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Die große Biographie des Staatsgründers David Ben Gurion
Er ist eine der großen politischen Gestalten des 20. Jahrhunderts: David Grün, geboren 1886 im Russischen Reich, der sich seit seiner Ankunft in Palästina 1906 Ben Gurion nannte. Schon früh engagierte er sich für den Zionismus und die Unabhängigkeit eines jüdischen Staates in Palästina. Als er 1948 schließlich den neuen Staat ausrief, setzte er die Interessen Israels um jeden Preis durch, nicht zuletzt auf Kosten der Palästinenser, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Der international renommierte Journalist und Bestsellerautor Tom…mehr

Produktbeschreibung
Die große Biographie des Staatsgründers David Ben Gurion

Er ist eine der großen politischen Gestalten des 20. Jahrhunderts: David Grün, geboren 1886 im Russischen Reich, der sich seit seiner Ankunft in Palästina 1906 Ben Gurion nannte. Schon früh engagierte er sich für den Zionismus und die Unabhängigkeit eines jüdischen Staates in Palästina. Als er 1948 schließlich den neuen Staat ausrief, setzte er die Interessen Israels um jeden Preis durch, nicht zuletzt auf Kosten der Palästinenser, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Der international renommierte Journalist und Bestsellerautor Tom Segev (»Die siebte Million«) widmet sich in seiner großen Biographie dem Leben und Wirken des Gründers des Staates, der aus Palästina hervorgegangen ist - und erzählt zugleich eine Weltgeschichte Israels im 20. Jahrhundert.

Ausstattung: mit 27 Schwarz-Weiß-Abbildungen
Autorenporträt
Tom Segev, geboren 1945 in Jerusalem, ist Historiker und einer der bekanntesten Journalisten Israels, dessen Bücher alle weltweit große Beachtung finden. In Deutschland wurde er durch sein Buch »Die siebte Million. Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung« (1995) bekannt. Für »Es war einmal ein Palästina« (2005) wurde er mit dem National Jewish Book Award ausgezeichnet. Zuletzt erschienen von ihm bei Siedler »Die ersten Israelis. Die Anfänge des jüdischen Staates« (2008) und »Simon Wiesenthal« (2010). Segev lebt in Jerusalem.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.04.2018

