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Niemand kommt dem Phänomen Obama so nahe wie David Remnick. Sein hervorragend recherchiertes und mitreißend geschriebenes Buch begnügt sich nicht damit, das unbestechliche Porträt eines politisch Hochbegabten auf der Suche nach seiner Identität zu zeichnen. Remnick seziert vielmehr eine Gesellschaft und ein politisches System voller Widersprüche und Brüche, von den Anfängen der Bürgerrechtsbewegung und ihrem andauernden Kampf gegen die Rassendiskriminierung bis hin zu den innenpolitischen Verwerfungen der Ära Bush nach den Anschlägen vom 11. September. Woher kommt und wofür steht Barack Obama?…mehr

Produktbeschreibung
Niemand kommt dem Phänomen Obama so nahe wie David Remnick. Sein hervorragend recherchiertes und mitreißend geschriebenes Buch begnügt sich nicht damit, das unbestechliche Porträt eines politisch Hochbegabten auf der Suche nach seiner Identität zu zeichnen. Remnick seziert vielmehr eine Gesellschaft und ein politisches System voller Widersprüche und Brüche, von den Anfängen der Bürgerrechtsbewegung und ihrem andauernden Kampf gegen die Rassendiskriminierung bis hin zu den innenpolitischen Verwerfungen der Ära Bush nach den Anschlägen vom 11. September.
Woher kommt und wofür steht Barack Obama? Wie sieht er sich selbst? Welche Rolle spielte und spielt seine Hautfarbe für ihn und für andere? Vor allem aber: Was sagen sein Aufstieg, seine Erfolge und Misserfolge über das gesellschaftliche und politische System aus, aus dem er hervorgegangen ist?
Remnick gelingen eindringliche Porträts von Angehörigen und Freunden, Vorbildern, Widersachern oder Weggefährten, ohne die weder Obamas Gedankenwelt noch sein politischer Werdegang zu verstehen sind. Dann wieder ordnet er die biographischen Wegmarken in den großen Rahmen der jüngeren amerikanischen Geschichte ein. Das Ergebnis ist ein beispielloser Blick in das Innenleben des politischen Establishments von Chicago bis Washington.
Nur jemand wie David Remnick konnte dieses Buch schreiben: ein Meisterwerk der biographischen Reportage, zugleich aber die scharfsichtige Analyse einer Gesellschaft, die auch mit einem schwarzen Präsidenten von einer Lösung der schwelenden Rassenkonflikte weit entfernt ist.
Autorenporträt
David Remnick ist seit 1998 Chefredakteur und Mitherausgeber des Kulturmagazins "The New Yorker". Für sein erstes Buch über den Zusammenbruch des politischen Systems der Sowjetunion: Lenin's Tomb. The Last Days of the Soviet Empire, erhielt er 1994 den Pulitzer Preis. David Remnick schreibt regelmäßig Kritiken für The New York Review of Books; seine Beiträge wurden u.a. in Zeitschriften publiziert. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in New York.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.11.2010

