Marktplatzangebote
13 Angebote ab € 13,00 €
  • Buch mit Leinen-Einband

Die Welt feiert in diesem Jahr den 700. Geburtstag des italienischen Dichters Petrarca, der neben Dante und Boccaccio als einer der größten seiner Zeit gilt. Geboren in einer Epoche, die mit dem Frühhumanismus und der beginnenden Renaissance einen wahren Aufbruch zur Neuzeit einleitet, wurde er durch sein lateinisches Werk und seine italienische Dichtung deren erster Repräsentant und zum Intellektuellen im 14. Jahrhundert. Der vorliegende Band spiegelt mit den Essays namhafter Wissenschaftler und der von Florian Neumann kommentierten Bibliographie der Bibliothea petrarchesca Reiner Speck eine…mehr

Produktbeschreibung
Die Welt feiert in diesem Jahr den 700. Geburtstag des italienischen Dichters Petrarca, der neben Dante und Boccaccio als einer der größten seiner Zeit gilt. Geboren in einer Epoche, die mit dem Frühhumanismus und der beginnenden Renaissance einen wahren Aufbruch zur Neuzeit einleitet, wurde er durch sein lateinisches Werk und seine italienische Dichtung deren erster Repräsentant und zum Intellektuellen im 14. Jahrhundert. Der vorliegende Band spiegelt mit den Essays namhafter Wissenschaftler und der von Florian Neumann kommentierten Bibliographie der Bibliothea petrarchesca Reiner Speck eine Werk- und Wirkungsgeschichte, die Petrarca in neuer Sicht erfahren läßt.
Autorenporträt
Reiner Speck, geboren 1941, ist Arzt, Sammler, Publizist sowie Begründer und Präsident der Marcel Proust Gesellschaft in Köln. Seine umfangreiche Sammlung zeitgenössischer Kunst ist international ebenso bekannt wie seine Bibliothek zu Proust und Petrarca. Reiner Speck veröffentlichte zur zeitgenössischen Kunst, Literatur und Medizingeschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.12.2004

Römische Urbanität
Sammler im Dialog: Reiner Specks Biblioteca Petrarchesca

Francesco Petrarca, dessen siebenhundertsten Geburtstags in diesem Jahr überall in der Welt gedacht wurde, ist eine der großen intellektuellen Gestalten an der Schwelle zur frühesten Neuzeit. Nicht zuletzt prägt sich in ihm erstmals ein neuer intellektueller Typus aus, der bis heute nichts von seiner diskreten Faszination verloren hat, der Typus des Sammlers. Der Sammler folgt einer Leidenschaft, er will besitzen, was er begehrt, er weiß sich ergriffen von einer Aura der Dinge, der er sich nicht widersetzen kann. So wird er in Gebiete des Wissens geführt, von denen die verwaltete und institutionalisierte Wissenschaft noch nicht Besitz ergriffen hat und wo Neugier, eine Veranlagung zum privaten Studium auf eigenes Risiko und praktische Initiative des Auffindens eine Kohärenz des Wißbaren und Betrachtbaren herstellen, das es ohne das Projekt des Sammlers nicht gegeben hätte.

Petrarca ist vor allem ein passionierter Sammler von Manuskripten antiker Texte mit einem neuen Sinn für ihre Materialität, für die Schönheit von Schrift und Gestaltung der Seite, vor allem aber auch für die Verläßlichkeit des überlieferten Textes selbst. Zwar war Petrarca nicht der erste, der dem Zauber und intellektuellen Reiz des Büchersammelns verfiel. Einen großen Vorgänger hat er in dem gelehrten Verfasser des Philobiblon, Richard de Bury, mit dem er sich in Avignon anfreundete, als Richard dort als Diplomat des englischen Königs weilte, und auch unter seinen zahlreichen gelehrten italienischen Freunden, darunter Guglielmo da Pastrengo, dem er die Kenntnis von Ciceros Atticus-Briefen verdankte, gab es begeisterte Sammler von Texten der antiken römischen Autoren. Dennoch übertrifft Petrarcas Sammelleidenschaft alles, was in seiner Zeit bekannt war. Er ist es auch, der im Kreis seiner frühhumanistischen Freunde und Nachfolger in Florenz das Sammeln als eine edle Passion heimisch gemacht hat.

Zur Physiognomie des Sammlers gehört, daß er es bei einer Leidenschaft oft nicht beläßt. Auch Petrarca beschränkt sich nicht auf das Buch. Er besaß eine kostbare Sammlung altrömischer Münzen, aus der er den deutschen Kaiser Karl IV. beschenkte, als dieser sich endlich entschloß, nach Rom zu ziehen, um sich dort krönen zu lassen. Er besaß eine zumindest bescheidene Sammlung von Bildern, darunter ein Bild Giottos, das sein Testament eigens erwähnt, und wohl auch ein ideales Bild der Laura von Simone Martini. Aber nicht zuletzt war Petrarca der Gestus des Sammelns auch für seine eigene literarische Tätigkeit nicht fremd. Zerstreuen und Sammeln sind der komplementäre Grundzug seines Werks. Er verstreut seine Briefe und Gedichte, verschenkt sie an Freunde und Fans und sammelt sie erneut ein, um ihnen schließlich als eine Konfiguration von Bruchstücken eine feste Form zu geben.