In mildem Licht
Der Historiker Tom Segev legt eine neue Ben-Gurion-Biografie vor – und rückt von seinen einstigen scharfen Urteilen ab
Auf einer Reise durch das kriegszerstörte Bayern im Oktober 1945 warb David Ben Gurion für einen grandiosen Plan. Alle jüdischen Displaced Persons, also Holocaust-Überlebende und Flüchtlinge, sollte man in Bayern zusammenziehen, so schlug er den Amerikanern vor. Man solle sie in Dörfern unterbringen, deren deutsche Bewohner man vorher wegbringen würde. Sie sollten dort landwirtschaftlichen und paramilitärischen Unterricht erhalten, bis sie nach Palästina ausreisen dürften. Seinen zionistischen Parteikollegen in der Heimat berichtete Ben Gurion, er habe General Eisenhower praktisch vorgeschlagen, in Bayern einen jüdischen Staat zu gründen. Das sei „eine neue Idee“, antwortete der verdutzte US-General. Er verwarf den Vorschlag sofort.
Für die Holocaust-Überlebenden hatte Ben Gurion gleichzeitig wenig Geduld: „Die an ihn herankamen, versuchten ihm von ihren grauenhaften Erlebnissen zu berichten“, beschreibt der israelische Historiker Tom Segev verkrampfte Begegnungen, „Ben Gurion konnte kein väterliches Mitgefühl aufbringen.“ Selbst als er seinen Cousin aus Łódź wiedererkannte, der in Buchenwald und Auschwitz war, blieb Ben Gurion distanziert. Der Cousin gab ihm Bittbriefe auf Jiddisch mit; der Besucher aus Palästina lästerte über die „das Ohr beleidigende“ jiddische Sprache der Diaspora.
Die Biografie Ben Gurions, die Segev jetzt vorlegt, kommt pünktlich zu einem Jahrestag. Vor 70 Jahren hat David Ben Gurion den Staat Israel ausgerufen, „nach einer dreißig Jahre währenden Entwicklung, beginnend mit der Entscheidung der Briten, die zionistische Bewegung bei der Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina zu unterstützen“, wie Segev schreibt. Ben Gurion lenkte diese Entwicklung über die Dauer einer Generation, besonders in den letzten zehn Jahren vor der Unabhängigkeit.
Die Biografie kommt aber auch zu einer Zeit, da Ben Gurion in Israel so populär zu sein scheint wie nie. Allein in den vergangenen fünf Jahren sind fünf neue Biografien erschienen. Fragt man den Autor Segev, woran das liegt, antwortet er mit einem Wort: Netanjahu! Je mehr Israelis heute angewidert seien von dessen unerbittlichem Stil, umso rosiger leuchte in der Erinnerung Ben Gurion. Der versöhnliche Opa, ein Maskottchen der Linken.
Für solche Nostalgie taugt die Figur Ben Gurion in Wahrheit nur bedingt. David Grün, geboren 1886 in Polen als Sohn des Rechtsberaters Viktor Grün, hatte das Grauen des Pogroms von 1903 in Kischinew verinnerlicht. Anders als die meisten seiner jüdischen Zeitgenossen hatte er aus den Erfahrungen aber nicht die Konsequenz gezogen, sich weiter für die Emanzipation der Juden als Bürger einzusetzen. Er war schon als Jugendlicher fortgegangen ins damals osmanische Palästina, hatte seinen alten Nachnamen abgelegt wie eine peinliche Erinnerung und sein Leben dem Zionismus gewidmet, also dem Plan, einen Ort zu erbauen, an dem Juden nicht mehr von einer nichtjüdischen Mehrheit zertrampelt werden könnten.
Die Kaltschnäuzigkeit der zionistischen „Pioniere“ um Ben Gurion gegenüber den Juden, die in ihrer europäischen Heimat zurückgeblieben waren, ist schon oft kritisiert worden, besonders von Segev, der lange für die linke Tageszeitung Haaretz schrieb. In seiner Biografie Ben Gurions nun setzt er die Figur des israelischen Staatsgründers trotzdem in ein milderes Licht. Er zitiert Ben Gurion zwar wieder mit unsensiblen Sätzen. „Der enorme Druck, der jetzt auf den Juden in der Diaspora lastet, schwemmt Möglichkeiten in einer nie gekannten Fülle ins Land“, sagte Ben Gurion in Tel Aviv, als die Nazis schon zu morden begonnen hatten; so als sehe er auch eine gute Nachricht darin. „Ich sehe keinerlei Hindernis für eine Masseneinwanderung von Zehn- oder Hunderttausenden in den nächsten Jahren.“