Der Ausnahmepräsident
Barack Obama hat nur wenige Chancen, aber er nutzt sie. David Remnick erzählt, wie dieser Mann,
der sich selbst als„Schwarzer“ bezeichnet, es geschafft hat, ins Weiße Haus zu kommen
Yes, we can – vielleicht wird diesen drei Worten, die einen Aufbruch Amerikas in eine bessere Zukunft signalisierten, am heutigen 2. November ein „not“ angefügt. Das wäre verhängnisvoll, nicht nur für die USA. Gewiss, dieser wunderbare Satz, der so viele alte und – vor allem – junge Menschen in den USA und auch weltweit inspirierte und sie in ihrem Glauben an die Möglichkeit einer besseren Welt stärkte: Er konnte in den Mühen der Ebene nicht auf Dauer mit dem gleichen Elan wie bei den „Primaries“ und dem Wahlkampf für die Präsidentschaft wirken.
Aber dass weniger als zwei Jahren nach der Wahl Obamas zum Präsidenten der USA die Stimmung in weiten Teilen des jungen Amerika in Teilnahmslosigkeit umgeschlagen ist, dass das gesellschaftliche Klima anscheinend zunehmend von der disparaten und reaktionären „Tea Party“-Bewegung bestimmt wird, das hat auch jemand wie ich, der die quälenden Mühseligkeiten der Politik kennt, nicht erwartet.
Doch gemach: Wer die Biographie Obamas des Journalisten David Remnick gelesen hat, der hat begriffen, dass Obama zwar verkürzt und vereinfacht, aber doch wohl zutreffend als ein Idealist beschrieben ist. Dabei ist er nicht bloß Träumer, sondern auch ein Macher. Anderenfalls wäre er nicht Präsident der USA geworden. Wie das möglich wurde, eigentlich gegen alle Wahrscheinlichkeiten, das versteht man nach der Lektüre der 900 Seiten dieses Buches – und man versteht auch Amerika besser, jedenfalls einige seiner vielen Seiten.
Vor allem versteht man den Menschen Obama besser, und auch die Umstände, die es ihm ermöglichten, den ungeheuer kraftzehrenden Weg ins Weiße Haus zu Ende zu gehen. Die beiden letzten Stationen dieses Weges, die Primaries und der Wahlkampf, sind in Europa besser bekannt als die vielen Etappen davor. Sie beschreibt Remnick mit ungeheurer Detailkenntnis. Zuweilen ist es ermüdend, wenn Dutzende von Wegbegleitern Obamas, zum Teil mitsamt Kurzbiographie, zitiert werden. Eine auf den Punkt gebrachte Zusammenfassung wäre dem Buch, vor allem für europäische Leser, denen die meisten dieser Namen nichts sagen, zugute gekommen.
Aber man gewinnt ein anschauliches Bild von der Persönlichkeit Obama, vor allem, wenn Remnick seine Kindheit und Jugend schildert. Die Kindheit verbringt er ohne den kenianisch-muslimischen Vater – der taucht nur einmal zu einer Stippvisite auf – fern dem amerikanischen Kernland auf Hawaii und Indonesien. Die weiße Mutter ist eine liebevolle, stark in sozialen Projekten engagierte Frau. So liegt Baracks Erziehung weitgehend in der Hand der weißen Großeltern, die ihn wirklich lieben und prägen. Der Titel von Obamas erstem Buch, fast eine Selbstbiographie, die er mit dreißig Jahren (!) verfasst, lautet: „Dreams from my Father“ („Ein amerikanischer Traum“, Hanser Verlag). Er ist stolz auf seinen Vater – trotz allem.
Der Vater endet im Suff – betrunken, Verkehrsunfall, tot. Faszinierend ist dann die Entwicklung Obamas in den USA – vor allem in Chicago, wo er nach dem College Stadtteilarbeit macht und seine eigene Identität sucht und bewusst entscheidet: Schwarzer. Die Ernsthaftigkeit des jungen Mannes hat etwas Anrührendes. Seine Reife und sein Freisein von Ressentiments gegenüber den mehrheitlich bornierten Weißen verleihen ihm Überlegenheit. Zusammen mit seiner Intelligenz machen ihn diese Fähigkeiten später bei seinem juristischen Studium in Harvard zum ersten schwarzen Chefredakteur der hoch angesehenen Harvard Law Review.
Die Arbeit als „Community Organizer“ in Chicago ist für Obama auch eine hervorragende politische Schulung. Er lernt zu organisieren, er lernt, wie man Leute zum Wählen bringt, die auf die Politik schon längst nicht mehr bauen. Er hält Reden, die schon wesentliche Elemente seiner späteren großen Redeerfolge enthalten. So wird er Senator von Illinois. Das ist ein Amt, das in seiner politischen Bedeutung in etwa mit dem eines deutschen Ministerpräsidenten zu vergleichen ist. In Deutschland dient es als Sprungbrett für die Kanzlerschaft, in den USA kann ein
