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Bis in die sechziger Jahre wurden nur Vertreter des 'künstlerischen Terrorismus' (Richard Wagner) als Kulturhelden gefeiert - so besangen Futuristen Bombenexplosionen; Brandvisionen und Zerstörungsorgien wurden zu Bühnenereignissen. Danach verehrten die Kulturgemeinschaften bombenwerfende Kämpfer, die sich ihrer barbarischen Mittel wegen des großartigen Zwecks, der Verbesserung der Welt, bedienten. Seit 20 Jahren untersucht Bazon Brock den Barbaren als modernen Kulturhelden Seine Darstellungen sind umso wichtiger, als täglich an vielen Orten von Nordirland bis Palästina systematisch und…mehr

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Produktbeschreibung
Bis in die sechziger Jahre wurden nur Vertreter des 'künstlerischen Terrorismus' (Richard Wagner) als Kulturhelden gefeiert - so besangen Futuristen Bombenexplosionen; Brandvisionen und Zerstörungsorgien wurden zu Bühnenereignissen. Danach verehrten die Kulturgemeinschaften bombenwerfende Kämpfer, die sich ihrer barbarischen Mittel wegen des großartigen Zwecks, der Verbesserung der Welt, bedienten. Seit 20 Jahren untersucht Bazon Brock den Barbaren als modernen Kulturhelden Seine Darstellungen sind umso wichtiger, als täglich an vielen Orten von Nordirland bis Palästina systematisch und kontinuierlich solche Barbaren in Aktion treten und als Märtyrer ihrer Kulturen gefeiert werden.

Bazon Brock hat im vergangenen Jahrzehnt mit Schriften , Ausstellungen, Filmen, Action Teachings die Barbarisierung in allen Lebensbereichen, in den Künsten und Unterhaltungsgenres aufgespürt. So wie in der Vergangenheit werden sich seine Prognosen wieder als treffsicher erweisen. Der 1986 prognostizierten Herrschaft der 'Gottsucherbanden' und dem Anfang der achtziger Jahre gegeißelten Fundamentalismus in Kunst und Kultur setzt Brock die 'Zivilisierung der Kulturen' entgegen. Seine Ausgrabung Berlins als 'Troja unseres Lebens' stimuliert Kulturbosse zur Nachrede; von der neuronalen Begründung der Ästhetik war bei ihm schon die Rede, als dies heutige Verfechter noch für Blödsinn hielten. Seine Avantgardetheorien und Bestimmungen des Ästhetischen erwiesen sich als nachhaltiger als die der linken und rechten Seilschaftskonkurrenz.
Autorenporträt
Bazon Brock hat in den vergangenen Jahrzehnten mit Schriften, Ausstellungen, Filmen, Action Teachings die Barbarisierung in allen Lebensbereichen, in den Künsten und Unterhaltungsgenres aufgespürt. So wie in der Vergangenheit werden sich seine Prognosen wieder als treffsicher erweisen. Der Anfang der achtziger Jahre prognostizierten Herrschaft der "Gottsucherbanden" und dem Fundamentalismus in Kunst und Kultur setzt Brock die "Zivilisierung der Kulturen" entgegen. Seine Ausgrabung Berlins als "T
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.03.2003

Solange ich hier bin, schwatzt keiner außer mir
Abfall für alle: Bazon Brock redet dem Barbaren die Kultur ein

Das jüngste Buch des Wuppertaler Kunstphilosophen Bazon Brock, dritter Teil einer schon 1977 begonnenen Werkausgabe zu Lebzeiten, zählt einschließlich der Abbildungen 1024 Seiten. Auch bringt das Druckobjekt geschätzte fünf Kilogramm auf die Waage. Verbraucherschützern und Gehaltsästhetikern käme angesichts dieser schweren Konserve, welche die zwischen 1991 und 2002 entstandenen Schriften des stets auch mit Verpackungsfragen beschäftigten Professors für Ästhetik und Kulturvermittlung versammelt, die Frage nach Nettogewicht und Abtropfgewicht in den Sinn. Zuviel Drumherum - so könnte ein naheliegender Anfangsverdacht gegen die durch allerlei Schrifttypen und Schriftgrößen klar als Designerware erkenntliche Arbeitsbiographie lauten.

Doch der 1936 geborene Jürgen Brock, der seinen Taufnamen schon als Gymnasiast ablegte und die griechische Bezeichnung für Schwätzer zum Kriegsnamen erwählte, schichtet die im kommunikativen Dauerfeuer abgefallenen Worthülsen nicht aus Spaß zum künstlichen Müllberg auf. Denn gerade der Widerwillen gegen das Mitschleppen von Ballast, welcher auch Brocks bahnfahrenden Leser beim Einpacken seiner Reiselektüre überkommt, bildet eines der spannendsten Themen der Textsammlung. Schließlich verkörpert der "Barbar als Kulturheld", in keineswegs lobender Ansicht als Titelheld eingesetzt, genau jene Sehnsucht nach reinen Tischen und griffigen Texten, die nach Brock hinter allen Katastrophen des in seinen Augen noch andauernden zwanzigsten Jahrhunderts steht. So erlaubte das Kochgeschirr der deutschen Wehrmacht seinen Besitzern, eine Taschenbuchausgabe von Nietzsches Werken im Blechnapf zu verstauen - die eiserne Ration Kultur war von den Designern des Krieges durchaus eingeplant.