Aber angesichts der eigenen Ängste, die Ben Gurion verbarg oder überspielte, bringt der Autor Segev auch mehr Verständnis auf als früher. Während eines London-Besuchs in der Zeit der deutschen Luftangriffe habe Ben Gurion geprahlt, dass er den Kanonendonner der britischen Flugabwehrgeschosse genieße und sich sogar weigere, sich in einem Keller zu verkriechen. Die Hausgehilfin berichtete gleichzeitig, Ben Gurion schreibe viel in der Küche, und die Küche lag im Keller. „Sein Verhalten gegenüber den Holocaust-Überlebenden“, so resümiert Autor Tom Segev, „sollte vielleicht kaschieren, dass er ihnen kaum in die Augen schauen konnte; er wollte seine Machtlosigkeit zur Zeit des Holocaust verdrängen, und sie waren deren Zeugen.“
Die Ausführlichkeit, mit der Segev die Haltung analysiert, aus der heraus Israel gegründet wurde, anhand einer Fülle persönlicher Dokumente, von denen viele erst in jüngerer Zeit zugänglich geworden sind, ist der Wert dieser Biografie; auch wenn sie sonst kaum neue Fakten enthält. Lange vor der Staatsgründung forderten einige Zionisten, man solle darauf hinwirken, dass die Araber Hebräisch und die Juden Arabisch lernten. Ben Gurion, der etwas Arabisch konnte, antwortete sarkastisch: Er wisse nicht, warum er Arabisch lernen sollte, und seinetwegen brauche „Mustafa“ auch kein Hebräisch zu können. Praktisch sei es ihm egal, ob der jüdische Bauer, der den arabischen Arbeiter ausbeute, Arabisch könne, oder ob der Araber, der den Juden umbringe, Hebräisch spreche. Die Araber würden jedenfalls auch dann nicht zugestehen, dass Palästina den Juden gehören sollte, wenn diese Arabisch lernten.
Die Briten, die 1917 die Herrschaft über Palästina von den Osmanen übernommen hatten, sahen schließlich 1948 ein, dass mit einem gedeihlichen Zusammenleben von Juden und Arabern nicht zu rechnen sei. Sie beschlossen, ihr „Mandatsgebiet“ westlich des Jordans in zwei Hälften zu teilen. Ben Gurion war begeistert, zugleich aber kam ihm nicht in den Sinn, sich mit den Grenzen des UN-Plans von 1948 langfristig zufriedenzugeben: „Ein jüdischer Teilstaat ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang“, sagte er seinem Sohn Amos.
Es war nicht Mitleid mit den Opfern des Holocaust gewesen, das die Briten dazu bewegt hatte, Juden und Araber in die Unabhängigkeit zu entlassen – das zu verdeutlichen, ist dem Autor Segev vielleicht das größte Anliegen. Mitleid habe die Briten nie geleitet, auf Mitleid konnten die Juden sich weder vor noch nach 1945 verlassen. Schon lange hätten die Briten erkannt gehabt, dass diese Kolonie wirtschaftlich fast wertlos war, am Ende hätten innenpolitische Spannungen ihnen die Freude an ihrer Herrschaft ganz vergällt. Dazu trugen auch Terroranschläge diverser jüdischer Gruppen wie des Irgun bei, die David Ben Gurion als Zionistenführer offiziell verurteilte, inoffiziell jedoch duldete.
RONEN STEINKE
„Ein jüdischer Teilstaat
ist nicht das Ende,
sondern erst der Anfang.“
Tom Segev:
David Ben Gurion. Ein Staat um jeden Preis. Übersetzt von Ruth Achlama.
Siedler-Verlag München 2018, 800 Seiten, 35 Euro.
E-Book: 29,99 Euro.
Premierminister in Badehose: David Ben Gurion im Kopfstand am Strand. Daneben sein skeptisch blickender Leibwächter. Der Fotograf Paul Goldman machte die berühmt gewordene Aufnahme im Jahr 1957.
Foto: Paul Goldman, © Sammlung Spencer M. Partrich
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.09.2018