Das soll genügen, um festzustellen: Es lohnt, Remnicks Buch zu lesen. Auch, weil man zugleich nochmals einige Charakteristika der USA, dieses uns so nahen wie fernen Landes, näher kennen lernen und Schlussfolgerungen ziehen kann.
Das eine ist die ungeheure Bedeutung der Rassenfrage. Ja, man muss diesen in Deutschland unkorrekten Ausdruck benutzen, um die emotionale Tiefe des Problems der nach wie vor nicht wirklich integrierten Afroamerikaner in seinem Kern zu erfassen. Die Wahl Obamas ist zweifelsfrei ein Beitrag zu dessen Lösung. Wie dauerhaft und wie tiefgreifend: das hängt von dem Erfolg seiner Präsidentschaft ab und damit nicht zum geringsten von ihrer Dauer, also ob er in zwei Jahren wiedergewählt wird.
Das andere, schon oft in Europa erörterte Phänomen ist die amerikanische Religiosität, die sich von der europäischen – man muss schon sagen: radikal – unterscheidet. Ohne die schwarzen protestantischen Kirchen wäre Obama niemals Präsident geworden. Es geht gar nicht einmal darum, dass diese Kirchen seine Kandidatur unterstützten. Viel wichtiger ist: Der in ihnen beheimatete Glaube ist nicht nur (ja vielleicht nicht einmal in erster Linie) auf das Transzendentale ausgerichtet, sondern er verleiht die sichere Gewissheit einer besseren Welt hienieden. Diese Kirchen geben Hoffnung, die nicht nur den gegenwärtigen Schmerz ertragen lässt, sondern zugleich Kraft und Siegeszuversicht verleiht. Man lese dazu das erste Kapitel des Buches, in dem eine große Rede Obamas, die er in Selma, einem der Zentren der Rassenkonflikte, gehalten hat, ausführlich wiedergegeben ist.
Und schließlich, drittens, und aus europäischer Sicht ist das vielleicht das Wichtigste: Wie wird Obama mit der Tatsache umgehen, dass Amerika nicht länger die unbestrittene einzige Weltmacht ist, eine Position, die für das amerikanische Selbstverständnis von zentraler Bedeutung war? Obama will anders führen, als es bisher üblich war. Aber führen will auch er die Welt. Es ist zu kurz gegriffen, wenn man ihm vorwirft, schöne Reden nützten nichts. Die Rede in Kairo an die muslimische Welt war nicht nur schön und gut, sondern als solche auch eine Tat. Aber natürlich: Glauben werden die Muslime ihm erst dann, wenn er den israelisch-palästinensischen Konflikt gelöst hat. Ob ihm die inneramerikanische Lage das erlaubt, ist zweifelhaft.
Unstreitig hat ihm diese nicht erlaubt, eine konstruktive Rolle – von Führung ganz zu schweigen – in Kopenhagen zu spielen. Die USA sind ein superdemokratisches Land. Alle zwei Jahre finden nationale Wahlen statt. Die Abgeordneten im Repräsentantenhaus und im Senat stehen ständig unter dem unmittelbaren Druck wechselnder Stimmungen ihrer Wähler und egoistischer Interessenlobbies. Der größte Gliedstaat Kalifornien ist wegen seiner plebiszitären Struktur pleite und regierungsunfähig geworden. Gegen China will der Kongress Strafzölle erheben wegen dessen Währungspolitik. Aber unter einem Währungskrieg würden die wirtschaftlich angeschlagenen USA mindestens ebenso leiden wie die Chinesen und alle anderen. Die innere und äußere Verschuldung des Landes ist beängstigend, und wenn es kein Ende dieses Elends in absehbarer Zeit gibt, dann wird dieses fundamentale Ungleichgewicht die nächste Weltwirtschaftskrise mit Sicherheit auslösen.
Der faszinierende amerikanische Präsident Barack Obama, den Remnick mit unverkennbarer Sympathie so eindrucksvoll beschreibt, ist nicht zu beneiden. Aber Europa kann nur hoffen, dass er Erfolg hat. Es sollte aber nicht nur dafür beten, sondern seine Kräfte endlich bündeln, damit es ihm ein echter Partner wird, der auf der Basis grundlegender Übereinstimmung als einziger unter den neuen Mächten in der Lage wäre, ihm auch in der Auseinandersetzung mit den retardierenden Kräften im eigenen Land zu helfen. KARL LAMERS
DAVID REMNICK: Barack Obama. Leben und Aufstieg. Aus dem Amerikanischen von Friedrich Griese. Berlin Verlag, Berlin 2010. 976 Seiten, 34 Euro.
Karl Lamers war von 1990 bis 2002 außenpolitischer Sprecher der CDU. Von 2002 bis 2005 war er Vizepräsident der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament.
Obama will die Welt anders
führen, als die USA es bisher taten
Guido Siebers Bild einer Gangsterbraut: Virginia Hill. Sie war schön, hatte aber wenig Sinn für Rechtstaatlichkeit. Abb. Edel Verlag
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2010

