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Einen eigenartigen Beruf habe Carl Hagenbeck gehabt, schrieb ein Zeitgenosse. 1844 als Sohn eines Hamburger Fischhändlers geboren, erwies sichder junge Carl schon bald als geschäftstüchtiger Partner im väterlichen Unternehmen. Aus dem Fisch-handel wurde eine Handlungsmenagerie , dannein Thierpark mit Sitz in St. Pauli. Von dort aus steuerte Hagenbeck seine internationalen Aktivitäten als Tierhändler, als Initiator von Völkerschauen, als Dompteur und Zirkusdirektor. Der weitgereiste Autodidakt war vielsprachig und weltgewandt, sein aus der Praxis gewonnenes zoologisches Wissen imponierte selbst…mehr

Produktbeschreibung
Einen eigenartigen Beruf habe Carl Hagenbeck gehabt, schrieb ein Zeitgenosse. 1844 als Sohn eines Hamburger Fischhändlers geboren, erwies sichder junge Carl schon bald als geschäftstüchtiger Partner im väterlichen Unternehmen. Aus dem Fisch-handel wurde eine Handlungsmenagerie , dannein Thierpark mit Sitz in St. Pauli. Von dort aus steuerte Hagenbeck seine internationalen Aktivitäten als Tierhändler, als Initiator von Völkerschauen, als Dompteur und Zirkusdirektor. Der weitgereiste Autodidakt war vielsprachig und weltgewandt, sein aus der Praxis gewonnenes zoologisches Wissen imponierte selbst Fachleuten. Er sprühte vor Ideen und verstand es, Menschen dafür zu gewinnen. Seinen Traum von einem Tierparadies , in dem die Tiere freier und natürlicher als in den bis dahin üblichen Menagerien und zoologischen Gärten gehalten werden sollten, verwirklichte er 1907 mit der Gründung von Hagenbecks Tierpark in Stellingen. Als er 1913 starb, war er weltberühmt. Besonders stolz machten ihn die Auszeichnungen, die er aus der Hand Kaiser Wilhelms II. erhalten hatte.Dieses Buch schildert einen ungewöhnlichen Lebensweg, der zugleich typisch für die Gründerzeit des 19. Jahrhunderts war.
Autorenporträt
Haug von Kuenheim wurde 1934 in Königsberg/Ostpreußen geboren und arbeitete über Jahrzehnte verantwortlich in der Zeitung "Die Zeit".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.05.2007