Dem Klischee von der Kulturlosigkeit des Barbaren setzt Bazon Brock die Warnung vor der barbarischen Sprengkraft aller Kulturgüter entgegen. Denn gerade die Einsilbigkeit, welche der lautmalerische Begriff des Barbaren versinnbildlicht, kennzeichnet die Sprache jener Kulturkämpfe, in welchen seit dem neunzehnten Jahrhundert beliebige Gruppen ihre Identität gegen andere Identitäten verteidigen. Ein und derselbe Fanatismus der Wahrheit schweißt nach Brock sämtliche Kulturgemeinschaften zwischen Baskenland und Albanien zu Kalifatstaaten und alle Künstlervereinigungen zwischen Bayreuth und Nirvana zu Kampfbünden zusammen. Unter diesem Blickwinkel bildet jedes avantgardistische Manifest, das zu Taten statt Worten aufruft, eine Vorlage für die Fernsehansprachen bärtiger Terroristenführer.

Gegen die aufputschenden Leitmotive einer Kultur, die weniger ein eigensinniges Funktionssystem darstellt als einen Selbstbedienungsladen für Tatmotive, beschwört Bazon Brock die Folgenlosigkeit der Kultur als Hauptziel aller Zivilisation. Und gegen den von Künstlern und Gewaltherrschern geteilten Traum von der Auslöschung als Bedingung für neue Schöpfungsakte setzt Brock aufs Prinzip der Akkumulation - nicht nur durch das Abhalten von rund eintausendsechshundert Actionteachings und die Ausbildung von stolzen fünfundzwanzig Professoren, sondern auch durch die höchstpersönliche Einführung des zum jährlichen Gedenken an den größten Helden von James Joyce wiederkehrenden Bloomsdays.

Brocks innigstes Bekenntnis gilt dem abgebrochenen Projekt der Enzyklopädisten, dessen Glanz noch auf sein durchgängiges Plädoyer für die Speicherung und Vermehrung von Zeit durch Museen, Videorecorder oder das deutsche Rentensystem abstrahlt. Fast mutet Brocks Alterswerk mit seinen im Fettdruck herausgehobenen Passagen selbst wie ein Toposbüchlein oder ein lebenskluger Erfahrungsschatz an, oft in der Grauzone zwischen zündenden Pointen und Kalendersprüchen: "Nie empfinden wir die Sehnsucht nach der heilen Welt stärker als zwischen Trümmern oder vor dem Scheidungsrichter." Tatsächlich nimmt der Autor zu jedem erdenklichen Thema Stellung - ob zur Staatsverschuldung ("politische Entscheidungen der kommenden Generation praktisch unmöglich"), zum papierfreien Büro ("blieb eine Illusion") oder zur Stromerzeugung durch Windkraft ("größte Landschaftszerstörung aller Zeiten"). Zu den Schmankerln des Bandes zählt ein unveröffentlichter Kurzbeitrag für die "Bild"-Zeitung aus dem September 1999, wo Brock seinen Kollegen Peter Sloterdijk gegen den Faschismusverdacht in Schutz nimmt. Mit Deutschlands größtem Boulevardblatt teilt der Erfinder des Literaturblechs zumindest eine Vorliebe für gefettete Wörter und klare Meinungen.

Auf die Rolle eines Taxifahrers der Kunsttheorie legt es Brock, der seine Anliegen stets mit vollem Ernst und oft mit bestechenden Gründen vorbringt, geradezu an. Tatsächlich zöge er den Ehrentitel des Maulhelden dem Berufsbild des schaffenswütigen Kulturheroen wohl jederzeit vor. Denn die allgegenwärtige Präambel zu Brocks ästhetischer Verfassung besteht in einer Unterlassungserklärung. Sein Feindbild ist die Figur des in höherem Auftrag handelnden Täters, dessen Umriß er selbst in den Trainern, Therapeuten und Moderatoren der Postmoderne wiedererkennt.

Vor diesem Hintergrund leuchtet Brocks biographischer Wille zur Provinz ein, bekundet in einer "Litanei für Wuppertaler" aus Anlaß der Ehrenpromotion von Rudolf Augstein am Fachbereich 5 der Bergischen Universität. Von Blankenese bis hinter Wuppertal reicht jener durch Massenmedien und Happenings entgiftete Boden des Alltags, auf dem Brock - den eine Visitenkarte von 1959 als "Beweger" und "Animator" ausweist - wohl allenfalls in Filzpantoffeln eine Polonaise mit dem jungen Studentenvolk veranstalten würde, welches auf zahlreichen Fotografien herumlungert.