Von hoher Erwartung zu tiefer Enttäuschung

Barack Obamas Weg ins Weiße Haus und die ersten Jahre seiner Amtszeit: Anspruch und Wirklichkeit klaffen erstaunlich weit auseinander.

Von Stefan Fröhlich

Wer hoch fliegt, der fällt tiefer. Dennoch ist es bemerkenswert, dass der Präsident, den uns David Remnick in seiner bestens recherchierten und mit unzähligen Interviews mit dessen Weggefährten und Zeitzeugen gespickten Biographie präsentiert und den die Weltöffentlichkeit nach wie vor als charismatischen, selbstbewussten und zum Wandel entschlossenen Politiker wahrnimmt, Umfragen zufolge heute im eigenen Lande kaum mehr beliebter ist als sein Vorgänger, der das Land innerhalb von acht Jahren in die schwerste politische Krise seit Vietnam geführt hat.

Remnick bietet im zwölfseitigen Epilog des fast 1000-Seiten-Werkes nur beiläufig einen kurzen Einblick in das erste Jahr der Amtszeit von Barack Obama. Er schildert die immensen Probleme und Herausforderungen, vor denen Obama bei Amtsantritt stand: die Kriege im Irak und in Afghanistan, die schwerste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression vor 70 Jahren, zusammenbrechende Finanzmärkte und Rekorddefizite. Und er konstatiert geradezu euphemistisch, dass es ihm mit staatlichen Interventionen zwar gelungen sei, das Land vor einer noch größeren Wirtschaftskrise zu bewahren, dass zehn Prozent Arbeitslosigkeit und der "Anblick von Investmentbankern, die auf das Kapitol kamen, um ihre krassen Boni zu rechtfertigen", aber in der Bevölkerung kein Gefühl von Dankbarkeit oder Jubelstimmung hervorrief.

Der Schwerpunkt seines Bandes liegt auf der detaillierten Schilderung des Aufstiegs und des Weges des Präsidenten ins Weiße Haus. Was man ansonsten vergleichsweise eindringlich nur in der Autobiographie des Präsidenten lesen kann, erlebt man hier nochmals aus dem Blickwinkel des akribisch arbeitenden Journalisten - die Phase, da er zum ersten afroamerikanischen Präsidenten der Harvard Law Review wurde, die Zeit als Sozialarbeiter in Chicago, eine Hochburg des Rassenkonflikts, schließlich die Jahre der Kindheit und Jugend, die er mit seinen Großeltern und seiner weißen Mutter zum größten Teil im multiethnischen Hawaii verbrachte. Auf diese Weise entsteht eine eindrucksvolle Charakterstudie Obamas.

Gleichzeitig zeigt sich hier das Hauptanliegen der Studie: Remnick geht jener Frage nach, die Obama bis hin zu seiner Präsidentenwahl verfolgte, nämlich ob er seiner Abstammung wegen überhaupt als "schwarz genug" einzuordnen sei. Konsequent greift er damit das Rassenthema aus Sicht der Bürgerrechtsbewegung auf - so wie es viel tiefgehender und subtiler auch der Originaltitel "The Bridge" assoziiert. Jene "Brücke" ist der Übergang in Selma in Alabama, über den im März 1965 Tausende Afroamerikaner auf ihrem Protestmarsch für das Wahlrecht und gegen Diskriminierung gingen, um anschließend auf ihrem Marsch von der Polizei brutal auseinandergetrieben zu werden ("Bloody Sunday").

Von ganz anderem Zuschnitt und Umfang ist das Buch von Philipp Schläger. Der in New York lebende Journalist zieht eine sehr nüchterne und kritische Bilanz für die ersten beiden Amtsjahre Obamas und kommt zu dem Ergebnis, dass die vermeintlichen Erfolge - der Abzug aus dem Irak beziehungsweise das Vorlegen eines Abzugsdatums für Afghanistan, die Milliardenprogramme zur vorläufigen Rettung der Wirtschaft, die neuen Regeln für die Krankenversicherungen, die Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses - bei näherer Betrachtung kaum gravierende Veränderungen gebracht haben und darüber hinaus viele Wahlversprechen nicht eingehalten werden konnten. Durchaus kenntnisreich und vorwiegend gestützt auf graue Literatur (angesichts der Zeitnähe nicht verwunderlich) analysiert Schläger die wichtigsten innen- wie außenpolitischen Reformvorschläge und stellt am Ende fest, dass Anspruch und Wirklichkeit in Amerika auch unter Obama weit auseinanderklaffen. Dass er dabei zeitweise etwas pauschal und verkürzt den Präsidenten für den nach wie vor ausgeprägten Lobbyismus im Lande, einen aufgeblähten Verteidigungshaushalt oder die zu hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich macht, schmälert den Erkenntniswert der Studie nur unwesentlich. Das größere Problem liegt wohl eher darin, dass Obama von den Republikanern der Mitte, auf deren Kompromissbereitschaft er zu sehr setzte, sehr rasch blockiert wurde.

