Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 2,99 €
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Vor dem Hintergrund der weiten kanadischen Seenlandschaft entfaltet Jane Urquhart das Panorama einer Familiensaga, beschwört Erinnerungen und Geheimnisse, erzählt Geschichten von Liebe und Verrat.
Jeden Sommer ihrer Kindheit hat Liz auf den Obstplantagen ihres Onkels am Eriesee verbracht. Jeden Sommer hat sie darauf gewartet, dass ihr Lieblingsbaum sich orange färben würde, lodernd von unzähligen Schmetterlingen, die sich auf ihrer Wanderung dort niederließen. Jetzt ist Liz vierzig und zurückgekehrt, um als Entomologin den Monarchenfalter zu erforschen. Doch während sie auf dem verlassenen…mehr

Produktbeschreibung
Vor dem Hintergrund der weiten kanadischen Seenlandschaft entfaltet Jane Urquhart das Panorama einer Familiensaga, beschwört Erinnerungen und Geheimnisse, erzählt Geschichten von Liebe und Verrat.
Jeden Sommer ihrer Kindheit hat Liz auf den Obstplantagen ihres Onkels am Eriesee verbracht. Jeden Sommer hat sie darauf gewartet, dass ihr Lieblingsbaum sich orange färben würde, lodernd von unzähligen Schmetterlingen, die sich auf ihrer Wanderung dort niederließen. Jetzt ist Liz vierzig und zurückgekehrt, um als Entomologin den Monarchenfalter zu erforschen. Doch während sie auf dem verlassenen Gut umherstreift, steigen die Erinnerungen auf: Was ist geschehen in jenem Sommer, in dem so vieles zerbrach? Wohin ist ihr Onkel verschwunden, und wäre sie glücklich geworden mit Theo, ihrer ersten großen Liebe, dem mexikanischen Jungen, mit dem sie so viel mehr
verband, als sie ahnen konnte?
Mit Sensibilität und Sprachmacht lässt Jane Urquhart eine Familiengeschichte und eine Landschaft derart lebendig werden, wie es wohl nur eine der ganz großen kanadischen Erzählerinnen vermag.
Autorenporträt
Jane Urquhart, geboren 1949 in Geralton, Ontario, wuchs in Toronto auf und lebt heute wieder in einer Kleinstadt in Ontario. Sie gehört zu den erfolgreichsten kanadischen Schriftstellerinnen der Gegenwart.

Barbara Schaden, Jahrgang 1959, studierte Romanistik und Turkolgoie in Wien und München. Nach ein paar Jahren in der Filmbranche und im Verlagslektorat seit 1992 freiberufliche Übersetzerin, u.a. von Patricia Duncker, Margaret Atwood, Nadine Gordimer, Jean-Claude Guillebrand, MaurizioMaggiani, Fleur Jaeggy, Kazuo Ishiguro und Cindy Dyson.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.12.2012

Monarchfalter als Migrationsmodell
Jane Urquhart möchte als Romanautorin so aktuell wie möglich sein: "Der Schmetterlingsbaum"

Es ist unmöglich, im Zusammenhang von Literatur und Lepidopterologie nicht an Nabokov zu denken: literaturgeschichtlich besetztes Areal, das sich nur schwer zurückerobern lässt. Wer also einen Schmetterlingsforscher in einen Roman schickt, dem würde man raten, sich zu wappnen.

Die kanadische Erfolgsautorin Jane Urquhart geht die Sache eher entspannt an. Ihre Ich-Erzählerin Liz forscht beruflich über Monarchfalter und weiß so manche Analogie zwischen deren Paarungs- und Migrationsverhalten und den Ereignissen ihrer - den "Gefallenen" gewidmeten - Erzählung anzubringen. Im Deutschen heißt der Roman "Der Schmetterlingsbaum". Gemeint ist damit eine "gewöhnliche Zeder", die vor einer Obstfarm in der kanadischen Ontario-Region steht und die derart attraktiv auf Monarchfalter wirkt, dass sie sich im Spätsommer in einen "brennenden Dornbusch" verwandelt. Für Liz, die in ihrer Kindheit jeweils die Sommermonate auf der Farm ihres Onkels verbracht hat und später - als der Rest der Familie entweder gestorben, im Altersheim oder verschwunden ist - ins verwaiste Gut zurückkehrt, scheint der Schmetterlingsbaum den Grundstein zur Berufswahl gelegt zu haben.

Im kanadischen Original ist der Fokus im Titel mit "Sanctuary Line" etwas anders gesetzt. Hier ist die Straße, an der die Farm liegt, titelgebend. Die frühere "Point Road", die an einem Leuchtturm des Eriesees endet, wurde im Laufe der Drei-Generationen-Geschichte auf ihren heutigen Namen umgetauft, der auf Deutsch so viel wie Schutzgebietsstraße heißen könnte. "Sanctuary" kann aber auch Zufluchtsort oder Asyl und im religiösen Zusammenhang Altar oder Kultstätte bedeuten. Damit umspannt der englische, kaum übersetzbare Titel die Chronik des Zerfalls einer auf alten Traditionen gründenden Familie und der daran angrenzenden Themen mehrstimmiger.