Lebensweg eines einsamen Mannes
Eine neue Biographie über David Ben Gurion, den ersten Ministerpräsidenten Israels

David Ben Gurion war einer der einflussreichsten Politiker des zionistischen Projekts. Er lenkte die Phase der Institutionengründung unter britischer Mandatsherrschaft, rief am 14. Mai 1948 den Staat Israel aus und prägte dann als Ministerpräsident bis zu seinem endgültigen Rücktritt 1963 die Geschicke des Landes. Der Publizist und Historiker Tom Segev hat nun eine neue, 700 Seiten starke Biographie über den "Alten" vorgelegt, wie Ben Gurion im israelischen Volksmund genannt wird. Die letzte maßgebliche Ben-Gurion-Biographie von Anita Shapira ist zwar noch jüngeren Datums (2014), konzentriert sich allerdings mehr auf die Jahre nach der Staatsgründung, während Segev sich bewusst der Jugend und dem jugendlichen Erwachsenenalter Ben Gurions widmet.

Dabei ist Segevs gewählter Untertitel "Ein Staat um jeden Preis" die These: Dem polnischen Juden, der seinen Geburtsnamen David Grün nach seiner Einwanderung in das osmanische Palästina 1903 zu David Ben Gurion hebraisieren sollte, wirft Segev vor, er habe sich zeitlebens mehr um seine idealistischen Ziele als um die Menschen gekümmert. Damit greift er einerseits erneut seine These aus seinem 1995 erschienenen Buch "Die siebte Million. Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung" auf, für Ben Gurion habe die Rettung der im Europa der vierziger Jahre eingeschlossenen Juden nicht höchste Priorität gehabt, da sie seiner Ansicht nach kein taugliches "Menschenmaterial" für die mentalen und körperlichen Erfordernisse des Staatsaufbaus boten. Diese in Israel damals kontrovers diskutierte These spinnt er nun weiter, indem er auf Basis zahlreicher Briefe und Tagebücher darlegt, wie Ben Gurion auch ihm nahestehende Menschen seiner Arbeit und seinem Streben unterordnete.

Ausführlich schildert Segev die Gefühle und das Leben David Grüns und seiner gleichaltrigen Zeitgenossen im polnischen Städtchen Plonsk. Hier erscheint der spätere Politiker als Außenseiter, als einer, der versuchte, geschätzt und geliebt zu werden, dazuzugehören. Enttäuschte frühe Liebe, Verzweiflung über den frühen Tod der Mutter, Unklarheit über die eigenen Talente und eine ungewisse Zukunft plagten ihn. Die zionistische Bewegung erscheint in seiner quälenden Jugendzeit nur als ein möglicher Ausweg aus der Misere - und nicht als das über allem schwebende Ziel, als welches Ben Gurion es viel später zu verkaufen suchte: "Als Kind von drei Jahren wusste ich, dass ich nicht an meinem Geburtsort bleiben würde. Ich wollte auch nicht die Sprache dieses Landes lernen. ( . . . ) Wir wussten, dass unser Land ( . . . ) das Land Israel sein würde". Dieses erstaunliche Zitat stellt Segev dem Buch voran und macht sich im folgenden daran, die vermeintliche Vision eines Dreijährigen auch als historischen Zufall auf dem Lebensweg eines ehrgeizigen, doch einsamen Mannes zu zeichnen - ohne jedoch die zionistische Grundidentität Ben Gurions in Frage zu stellen.

So berichtet Segev vom Hunger und den Geldschwierigkeiten des jungen Einwanderers, von der Entdeckung seiner journalistischen Talente, und immer wieder vom Kampf um Anerkennung durch gleichaltrige Freunde sowie durch Frauen. "Warum wolltet ihr mich nicht?" überschreibt er das Kapitel, in dem Ben Gurion ein Posten in der Organisation "ha Shomer" versagt wurde, also jener Miliz, die zu diesem Zeitpunkt das jüdische Leben im britischen Palästina schützte. Im Verhältnis zu seiner in Polen verbliebenen Familie macht Segev eine Gefühlskälte Ben Gurions aus, die er in dessen langjährigem Versäumnis begründet sieht, seinen Vater und seine Schwester aus Plonsk nach Eretz Israel zu holen.