Die Schaulust am Tier
Selfmademan und Illusionist: Haug von Kuenheim berichtet von Leben und Wirken des Carl Hagenbeck
Als heute vor hundert Jahren, am 7. Mai 1907 in Stellingen bei Hamburg Carl Hagenbecks Tierpark eröffnet wurde, hatte der Sohn eines Fischhändlers auf St. Pauli nicht nur den Zenit seines weltweiten Wirkens als Tierhändler, Zirkusorganisator, Dompteur, Schausteller und Geschäftsmann erreicht, sondern seiner Lebensleistung ein gewaltiges Denkmal gesetzt. Genauer besehen ist dieses bis heute weltberühmte„Tierparadies” nichts anderes als die Bühne einer auf romantische Schauwerte hin inszenierten Scheinnatur mit allerdings vitalen Darstellern, den Tieren.
Um Hagenbeck gleich in Schutz zu nehmen vor Anwürfen fundamentalistischer Zoogegner: Die Lust am Betrachten von Tieren, ob zahmen oder wilden, wobei bei letzteren der erotische Reiz des Ungezähmten, Gefährlichen entschieden höher ist, führt bis in die frühe Menschheitsgeschichte. Pharaonen und Kaiser, Könige und Mächtige hielten sich gerne Tiere, die als Abbild ihrer eigenen Macht und Pracht dienen konnten. Löwen und Tiger, Leoparden und Adler symbolisierten in ihrer immer eindrucksvollen Gestalt zentrale Attribute von Herrschaft: Mut, Kühnheit, Kraft, Geschmeidigkeit, Scharfblick und wenn nötig, tödlichen Zugriff. Auf der anders Seite flöteten und trillerten Singvögel seit alters als lebendes Inventar in Serails und Boudoirs, später auch in bürgerlichen Stuben deren Bewohnern angenehme Töne ins Ohr.
Haug von Kuenheim beschreibt in seiner Biographie des Carl Hagenbeck einen Mann, bei dem sich Tatkraft, Entscheidungsfreudigkeit und ein ebenso romantischer wie praktisch-ökonomischer Sinn für das Abenteuerliche und seine Vermarktung glücklich trafen und ihn zum Prototyp eines Selfmademan der Gründerzeit machten. Gewiss beschleichen einen Bitterkeit, sogar Wut, wenn Kuenheim berichtet, wie Hagenbeck Tiertransporte aus Afrika, Asien und Amerika organisierte, bei denen manchmal mehr als die Hälfte der brutal gefangenen Lebewesen umkam. Um an Jungtiere heranzukommen, wurden die Mütter meist erschossen. Danach warteten Kisten und Käfige auf die Gefangenen. Sie wurden in Laderäume verstaut, zuerst auf St. Paulis Spielbudenplatz später am Pferdemarkt der Firma Hagenbeck untergebracht. Von dort wurden sie weiter verhökert, denn sonst, da war Hagenbeck ganz kühler Kaufmann, stellten sie nur „fressendes Kapital” dar. Hagenbeck errichtete nicht nur ein globales Imperium des Tierhandels für die überall aus dem Boden schießenden Zoos, sondern er kümmerte sich auch um die Präsentation und Animation für ein zahlendes Publikum.
So entwickelte er mit seinen Söhnen und Mitarbeitern das Konzept der Völkerschauen. Nicht nur bis dahin nie gesehene Tiere wie Ameisenbären und Zwergflusspferde, sondern auch Schwarzafrikaner, Lappländer, Beduinen, Singhalesen, Eskimos und Sioux-Indianer holte Hagenbeck in seinen Tierpark. Nun konnte der sich selbst als zivilisiert und damit überlegen verstehende Europäer den „Wilden” zusehen bei ihren liebenswert „primitiven” Verrichtungen.
Schuf Buffalo Bill mit seinen Wildwest Shows jenen Reigen archetypischer Bilder von der Eroberung des amerikanischen Westens, die bis heute in europäischen wie amerikanischen Köpfen leben, so illustrierten Hagenbecks Tier- und Völkerschauen gleichsam jene Phantasiewelten, wie sie etwa Karl Mays Einbildungskraft entsprangen. Nebenbei dokumentierten Hagenbecks Inszenierungen angeblicher Echtheit jenen Geist des Kolonialismus, in dem Eingeborene mit ihren Kostümen, Masken, Tänzen und Ritualen nur mehr als folkloristische Angebinde jener Länder angesehen wurden, die es ansonsten auszubeuten galt.
Es ehrt Hagenbeck, dass er bei allem Profitstreben ahnte, dass den Tieren bei der rücksichtslosen Kolonialisierung endgültiges Verschwinden drohte. Also träumte er, ganz Illusionist, davon, in Florida ein Tierparadies aufzumachen, in das er gefährdete Arten gleichsam umsiedeln konnte, so dass sie sich dort wieder fortpflanzten und so vorm Aussterben gerettet würden.
Theodor W. Adorno hat in den „Minima Moralia” den Tierpark à la Hagenbeck, wie er sich in Stellingen darbietet und nach einigem Widerstand weltweit zum Prinzip zoologischer Gärten wurde, attackiert: „ Kein Segen auch ist an den Hagenbeck’schen Anlagen mit Gräben und ohne Gitter, welche die Arche verraten, indem sie die Rettung vortäuschen, die erst der Ararat verheißt.” Gut gebrüllt, Löwe, aber in einem Punkt hatte Carl Hagenbeck recht, für das echte Tier gibt es keinen Ersatz. Auch der schönste Bildband, die eindringlichste Filmdokumentation kann nicht jenen Moment ersetzen, wenn man selbst dem Löwen oder Tiger gegenübersteht. Verniedlichungen à la Knut mögen sentimentaler Kitsch sein, aber dass Eisbären keine Trickanimation sind, können Zoos vermitteln, die heute trotz aller problematischen Schaulustaspekte auch Forschungsinstitute sein können. Wissenschaftlichkeit wollte auch Carl Hagenbeck in seinen so lukrativen Inszenierungen und Präsentationen sehen. Immerhin hat er es durch neu entdeckte Tiere zu etlichen Einträgen ins Linné’sche Ordnungssystem der Tierwelt gebracht. Am Ende liest sich die Geschichte dieses sicher charismatischen Mannes aus St. Pauli auch als Bericht aus jener Zeit, als Hagenbeck und andere meinten, alles sei machbar und nur eine Frage von Unternehmergeist und Geld.
HARALD EGGEBRECHT
HAUG VON KUENHEIM: Carl Hagenbeck. Ellert & Richter Verlag Hamburg 2007, 216 Seiten, 14, 90 Euro.
7. Mai 1907: Hagenbecks Tierpark wird in Stellingen eröffnet (oben). Hagenbecks patentiertes Eismeerpanorama auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896. (unten) Abb.: Aus dem besprochenen Band
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.05.2007