Schläger beginnt seine Bilanz mit einer kritischen Betrachtung des Managements der Finanz- und Wirtschaftskrise durch die Regierung. Zwar habe die Regierung mit dem großen Stimulus-Paket richtig und rasch reagiert; die Regeln für die Finanzmärkte aber seien unzureichend, da Megabanken verschont blieben und somit wohl auch in Zukunft im Krisenfall der Steuerzahler als Geisel genommen werde. Das Verbot des Eigenhandels und die Trennung von Bank- und Investmentgeschäften fiel schwächer aus als zunächst angekündigt. Schließlich seien auch die Regelungen für den Handel mit Derivaten zu schwach, ganz zu schweigen von den zahlreichen Regelungen des entsprechenden Gesetzes, die noch von den Aufsichtsbehörden zu bestimmen sind.

Ähnlich kritisch bilanziert Schläger die Gesundheitsreform, die zwar ein bedeutender Schritt sei, die aber nach wie vor nicht einmal "ein symbolisches Einfallstor" in die staatliche Krankenversicherung enthält, die Politik zur Herstellung des Rechts (Guantanamo), die darin bestehe, dass maßgebliche Antiterrormaßnahmen der Bush-Regierung weiterhin praktiziert würden, oder die Energie- und Umweltpolitik, die nach den großen Ankündigungen im Wahlkampf alles in allem enttäuschend und von großem Zaudern (Krisenmanagement in der Deepwater-Affäre) geprägt seien. Schließlich gelte auch in der Außenpolitik keinesfalls das Primat der Diplomatie, vielmehr verfolge der Präsident, so die etwas pauschale Kritik, lediglich pragmatische Interessenpolitik. Er verstricke sich allzu sehr und wohl auf längere Sicht als angekündigt (hier braucht man kein Prophet sein) in der Afghanistan-Frage.

Dies alles liest sich wohl gut, kommt aber über eine solide Bestandsaufnahme nicht hinaus. Man wünschte sich etwas mehr Analyse und in der einen oder anderen Frage vielleicht eine Einschätzung des Autors, welche konkreten Maßnahmen und vor allem Alternativen der Administration denn anzuraten seien. Ob es damit getan gewesen wäre, wie der Autor am Ende mit leicht resignierendem Unterton festhält, wenn der Präsident die zahlreichen fortschrittlichen Kräfte stärker ins politische System eingebunden hätte (sowohl in der Innen- wie in der Außenpolitik), darf gleichsam zumindest angezweifelt werden. Nicht wenige haben den Aufbruchund Veränderungswillen in der amerikanischen Gesellschaft vielleicht überschätzt. Die Beharrungskräfte, wie das Wiedererstarken der Republikaner zeigt, sind auch in den Vereinigten Staaten größer, als man vermutet. Richtig ist allerdings, dass die Amerikaner insgesamt von ihrem Präsidenten in der zweiten Hälfte der ersten Amtszeit mehr Führungsstärke erwarten.

David Remnick: Barack Obama - Leben und Aufstieg. Berlin Verlag, Berlin 2010. 976 S., 34,- [Euro].

Philipp Schläger: Der entzauberte Präsident. Barack Obama und seine Politik. Verlag Rotbuch, Berlin 2010. 191 S., 9,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Sehr eingenommen ist Rezensentin Doris Akrap für David Remnicks packende Biografie des ersten afroamerikanischen Präsidenten der USA. Wie der Chefredakteur des "New Yorker" die Inszenierung Obamas in den Kontext der US-Geschichte stellt, findet sie schlicht großartig. So bietet das Werk in ihren Augen nicht nur ein ungemein packendes Porträt Obamas und seines Wegs an die Spitze, sondern auch ein umfassendes und erhellendes Bild der Gesellschaftsgeschichte in den USA im 20. Jahrhundert. Akraps Fazit: ein "historisches Werk".

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