Schließlich machen die Erwähnung seiner Liebschaften, belegt durch leidvolle Briefe seiner Ehefrau Paula an den häufig im Ausland weilenden Ehemann, Segevs Darstellung zu einer Biographie, die das Menschliche betont. Insgesamt scheint sein Anliegen zu sein, Ben Gurion seiner moralischen Unantastbarkeit zu entreißen: Er zitiert ihn mit antisemitisch anmutenden Ausfällen über die Diaspora-Juden wie "entwurzelte Masse" und "Orangenspekulanten", gipfelnd im Ausdruck des "kranken Hirn des Ghetto-Juden". Der Glaube an die "intellektuelle Rückständigkeit" der Araber und die eigene moralische Überlegenheit des "Menschenmaterials" der jüdisch-zionistischen Gemeinschaft in Palästina habe wesentlich seinen Siegesoptimismus 1947 geprägt. An einen Frieden mit den Arabern glaubte Ben Gurion nie, bereits im Jahr 1919 sagte er einen ewigen Konflikt voraus. Die Einbindung amerikanischer Juden in die Jewish Agency, die vorstaatliche Regierung des jüdisch-zionistischen Protostaats, verteidigte Ben Gurion gegenüber seinen Genossen, die eine Zusammenarbeit mit "Kapitalisten aus Amerika" kritisch sahen. Demokratie, Sozialismus, Frieden: Sie alle waren bereits für den Gründungsvater dem Ideal des Zionismus nachgeordnet. Der Krieg 1948 schließlich wurde zu einer Zerreißprobe für Ben Gurions Macht: er überschritt seine Befugnisse mit Einmischungen in die Kampfführung, die zu hohen Opferzahlen führte und unterließ die Evakuierung jüdischer Kinder aus Jerusalem, um nicht vor dem Feind zu kapitulieren. In der ersten Dekade nach 1948, hier charakterisiert durch Israels Selbstverständnis aufwühlende politische Affären und Ben Gurions zahlreiche Rücktritte, zerstörte der Ministerpräsident sein politisches Ansehen selbst immer wieder, bis er schließlich Anfang der sechziger Jahre langsam den "Bezug zur Wirklichkeit verlor", wie Segev schreibt. 1963 trat Ben Gurion endgültig von der politischen Bühne ab, zehn Jahre später verstarb er in der Wüste Negev.

Nach 700 Seiten bleibt die Frage, warum sich Tom Segev unter allen Figuren der zionistischen Bewegung - man denke an Chaim Weizmann und Zeev Jabotinsky - ausgerechnet Ben Gurion vorgenommen hat. Besondere Sympathie scheint er für ihn, der laut Segev "keinen Humor besaß", nicht zu empfinden - im Gegenteil. Es entsteht der Eindruck eines auf unsere Gegenwart ausgerichteten politischen Buchs, das heutige Debatten in mehr als 70 Jahre alten Zitaten Ben Gurions aufspürt (demokratischer Staat oder jüdischer Staat; Umgang mit palästinensischen Arabern; Autonomie-Rechte für ultraorthodoxe Juden) und so nicht zuletzt auf die Grundlegung israelischer Gesellschaftsbildung verweist.

Als einer der erfolgreichsten Publizisten Israels scheut sich Segev nicht, die persönlichen Quellen, Briefe und Tagebücher Ben Gurions, auch jene seiner Frauen, mit viel Detailfreude zu interpretieren. Kunstvoll und mit großer Lust am Erzählen, als Hakawati (Arabisch für Geschichtenerzähler) des zionistischen Projekts, zeichnet er ein ambivalentes Bild des 1886 geborenen Staatschefs, den er selbst in den Sechzigern noch kennenlernte. Teils kleinteilige Unterkapitel, mit Zitaten aus Ben Gurions Briefen überschrieben, bleiben manchmal etwas unverarbeitet stehen und verleihen dem Erzählfluss streckenweise etwas Anekdotenhaftes. Überzeugend bleibt die sorgsame und quellengesättigte Annäherung an die menschliche Seite des israelischen Gründervaters allemal. Als Einführung in die sozialen und moralischen Auseinandersetzungen innerhalb der vorstaatlichen Institutionen und den Ränkeschmieden seiner Elite gelesen, wirkt Segevs mit schillernden Zitaten gespickte Biographie besonders anschaulich.

JENNY HESTERMANN

Tom Segev: Ben Gurion. Ein Staat um jeden Preis.

Siedler Verlag, München 2018. 799 S., 35,- [Euro].

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»Da Segev ein begnadeter Erzähler ist, liest sich seine Biografie der Jahrhundertfigur stellenweise so spannend wie ein Krimi.« NZZ am Sonntag