Vom Fischhändler zum Impressario
Zum hundertsten Geburtstag des Hamburger Tierparks: die Biographie des Gründers Carl Hagenbeck

Wer ist Carl Hagenbeck? Diese Frage stellte vor fast hundert Jahren eine in Berlin verteilte Satireschrift. Ein Autor mit dem Pseudonym Prof. Dr. Immerschlauer antwortete: "Ein großes Tier". Damit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Der über siebzig Jahre alte Carl Hagenbeck war in der Tat ein großes Tier - vielleicht das größte in der langen Reihe von Tieren, die er seit Jahrzehnten nach Europa gebracht hatte.

Spätestens nach der Gründung seines berühmten Tierparks in Hamburg-Stellingen im Jahr 1907 war er im ganzen Deutschen Reich ein Begriff. Zufrieden war er nie. Bereits schwer krank fasste er noch den Plan, einen weiteren Tierpark in Berlin zu errichten, ein Vorhaben, das nicht nur an den finanziellen Bedingungen scheiterte, sondern auch am Widerstand Ludwig Hecks, dem Direktor des Berliner Zoologischen Gartens. Heck fürchtete die Konkurrenz des schlauen Unternehmers, wie Haug von Kuenheims neues Buch "Carl Hagenbeck" berichtet. Zum hundertjährigen Jubiläum des Tierparks ehrt es einen Hamburger Bürger, dessen Namen auch heute noch fast jedes Kind kennt. Erzählt werden zugleich lesenswerte Geschichten, an die sich heute wohl kaum noch jemand erinnert.

Dazu gehören vor allem die Anfänge von Hagenbecks Karriere auf St. Pauli. Als Sohn eines Fischhändlers lernte er schon als Kind, was das Händlerdasein bedeutete: viel Mühe und Arbeit und ein gutes Gefühl für Geschäfte und Menschen. Die entscheidende Wendung nahm das Unternehmen des Vaters mit den legendären sechs lebendigen Seehunden, die der Geschäftsmann im Jahr 1848 gegen Geld dem Hamburger und Berliner Publikum vorführte. "Carl Hagenbeck, der Vater, wusste nun: Man kann Geld verdienen, indem man den Leuten Tiere zeigt", konstatiert von Kuenheim. Und als der Alte einen Abnehmer für die Tiere fand, erfuhr er: "Man kann Geld verdienen, wenn man Tiere verkauft." Die Episode gilt als Beginn des Tierhandels in der Dynastie Hagenbeck.

Carl Hagenbeck junior ging bereits als Junge mit dem Vater auf Reisen und verfolgte, wie man Tiere erhandelte, sie als "fressendes Kapital" hielt und gewinnbringend wieder verkaufte. 1866 übergab ihm der Vater die alleinige Verantwortung für das Geschäft. Der Sohn, den der Autor als fleißig, risikofreudig, streng, aber zugleich großzügig und herzlich beschreibt, entwickelte immer neue Ideen und schloss Verträge mit bekannten Weltreisenden, die exklusiv für ihn Tiere beschafften. Die abenteuerlichsten Episoden verdankt das Buch jenen Ereignissen, die sich zwischen dem Einkauf und dem Wiederverkauf der Tiere zutrugen: Als die in Wien eingekauften Elefanten an Darmkrämpfen litten, ließ Hagenbeck den Waggon in Nürnberg abkoppeln, führte die Tiere zwei Stunden herum, bis sie sich entleert hatten, und verabreichte ihnen für die Weiterreise einen Grog aus Rum und Zucker.