Überhaupt taugt der Dämmstoff Filz bei Brock, anders als in der Sozialplastik seines einstigen Weggefährten Beuys, zur Verkörperung eines erstrebenswerten Pantoffelheldentums, wie auch der Filz der Bürokratie beim Aufhalten von Entscheidungen gute Dienste leistet. Jene von Brock verfochtene zweite Säkularisierung, welche die Hitze der Kulturen zur weltweiten Zivilisation herunterkühlt, kommt nicht mehr in Gestalt des bewunderten Strategen Napoleon dahergeritten, sondern auf den leisen Sohlen der Globalisierung angeschlichen. Als Zögling eines nach Kaiser Karl benannten Gymnasiums in Itzehoe hält Brock, nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst zwei Jahre in dänischer Internierung, allein der Durchsetzung eines weltweiten Fortschritts die Stange. Selbst seine sonderbare Leidenschaft für den kalten Krieger Ronald Reagan zielt aufs Kommunikationstalent dieses Westernhelden, der eben nur auf der Leinwand den Abzug betätigte. Nur scheinbar wie der Maler Hitler ein zur Macht gelangter Künstler, verkörpert wohl gerade Reagan jene ästhetische Differenz zwischen den Sphären Kultur und Wirklichkeit, deren Überschreitung Bazon Brock im Stil eines Weltbürgermeisters untersagt.

Gleichwohl zeichnet Brock das Verbotsschild mit seinem Künstlernamen, dem Namen des Schwätzers. Denn genau die Rolle des Alleinverantwortlichen, der keine Echtheitszertifikate benötigt, soll der Künstler übernehmen. Seinerseits begnadeter Kulturmensch, treibt Brock seit vier Jahrzehnten Kulturdämonen aus: Dieser Grundwiderspruch bildet zugleich die Kraftquelle und die Bruchstelle dieses in seiner Wucht beeindruckenden Gesamtwerks. Obwohl er sich selbst höchstens als Reinhold Messner der Ästhetik mit Basislager am Fuß des Olymps versteht, nimmt Bazon Brock als unbewegter Beweger wieder die Allgewalt der Kunst in Anspruch. Sein oft ungerechter Bannstrahl, der Zeitgenossen wie Rainald Goetz als Schwätzer brandmarkt, stellt jede Barbarenkeule in den Schatten. Wer gegen den Terror kämpft, endet nicht selten als Terrorist - doch der alte Stratege Bazon Brock ist vermutlich der letzte, der dieses Memento braucht.

ANDREAS ROSENFELDER

Bazon Brock: "Der Barbar als Kulturheld". Wie man wird, was man nicht ist. Für eine Ästhetik des Unterlassens. Gesammelte Schriften III, 1992-2002. Dumont Verlag, Köln 2002. 1024 S., Abb., geb., 48,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die etwas irritierte Rezensentin Claudia Lanfranconi schickt voraus, dass Brocks Künstlervorname Bazon auf Griechisch schlicht und ergreifend "Schwätzer" heißt. Dies wird knapp, aber deftig kommentiert: "Der Name ist Programm." In der Tat habe sich Brock in den letzten Jahrzehnten als "polemisierendes Rumpelstilzchen" der Kunstszene erwiesen. Die nun in einem tausendseitigen "bibelformatigen" Band zusammengetragenen Texte, die aus den Jahren 1991 bis 2002 stammen, stellen, so Lanfranconi, ein Manifest gegen die Kunstauffassung dar, für die es allein auf das im Betrachter hervorgerufene Empfinden ankommt. Für Brock hingegen sei Kunst letztendlich das, was durch seinen "Gestaltungsanspruch" die "Aufmerksamkeit" errege. Zwischen diesen zwei Polen, den "Wahrnehmungsmechanismen der bürgerlichen Gesellschaft" und den "Arbeitsbedingungen des modernen Künstlers" bewegen sich Brocks "philosophisch-politischen Exkurse", in denen die Rezensentin immer wieder ein und dieselbe Gedankenmethodik herausliest, nämlich "politische und soziale Phänomene" an den Pranger zu stellen, um sie dann "auf künstlerische Strategien der Moderne zu übertragen". Angesichts der "Fülle der Themen", an denen sich Brock zu "philosophischen Höhenflügen und Aussagen über den Stand der Kultur im 20. Jahrhundert X" emporschwingt, empfiehlt die Rezensentin diesen "als Telefonbuch aufgemachten" Band wie ein "Nachschlagwerk zur Kulturgeschichte" zu lesen.

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