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Baba Jaga ist eine böse und hässliche Greisin, der man nachsagt, sie fresse kleine Kinder. Sie ist eine mythische ,Episodengestalt und hat oft eine Schlüssel-, nie jedoch eine Hauptrolle. Wer möchte sich schon mit einer solchen Figur befassen!? Und dennoch ist Baba Jaga eines der ältesten archetypischen Bilder in der Geschichte der Menschheit, das in uns allen, Frauen wie Männern, tief verwurzelt ist. Bei der Entscheidung, sie zu meinem Thema zu machen, ließ ich mich vielleicht von einem Gerechtigkeitsgefühl leiten oder aber auch von dem kindlichen Wunsch, in Baba Jagas Hütte hineinzuschauen,…mehr

Produktbeschreibung
Baba Jaga ist eine böse und hässliche Greisin, der man nachsagt, sie fresse kleine Kinder. Sie ist eine mythische ,Episodengestalt und hat oft eine Schlüssel-, nie jedoch eine Hauptrolle. Wer möchte sich schon mit einer solchen Figur befassen!? Und dennoch ist Baba Jaga eines der ältesten archetypischen Bilder in der Geschichte der Menschheit, das in uns allen, Frauen wie Männern, tief verwurzelt ist. Bei der Entscheidung, sie zu meinem Thema zu machen, ließ ich mich vielleicht von einem Gerechtigkeitsgefühl leiten oder aber auch von dem kindlichen Wunsch, in Baba Jagas Hütte hineinzuschauen, hinter den Spiegel zu sehen. In literarischer Hinsicht war dies eine anspruchsvolle Aufgabe." Dubravka Ugresic
Autorenporträt
Dubravka Ugresic wurde 1949 im heutigen Kroatien geboren. Bis sie 1993 aus politischen Gründen emigrieren musste, unterrichtete sie Literatur an der Universität Zagreb. Danach war sie Dozentin an verschiedenen europäischen und amerikanischen Universitäten, zuletzt an der Freien Universität Berlin. Im Jahr 2012 wurde sie mit dem Jean Améry-Preis für Essayistik augezeichnet.
Dubravka Ugresic lebt in Amsterdam.
Rezensionen
'Dubravka Ugresic ist eine Autorin, die man einfach verehren muss.' (Susan Sontag)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.2009

Heldinnen des Alters

Alte Frauen spielen in der Literatur selten attraktive Rollen, am häufigsten noch im Kriminalroman, wenn sie als so reizende wie exzentrische Ladys Verbrechen aufklären oder selber morden. In den Mythen und Märchen war das nicht anders, böse alte Hexen sind weit zahlreicher als weise Frauen. Besonders unvorteilhaft wird die vor allem im slawischen Raum populäre Baba Jaga geschildert. Sie hat ein Bein aus Knochen, legt ihre Hängebrüste über ihren Stock, fliegt mittels eines Mörsers durch die Luft und frisst kleine Kinder. Die 1949 geborene kroatische Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Dubravka Ugresic erblickt in ihr das Drama des Altwerdens und der erzwungenen Ausgrenzung. Im ersten Teil ihres Buches erzählt sie die Geschichten der drei alten Damen Beba, Kukla und Pupa. Ohne Mitleid, ironisch und doch zugewandt registriert sie die Phänomene des Alterns. "Bebas Gesicht, das noch vor wenigen Jahren attraktiv gewesen war, ach, wie hatte das ihr böse mitgespielt! Um die Augen bildeten sich Fettpolster, in denen ihre einst lebhaften, nun stumpfen blauen Augen versanken ... Ihr Haar wurde schütterer, ihre Füße wuchsen um zwei Nummern. Zum Glück ging sie regelmäßig zur Fußpflege, sonst hätte sie jetzt Hufe." Im zweiten Teil breitet Dubravka Ugresic auf amüsante Weise die Früchte ihrer volkskundlichen Studien aus und liefert damit ihrer Erzählung die mythopoetische Grundierung nach. Auch will sie dem Rezensenten die Arbeit abnehmen: Den Prosatext "vor dem Raster der Baba Jage zu lesen und umgekehrt ... ist ein erfrischendes literarisches Erlebnis". In Wahrheit ist es zwiespältig und führt dazu, dass der Leser plötzlich überall mehr oder minder nette alte Damen sieht. (Dubravka Ugresic: "Baba Jaga legt ein Ei". Aus dem Kroatischen von Mirjana und Klaus Wittmann. Berlin Verlag, Berlin 2008. 367 S., geb., 22,- [Euro].) fap