Es war auch Hagenbeck, der die Idee hatte, seine Tiertransporte von Menschen aus der entsprechenden Region begleiten zu lassen. Was 1874 mit einer Gruppe von Lappländern und ihren Rentieren begann, sollte sich über Jahrzehnte in den Hagenbeckschen Völkerschauen fortsetzen - Präsentationen von Menschen aus zahlreichen fernen Ländern. Anders als etwa die amerikanischen Konkurrenten P. T. Barnum und Buffalo Bill setzte Hagenbeck bei diesen Vorführungen nicht nur auf Sensationseffekte, sondern versuchte, die Menschen im alltäglichen Zusammenspiel mit ihren Tieren zu zeigen. Das Unternehmen hatte folgenreiche Schattenseiten: Viele der meist für wenig Geld beschäftigten Darsteller erkrankten wegen des europäischen Klimas oder der ungewohnten Ernährung, nicht wenige litten unter Heimweh. Die schlimmste Serie von Todesfällen musste Hagenbeck bei einer 1880/81 gezeigten Gruppe von "Eskimos" aus Labrador verzeichnen: Einer nach dem anderen starb an den Pocken, da man die Impfung vergessen hatte. Von Kuenheim referiert Hagenbecks Äußerungen, nach denen der Unternehmer von den Unglücksfällen zutiefst betroffen war; er rechtfertigt die baldige Fortsetzung der Spektakel jedoch mit dem profanen und bekannten Argument, Hagenbeck sei auf "das lukrative Geschäft mit den Völkerschauen" angewiesen gewesen. Auch von einem Jubiläumsbuch hätte man an dieser Stelle eine differenziertere Befragung der Geschichte erwartet.

Zu den Stärken des Buches gehört jedoch, die heute längst vergessenen Probleme aufzurollen, mit denen der berühmte Tierpark in den Anfangsjahren zu kämpfen hatte. Ab 1907 zeigte Hagenbeck seine Völkerschauen im Stellinger Tierpark, wo er aufwendige Kulissen errichten ließ. Hier vereinten sich Tierhandel, Tierausstellungen, Tierpanoramen, Zirkusvorführungen und Völkerschauen in einem Tierpark, der sich von anderen Zoologischen Gärten durch seine weitläufigen Gehege und das weitgehende Fehlen von Gittern auszeichnete. Die Besucher wurden durch Brüstungen und Wassergräben von den wilden Tieren getrennt, die frei herumzulaufen schienen. Diese Innovationen, die bald ungeheure Publikumsscharen anzogen, bedrohten die etablierten Zoos. Die amtierenden Direktoren qualifizierten Hagenbeck als unwissenschaftlich ab und boykottierten sogar seinen Tierhandel.

Der Erfolg gab Hagenbeck recht. Sein neues Modell des Tierparks wurde in ganz Europa zum Vorbild.

BRITTA LANGE

Haug von Kuenheim: "Carl Hagenbeck". Ellert & Richter Verlag. Hamburg 2007. 216 S., Abb., geb., 14,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Zum Geburtstag von Hagenbecks Tierpark vor hundert Jahren will Harald Eggebrecht auf den Gründer Carl Hagenbeck nichts kommen lassen. Die Lust am Tieregucken sei schließlich uralt. "Bitterkeit, sogar Wut" angesichts der von Haug von Kuenheim berichteten Tierschinderei schluckt Eggebrecht herunter und bewundert an Hagenbeck lieber den "Prototyp eines Selfmademan", der die Bedeutung des Artenschutzes durchaus erkannte. Hagenbecks in diesem Band vorgestellte Visionen von Tierparadiesen hingegen lassen Eggebrecht die Grenzen von Unternehmergeist und Geld gut erkennen.

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