Der Kölner Reiner Speck ist nicht nur ein Sammler aus dem Geist Petrarcas, im Triptychon seiner Sammelleidenschaften figuriert neben Marcel Proust und der modernen Kunst Petrarca selbst. Petrarcas siebenhundertster Geburtstag im vergangenen Sommer war Anlaß, seine in der Stille gesammelten Petrarca-Schätze erstmals in einer Ausstellung des Kölner Museums für Angewandte Kunst vorzustellen und in Zusammenarbeit mit den romanischen Seminaren der Kölner und Münchner Universität dem Betrachter und Leser einen prächtigen, reichbebilderten Katalog an die Hand zu geben, der ihn zuverlässig über die einzelnen Stücke informiert und den großen Strom der Petrarca-Zeugnisse, die die Sammlung vereint, übersichtlich ordnet. Die Verantwortung für diesen Teil lag bei dem Petrarca-Forscher Florian Neumann, der mit sicherer Hand die einzelnen Objekte beschreibt und knapp kommentiert, so daß eine Vorstellung von der außerordentlichen Dynamik von Petrarcas literarischem Nachleben entstehen kann.

Die Brücke zwischen dem Sammler Petrarca und Reiner Speck, dem Petrarca-Sammler, ist Köln. Denn in einem der schönsten Reisebriefe Petrarcas wird Köln im Gegensatz zu der "stinkenden" Kaiserstadt Aachen gefeiert als Ort, in dem römische Urbanität sich unversehrt erhalten zu haben scheint. Specks Eingangsaufsatz "Petrarca in Köln" stellt den Brief an Kardinal Colonna in ein helles Licht, aber er fragt auch, ob er sich nicht vielleicht eher dem literarischen Schwung des Dichters als den realen Gegebenheiten verdankt.

Anders als bei Marcel Proust sind Petrarca-Autographen heute unerreichbar. Aber auch die schönen, oft reichilluminierten Handschriften des fünfzehnten Jahrhunderts, zumeist in Florenz entstanden, dem neuen Kultort der Petrarca-Verehrung, sind auf dem Markt Seltenheiten. Um so bemerkenswerter ist es, daß es Reiner Speck gelang, einige dieser Zimelien für seine Sammlung zu gewinnen, darunter eine Florentiner Handschrift von 1469 mit einer bezaubernden Miniatur von Petrarcas Lieblingsmythos Apoll und Daphne und eine überaus elegante französische Übersetzung der Trionfi, die vielleicht Anne de Polignac gehörte.

Besonders reichhaltig aber belegt Specks Sammlung den Übergang vom handschriftlichen Petrarca-Manuskript zum gedruckten Buch. Dieser große Paradigmenwechsel, der die Voraussetzung für Petrarcas europäische Wirkung im sechzehnten Jahrhundert werden sollte, ist mit einer Fülle seltener Exemplare belegt, die nicht nur Stolz der Sammlung sind, sondern auch zukünftiger Forschung über Petrarcas frühe Wirkungsgeschichte reiche Anregung geben können. Selbstverständlich auch, daß die großen, vor allem in Basel entstandenen frühen Gesamtausgaben ebenso präsent sind wie die bedeutenden Kommentare des sechzehnten Jahrhunderts, die vor allem die Ausgaben des sogenannten "Canzoniere" und der "Trionfi", Petrarcas großen allegorischen Gedichts der dominierenden Lebensmächte, begleiteten und einem neuen, durch den Druck gewonnenen Lesepublikum vorstellten. Aber auch darüber hinaus entdeckt der mit Petrarca vertraute Leser viele oft diskrete Raritäten und Kostbarkeiten, doch auch Bände, deren Schönheit das Auge des Buchliebhabers begeistert.