Zwei Voraussetzungen wurden bis in Liz'-Generation immer erfüllt: Die Butlers lebten am Wasser, und sie waren entweder Leuchtturmwächter oder Obstzüchter. Außerdem schienen sich die Grundeigenschaften ihrer Patriarchen zu vererben: "eigensinnig, verstockt, mit einer Neigung zu brachialen Heldentaten unter den widrigsten Umständen. Regentschaft um Regentschaft. Gebieter über beeindruckende Körperkräfte, erzielten sie glorreiche Erfolge und fielen spektakulären Pleiten zum Opfer."

Im Fall des charismatischen Onkels Stanley führen diese Eigenschaften unter anderem dazu, mit Hilfe mexikanischer Leiharbeiter eine einträgliche Obstplantage zu bewirtschaften, jegliche Interessengebiete seiner Mitmenschen für sich zu vereinnahmen, sechzehn Jahre Fremdgehen zu verheimlichen, mit James-Bond-Manieren vorn in die Garage hinein- und hinten wieder hinauszufahren oder ein ganzes Haus per Traktor anzuheben und damit das von der Frau geliebte Wohnzimmerparkett zu zerstückeln. Um sich als Leser außer Stanley noch den für den Plot eher unwesentlichen, brav erzählten Nebensträngen zu widmen, ist eine viktorianisch geschulte Geduld mit Romanen sicher hilfreich. Ansonsten hilft Jane Urquharts Sympathie für all ihre Figuren der Geduld hier und da auf die Sprünge.

Für die hinlänglich bekannte Beobachtung, dass auch auf Ungerechtigkeits-, Unterdrückungs- oder Hierarchieprinzipien fußende soziale Strukturen bis zu ihrer Hinterfragung oder Auflösung Halt geben und deren Verlust oft als schmerzhafte Identitätskrise erlebt wird, braucht man den Roman hingegen nicht. Und bei aller Anschaulichkeit kann er dann doch nicht ganz vermitteln, wie es dazu kam, dass Stanleys Tochter, die Lyrikliebhaberin Mandy, nach Zusammenbruch des Kindheitsparadieses und Verschwinden ihres Vaters fortan in Afghanistan als Soldatin für eine bessere Welt kämpft.

Allerdings ist der Leser als Adressat nur Zweitverwerter, denn in erster Linie wendet Liz sich als Erzählerin an den kanadischen Kurden Vahil, "Mister Military" genannt, Pressesprecher der Afghanistan-Einheit und Liebhaber von Mandy. Offiziell hat er sich jedoch nie zu ihr bekannt. Das scheint daran zu liegen, dass er als Heimatersatz den Islam entdeckt und sich auf eine Existenz als Imam vorbereitet hat. Erst ein Jahr nach Mandys Tod durch einen "improvisierten Sprengsatz" wendet er sich an Liz.

Und weil auch er ein tragischer Held ist und Liz an ihre Jugendliebe, den tragisch verunglückten Mexikaner Teo, denken lässt, setzt die Erzählerin letztlich mitfühlend zur ultimativen Analogie an: "Sie wissen ja", wendet sie sich nach einem Exkurs über ein mexikanisches Schmetterlings-Mekka und das "Anderssein" an Vahil, "dass die Monarchfalter der vierten Generation anders als ihre Vorfahren, die nur sechs Wochen leben und sich auf dem Weg nach Norden paaren und sterben, die stärksten sind; sie halten volle neun Monate durch und sind imstande, an den Ort zurückzukehren, von dem sie aufgebrochen sind, zu überwintern, sich zu paaren und den ganzen Zyklus von vorn beginnen zu lassen."

Ein ebenso gut gemeinter Rat wie ungelenker Beitrag zu den "mühseligen Wanderungen", sprich Migrationsbewegungen dieser Welt. Und ein recht enttäuschendes Apfelbirnenmus von einer preisgekrönten Autorin aus einem Land, dessen Literaten dasselbe Thema schon längst auf höchstem Weltliteraturniveau vermessen. Vieles spricht hier für die Nabokovsche Trennung von Schmetterlingskunde und Literatur.

ASTRID KAMINSKI

Jane Urquhart: "Der Schmetterlingsbaum". Roman.

Aus dem Englischen von Barbara Schaden. Bloomsbery Verlag Berlin 2012. 239 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Astrid Kaminskis Kritik am neuen Roman der kanadischen Erfolgsschriftstellerin Jane Urquhart beginnt mit lauer Sympathie und endet als scheppernder Verriss - und zeichnet somit vielleicht auch emotional die Lektüreerfahrung der geplagten Rezensentin nach. Ein Drei-Generationen-Roman am Erie-See in Kanada ist das also, mit dem für solche Romane üblichen Personal aus einem knorrigen Patriarchen, der eine Obstplantage betreibt, und Kindern, die als Lyrikliebhaberinnen, Afganistan-Soldatinnen und Schmetterlingsforscherinnen (Nabokov!) aus der Art schlagen. Hineingemischt werden dann auch noch Multikulti-Elemente mit Pressesprechern kurdischer Abstammung, die ausgerechnet in Afghanistan zum Islam finden, und ähnlich "ungelenken Beiträgen" zur Erkundung einer Welt, die nicht mehr nur aus Obstplantagen, sondern aus vielfachen Migrationsbewegungen besteht. Der Roman ist für Kaminski ein "recht enttäuschendes Apfelbirnenmus".

© Perlentaucher Medien GmbH