passieren zu lassen.
Philippes einziger Verdienst ist es, „Joy Division”, die Prinzen des desolaten Punkrock aus Manchester, Ende 1979 getroffen und gesprochen zu haben. Weswegen er 20 Jahre später als Augenzeuge in eine Radiosendung geladen wird. Aber es stimmt gar nicht, Philippe hat die Band nur auf einer Bühne in den Bains-Douches spielen sehen. Und Ian Curtis, den legendären Sänger, der später Selbstmord beging, hat er erst recht nicht gesprochen. Egal, man interviewt ihn trotzdem, und über den Frust hinweg, dass man seine Halbwahrheiten „total Kult” und „megaspannend” findet, erkennt er: „Ich glaube, daß Ian Curtis einigen wenigen offenbarte, daß der westliche Mensch zwar nach außen hin handeln und Dinge in Angriff nehmen, in seiner Nacht jedoch, wenn ihn keiner sieht, von plötzlichen Schrecken, Schuldgefühlen, Ohnmacht und Ekel heimgesucht werden würde.” Was wäre nicht alles über den begnadeten Ian Curtis zu sagen gewesen.
Sonic-FM, der Radiosender, dem Philippe seine megaspannende Anekdote erzählt, plant, eine eigene Zeitschrift auf den Markt zu werfen. Und bucht dafür Philippe als Berater, dessen Artikel über Joy Division der Beginn einer halbherzigen Journalistenkarriere war. Was Michka Assayas nun aus der Medienwelt der Businesspläne und des „Unique Selling Point” erzählt, ist beißend genau. Es erinnert aber in der Form wiederum derart stark an Michel Houellebecqs Innenaufnahmen der Tourismusbranche, wie der sie 2001 in „Plattform” niedergeschrieben hatte, dass man immer ratloser in dieser Doublette weiterblättert. Es ist, als ließe Michka Assayas seinen Text in ein vorgeprägtes Muster einlaufen, Marke „dysfunktionaler französischer Roman des 21. Jahrhunderts”: marktförmiger Sex, Illusion der Waren, leere Reize, Diskurse, Diskurse, Diskurse. „So viele Leute reden überall um uns herum”, stellt Philippe am Ende der Geschichte fest, die zugleich der Anfang einer neuen ist, weil er nun den Rückzug in sich selbst antritt, heimisch geworden ist in den eigenen vier Wänden. „Aber kein Wort wird gesprochen, im Grunde wird nichts gesagt, nichts gezeigt. Keines der Worte, die in der Welt von heute ausgesprochen werden, hat mehr das geringste Gewicht, keines der ausgestellten Bilder hat mehr das geringste Gewicht.” Deshalb entschließt sich Philippe, keine Zeile mehr zu schreiben, „weil die Worte, denen ich immer vertraute, dazu dienen, Inhalte zu liefern, und ich lieber nichts ablasse, schon gar keinen Inhalt.” Das ist ein versöhnlicher Schluss für einen Roman, der nichts als Inhalte, aber kaum Bilder liefert.
TOBIAS RÜTHER
MICHKA ASSAYAS: Zu wahr um schön zu sein. Roman. Aus dem Französischen von Brigitte Große. DuMont LiteraturVerlag, Köln 2004. 280 Seiten, 21,90 Euro.
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