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.03.2009

Hässlich, böse und alt
Dubravka Ugresic nimmt sich der mythischen Figur Baba Jaga an
Dubravka Ugresic ist eine Autorin mit vielen Talenten. 1949 im heutigen Kroatien geboren, arbeitete sie bis zu ihrer politisch motivierten Emigration 1993 als Literaturwissenschaftlerin an der Universität Zagreb. Essayistik und Fiktion haben sich in ihrem bisherigen Werk nie ausgeschlossen, und so überrascht es nicht, dass sie in ihrem jüngsten Buch „Baba Jaga legt ein Ei” Autobiographie, Roman und wissenschaftliche Abhandlung zusammenbringt. In drei recht verschiedenen Teilen, die für sich stehen könnten, aber subtil miteinander verbunden sind, beleuchtet Ugresic mit Bissigkeit, Witz und Scharfsinn die vor allem im slawischen Raum bekannte Mythengestalt Baba Jaga, jene Kinder fressende, hässliche, greise Hexe, die auf einem Mörser durch die Lüfte fliegt.
In autobiographischem Gestus berichtet die Erzählerin des ersten Teils vom Altern und allmählichen Sterben der Mutter, die nach dem vorangestellten Motto „Gehe nach Ich-weiß-nicht-wo, bringe Ich-weiß-nicht-was” in die geistige Umnachtung gleitet. Immer mehr gleicht ihr Körper jenem, der traditionell der Baba Jaga zugeschrieben wird: Hängende Brüste, aufgelöste Gesichtszüge, teigige Gliedmaßen machen die Vettel zu einer Verkörperung des Ekelgefühls, wie Winfried Menninghaus vor einigen Jahren in seinem Buch über die Geschichte und Theorie des Ekels festgestellt hat. Bei Ugresic ist der Ekel Figur geworden. Sie beschränkt sich aber nicht auf den Körper und erzählt vom Erwachen einer Altersboshaftigkeit bei der Mutter, die auch zu Baba Jaga gehört. Genau beobachtet die Erzählerin die Veränderungen im Verhalten ihrer Mutter und deutet scharfsinnig einzelne Symptome, um schließlich eine Keimzelle der Baba-Jaga-Figur in der Erfahrung des Alterns auszumachen, einer Erfahrung, die so universell ist, dass sie das Fortleben der mythischen Figur garantiert.
Dabei setzt Ugresic Alter nicht mit Lebensalter gleich. Mit der Figur Abas, einer jungen Bulgarin, präsentiert sie eine Figur, die der Erzählerin durch ihre Jugend und dadurch, dass sie sich stets im Ton gegenüber ihr als Älterer vergreift, ihr eigenes Alter bewusst macht. Dabei ist Aba, in jungen Jahren schon promovierte Volkskundlerin, ein greises Kind und in der Tat der Mutter ähnlicher als Gleichaltrigen.
Nicht nur ironisch, sondern auch komisch, bizarr und grausam geht es im zweiten Teil zu, einer Grandhotelposse, in der die drei alten Damen Kukla, Pupa und Beba Bekanntschaft mit der postsozialistischen Wellnessindustrie machen, sich von Masseuren behandeln lassen, die seit dem Balkan-Krieg unter Dauererektion leiden, und amerikanische Kurpfuscher mit Golfbällen zur Strecke bringen, indem sie in deren Münder zielen. Beba gewinnt beim Roulette über eine halbe Million Euro, ohne dass sie davon etwas begreift, und Kukla muss nach ihrem unglücklichen Treffer beim Golf Dr. Topolanek zu Hilfe rufen, der lieber aufgeblasene Vorträge über die Geschichte der lebensverlängernden Maßnahmen hält, als sich ernsthaft um das Wohl seiner Patienten zu kümmern.
Eine Fülle von Wissen