Der Katalog erschließt nicht nur diese reiche Sammlung, die in Deutschland nicht ihresgleichen hat und auch darüber hinaus nur von wenigen Sammlungen übertroffen werden dürfte. Er ist zugleich ein zweifacher Dialog mit der Petrarca-Philologie und -Geschichte und mit gegenwärtiger Dichtung, die, wohl auch angeregt durch Hubert Burdas mäzenatischen Petrarca-Preis, sich des großen Italieners in Deutschland besonders zu erinnern scheint. Zwei schöne Gedichte Michael Krügers und Durs Grünbeins sprechen dafür. Petrarcas ganze, oft verwirrende Vielseitigkeit aber zeigt sich in den knappen Beiträgen ausgewiesener Petrarca-Kenner, welche die vielfältigen Wege verfolgen, auf denen er dem neuzeitlichen Bewußtsein maßgebliche Anregungen gegeben hat. Gerhard Regn zeigt in seinem einleitenden Aufsatz Petrarca im Zeichen des "Aufbruchs zur Neuzeit" und zum Humanismus. Joachim Küpper erfaßt Petrarcas dramatische Situation zwischen augustinischer Weltverneinung und Weltsucht, wie sie in seiner Bekenntnisschrift, dem "Secretum", am pointiertesten zum Ausdruck kommt. Eckhard Keßler bringt uns den philosophischen Petrarca nahe, Klaus Bergdolt vergegenwärtigt seine heftige polemische Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen empirischen Naturwissenschaft. Achim Aurnhammer verfolgt die streckenweise recht mühselige deutsche poetische Rezeption Petrarcas, Martin Bruns gibt mit sicherer Hand einen Einblick in den kontinuierlichen Dialog zwischen Musik und Petrarcascher Dichtung und erschließt damit eine oft zuwenig beachtete Dimension der Petrarcaschen Lyrik.

Drei durch die Fülle der Anregungen und konkreten Hinweise für das Verständnis Petrarcas und seiner Wirkung besonders hilfreiche Beiträge seien abschließend hervorgehoben. In Bernhard Königs Aufsatz "Petrarca und die Philologie" verfolgen wir, wie der Büchersammler und Liebhaber Petrarca bei seinem Studium mehr und mehr einen spezifischen Sinn für die brüchige Überlieferungskette von den antiken Ursprüngen der Texte zu ihrem gegenwärtigen Zustand gewinnt, aus denen die einstige Gestalt erst wieder zu erschließen ist. An anschaulichen Beispielen werden wir hier Zeuge dieses aufregenden Prozesses, der am Ursprung eines neuen historischen Bewußtseins steht. Peter Amelung geht der Entstehung der großen Petrarca-Sammlungen seit Bembo nach, unter denen heute schon die Sammlung von Reiner Speck neben den unübertroffenen Sammlungen der Stadtbibliothek von Triest und Willard Fiskes im neunzehnten Jahrhundert der Cornell Library vermachter großer Sammlung einen bedeutenden Platz einnimmt. Ein großer Kenner der Verbreitung von Petrarca-Manuskripten in Deutschland schließlich, Agostino Sottili, führt uns in die faszinierende Welt der frühesten Begegnung des deutschen Geistes mit dem großen Italiener und Europäer.

Bleibt nach allem ein verwegener Wunschgedanke: Neben Reiner Specks einzigartiger privater Petrarca-Sammlung gibt es in Köln einen weiteren diskreten Ort des Petrarca-Studiums, der dem Petrarca-Forscher vertraut ist: das Petrarca-Institut, das jeder deutsche Romanist einmal aufgesucht haben muß, wenn er sich irgend mit Petrarca beschäftigt. Welch eine Bereicherung wäre es, wenn einmal die Specksche Biblioteca Petrarchesca als Leihgabe oder schließlich ganz den Forschern des Petrarca-Instituts zugänglich sein würde. Kaum ermeßbar wäre der wissenschaftliche Gewinn, den eine solche Verbindung für die deutsche Petrarca-Forschung erbringen könnte.

KARLHEINZ STIERLE

"Petrarca. 1304-1374". Werk und Wirkung im Spiegel der Biblioteca Petrarchesca. Herausgegeben von Reiner Speck und Florian Neumann. DuMont Buchverlag, Köln 2004. 493 S., geb., 48,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Karlheinz Stierle kann diesen "prächtigen, reichbebilderten Katalog" gar nicht genug würdigen. Zunächst einmal werde hier die einzigartige Petrarca-Samlung von Reiner Speck ohne Fehl und Tadel abgebildet und ebenso gewissenhaft wie gelehrt kommentiert. Der Kern der Sammlung seien Petrarca-Ausgaben, die den Übergang von handgeschriebenen zu gedruckten Büchern dokumentieren. Zugleich werde Petrarca selber als Sammler und dieser als ein neuer Typ des Intellektuellen in der frühesten Neuzeit in den Blickpunkt gerückt. Der Sammler, schreibt Stierle, erschloss Wissensgebiete, "von denen die verwaltete und institutionalisierte Wissenschaft noch nicht Besitz ergriffen hat und wo Neugier, eine Veranlagung zum privaten Studium auf eigenes Risiko und praktische Initiative des Auffindens eine Kohärenz des Wissbaren und Betrachtbaren herstellen, das es ohne das Projekt des Sammlers nicht gegeben hätte". "Ausgewiesene Petrarca-Kenner" steuern ebenso kurze wie einsichtsvolle Texte bei, Michael Krüger und Durs Grünbein warten mit Petrarca-Gedichten auf. Fazit: ein vielfältiger, anregender, schöner Band.

© Perlentaucher Medien GmbH