Nur Pupa, eine ehemalige KZ-Insassin, ist gekommen, um endlich zu sterben, was ihr auf skurrile Weise gelingt. Der Teil, in dem Ugresic auf das lauteste Leserlachen abzielt, ist zugleich der ernsthafteste und ein Versuch, von verfallenden Körpern, selbstbetrügerischen Begehrlichkeiten nach ewigem Leben und vom Tod zu erzählen, ohne darüber den Humor zu verlieren.
Der geht auch dann nicht verloren, wenn sich „Baba Jaga legt ein Ei” in einen wissenschaftlichen Traktat verwandelt. Im dritten Teil „Wer viel weiß, wird bald alt” antwortet Aba Bagay, Dozentin für slawische Folklore und offenbar keine andere als die Bulgarin Aba aus dem ersten Teil, einem Verleger, der die beiden ersten Teile zusammen mit einem Kompendium zu deren Bezügen zur mythischen Figur Baba Jaga veröffentlichen will. Es ist, als stelle sich Ugresic hier ironisch das Zeugnis aus, die mythologischen Bezüge der Teile nicht deutlich genug herausgestellt zu haben, und zugleich eine geschickt motivierte Gelegenheit, eine Fülle von Wissen unter die Leser zu bringen. So erklärt Aba Bagay in ihrem Kompendium „Baba Jaga für Anfänger” mit Vladimir Propp, dass die Figur oft eine Schlüssel-, aber nie eine Hauptrolle spielt, und gibt zu bedenken, dass es naturgemäß keinen Baba-Jaga-Mythos gibt, der sich geradlinig erzählen ließe, sondern ausfransende Geschichten um sie, die bis in die Gegenwart hinein neue Ableger hervorbringen, um dann zurechtgeschnitten oder weitergestrickt zu werden. Große Mutter, Hexe, Greisin, Schwester und Ehefrau, all diese Rollen hat Baba Jaga gespielt und kann sie wieder spielen. Genau das, wird jetzt klar, hat Teil zwei demonstriert, in dem die geschundene Pupa, die vogelhafte Kukla und Beba mit ihrem unförmigen Rumpf verschiedene Seiten der Baba Jaga verkörperten. In jüngerer Zeit, belehrt Aba Bagay, verschaffte sich vor allem Frauenfeindlichkeit in der Figur Ausdruck. Dass das in der Geschichte der mythischen Gestalt nicht immer so war und in Zukunft nicht so bleiben muss, hat Ugresic zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Porträt der drei Damen schon bewiesen. KAI WIEGANDT
DUBRAVKA UGRESIC: Baba Jaga legt ein Ei. Aus dem Kroatischen von Mirjana und Klaus Wittmann. Berlin Verlag, Berlin 2008. 367 Seiten, 22 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Buch über das Alter, und zwar eines, das sein Thema so gnadenlos wie gnädig verhandele, zeigt Rezensentin Ilma Rakusa mit diesem neuen Roman der kroatischen Schriftstellerin Dubravka Ugresic an. Erzählt werde die Geschichte von drei alten Ladies, die jedoch bald ins Fantastische abhebe. Bei den Damen handelt es sich um Beba, die im tschechischen Kurbad zur Roulette-Millionärin wird, um Kukla, die bei Golfspielen versehentlich einen Amerikaner ums Leben bringt, sowie Pupa, eine ehemalige KZ-Insassin. Doch die Dinge, die Ugresic den Damen geschehen lasse, stammen dem Eindruck der Rezensentin zufolge eher aus einem Märchenskript als aus der Wirklichkeit. Und das scheint auch gut so und ein Quell großen Lesevergnügens zu sein, auch der ironischen Ausfälle gegen ?Lebensverlängerungswahn, Schönheitsindustrie und Wellnesskommerz? wegen. Dass im dritten Teil dann auch noch das hexische Element stark hervorgehoben wird, macht die Sache für die Rezensentin erst richtig rund.

© Perlentaucher Medien GmbH